Rz. 116

[Autor/Stand] Zweifelhaft ist, ob im Rahmen des § 372 AO auch das sog. Schmuggelprivileg des § 32 ZollVG[2] Anwendung findet, demgemäß leichte Steuerzuwiderhandlungen im grenzüberschreitenden Reiseverkehr bis zu einem Verkürzungsbetrag von insgesamt nicht mehr als 250 EUR nicht straf- und bußgeldrechtlich verfolgt, sondern nur mit einem Zuschlag bis zu 250 EUR geahndet werden.

Die Auffassungen sind geteilt. Zutreffender Ansicht[3] nach muss im Hinblick auf die in der Vorschrift enthaltene Verweisung auf § 369 AO dieses Verfahrenshindernis Beachtung finden. Das folgt aus dem eindeutigen Wortlaut der Vorschrift, die explizit ohne Einschränkungen von „Steuerstraftaten” gem. § 369 AO (früher "Zollstraftaten") spricht.

Die Gegenansicht[4] lehnt dies ab und verweist zur Begründung auf den Wortlaut und die unterschiedlichen Schutzzwecke der in Rede stehenden Vorschriften. Das Kriterium der Höhe der verkürzten Einfuhrabgaben könne für die Verfolgung des Bannbruchs, bei dem die Gefährlichkeit der Bannware ausschlaggebend sei, nicht maßgeblich sein.

Zuzugeben ist, dass die verfolgten Schutzzwecke verschieden sind, doch darf nicht übersehen werden, dass der Gesetzgeber mit dem Schmuggelprivileg einen wichtigen Zweck erreichen will. Es geht darum, generell bei gering delinquentem Verhalten im grenzüberschreitenden Verkehr, also auch bei Bagatellfällen von Bannbruch, sicherzustellen, dass eine Verfolgung in jedem Fall unterbleibt. Dieser Zweck und der neue Gesetzeswortlaut mit der eindeutigen Verweisung auf Steuerstraftaten i.S.d. § 369 AO (vgl. § 369 Abs. 1 Nr. 2 AO: "Steuerstraftaten sind ... Bannbruch") gebieten es, die Vorschrift auch auf leichte Bannbruchtaten des Nebenstrafrechts anzuwenden.

Die Norm stellt seit ihrer Neufassung mit Wirkung vom 16.3.2017[5] kein Verfahrenshindernis mehr dar, sondern es gilt – ebenso wie bei Nichtverfolgung bei § 153 StPO, § 398 AO und bei einzelnen Verbotsgesetzen wie z.B. bei §§ 31, 31a BtMG für den Betäubungsmittel-Schmuggel ("kann") – der Opportunitätsgrundsatz[6].

[Autor/Stand] Autor: Hilgers-Klautzsch, Stand: 01.10.2023
[2] Neugefasst durch Gesetz v. 10.3.2017, BGBl. I 2017, 425.
[3] Ebenso Ebner in JJR9, § 372 AO Rz. 101; Kemper in Rolletschke/Kemper, § 372 AO Rz. 34; Bach in Esser/Rübenstahl/Saliger/Tsambikakis, § 372 AO Rz. 37; Corsten/Tute in Hüls/Reichling2, § 372 AO Rz. 44; Hübner in der Vorkomm. HHSp., vor § 372 AO Rz. 33 zu § 80 ZollG a.F.; offengelassen: Nikolaus in Schwarz/Pahlke, § 372 AO Rz. 18; Ebner in GJW2, § 32 ZollVG Rz. 5 a.E., hält den Streit mit Blick auf § 372 Abs. 2 AO für praktisch irrelevant.
[4] Tormöhlen in HHSp., § 372 AO Rz. 90d; Jäger in Klein16, § 372 AO Rz. 25; Loose in Tipke/Kruse, § 372 AO Rz. 14; Klötzer-Assion in Flore/Tsambikakis2, § 372 AO Rz. 39; so auch die Dienstanweisung zum Zollschuldrecht VSV Z 09 01 i.d.F. v. 2.5.2007, Abs. 76, jew. zur bis 15.3.2017 geltenden a.F.
[5] Gesetz v. 10.3.2017, BGBl. I 2017, 425.
[6] Vgl. LG Nürnberg-Fürth v. 15.5.2019 – 18 Qs 51/18, wistra 2020, 87; Ebner in JJR9, § 372 AO Rz. 101; näher zur Neufassung Weerth, Fachteil BDZ 10/2018, F63-64.

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