Rz. 422

[Autor/Stand] Der durch das Schwarzgeldbekämpfungsgesetz eingeführte und mit Wirkung zum 1.1.2015 an zwei Stellen (dazu Rz. 427 ff.) ergänzte Sperrgrund der Bekanntgabe der Prüfungsanordnung führt dazu, dass keine Straffreiheit eintritt, wenn

"bei einer der zur Selbstanzeige gebrachten unverjährten Steuerstraftaten vor der Berichtigung, Ergänzung oder Nachholung dem an der Tat Beteiligten, seinem Vertreter, dem Begünstigten im Sinne des § 370 Absatz 1 oder dessen Vertreter eine Prüfungsanordnung nach § 196 bekannt gegeben worden ist, beschränkt auf den sachlichen und zeitlichen Umfang der angekündigten Außenprüfung".

Bereits durch das Schwarzgeldbekämpfungsgesetz wurde der Ausschlussgrund des § 371 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a AO gegenüber der früheren Regelung, wonach ausschließlich das Erscheinen des Prüfers zu einem Sperrgrund führte, zeitlich vorverlegt. Die Bekanntgabe der Prüfungsanordnung bildet seither den Regelfall ab, wohingegen das Erscheinen des Prüfers in § 371 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. c AO kodifiziert ist und als Auffangtatbestand dient[2].

[Autor/Stand] Autor: Schauf, Stand: 01.07.2021
[2] Obenhaus, Stbg 2011, 166 (172).

1. Definition Bekanntgabe

 

Rz. 423

[Autor/Stand] Der Sperrgrund stellt auf die Bekanntgabe der Prüfungsanordnung ab. Das noch im Rahmen des JStG 2010 vorgesehene Abstellen auf das Absenden der Prüfungsanordnung wurde hingegen nicht umgesetzt[2]. Die bloße Ankündigung der Prüfung sowie eine im Vorfeld erfolgende Terminabstimmung lösen keine Sperrwirkung aus.

 

Rz. 424

[Autor/Stand] Umstritten ist, ob die im Verfahrensrecht geltende sog. Bekanntgabefiktion des § 122 Abs. 1 AO im Steuerstrafverfahren auch im Rahmen des Sperrgrundes nach § 371 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a AO Anwendung findet. Nach der Vorschrift gilt ein per einfachem Brief übermittelter Verwaltungsakt (der Regelfall bei Prüfungsanordnungen) bei Übermittlung im Inland am dritten Tag nach der Aufgabe zur Post als bekannt gegeben. Die inzwischen wohl überwiegende Meinung spricht sich für eine Anwendung der Dreitagesfiktion im Rahmen des § 371 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a AO aus[4]. Dies dürfte jedoch nicht der Intention des Gesetzgebers entsprechen, der gerade Berichtigungen vorsätzlicher Steuerhinterziehungen in Kenntnis einer bevorstehenden Betriebsprüfung unterbinden wollte[5]. Dem widerspricht es aber, dass die Dreitagesfiktion des § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO dem Stpfl. bei regelmäßigem Postlauf in vielen Fällen noch ein kurzes Zeitfenster gibt, in Kenntnis der bevorstehenden Prüfung eine Selbstanzeige abzugeben.

 

Rz. 425

[Autor/Stand] Davon zu unterscheiden ist die Frage, wer den Zugang sowie den Zeitpunkt des Zugangs in Zweifelsfällen nachzuweisen hat. Im Strafverfahren obliegt es den Ermittlungsbehörden, nachzuweisen, dass und zu welchem Zeitpunkt der an der Tat Beteiligte, der Begünstigte oder deren Vertreter die Prüfungsanordnung erhalten hat. Der Nachweis kann nur durch eine förmliche Zustellung zuverlässig geführt werden. Angesichts der Anzahl von jährlich fast 200.000 Prüfungsanordnungen können diese jedoch nicht alle förmlich zugestellt werden[7]. Im Zusammenhang mit der sog. Bekanntgabefiktion darf nicht übersehen werden, dass § 122 Abs. 2 AO nur den Zeitpunkt der Bekanntgabe fingiert, nicht jedoch den Zugang selbst. Bestreitet der Adressat, dass ihm überhaupt eine Prüfungsanordnung zugegangen ist, reicht der Nachweis der Aufgabe zur Post durch die FinB nicht aus. Der Beweis des Zugangs kann regelmäßig nur durch förmliche Zustellung erbracht werden.

 

Rz. 426

[Autor/Stand] In der Praxis kommt es allerdings häufig nicht zum Schwur, wenn der Beginn der Außenprüfung im Vorfeld zwischen Prüfer und Stpfl. telefonisch abgestimmt wird[9]. Hierin liegt unstreitig noch keine wirksame Bekanntgabe einer Prüfungsanordnung i.S.d. § 196 AO, da diese der Schriftform bedarf. Ein Sperrgrund nach § 371 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a AO ist in diesem Fall noch nicht verwirklicht.

[Autor/Stand] Autor: Schauf, Stand: 01.07.2021
[2] BR-Drucks. 318/10; krit. Schauf/Schwartz, PStR 2010, 195 (196).
[Autor/Stand] Autor: Schauf, Stand: 01.07.2021
[4] So z.B. Stahl, Selbstanzeige4, Rz. 283; Roth, PStR 2011, 202; Rolletschke, ZWH 2013, 385; Wulf, Stbg 2013, 269; Wulf/Talaska, PStR 2011, 175 (179); Beyer, AO-StB 2014, 325; OFD Nds. v. 9.6.2011 – S 0702 - 30 - St 131, S. 6; a.A. Jäger in Klein15, § 371 AO Rz. 113; Schwartz/Höpfner, PStR 2014, 170 (173); zweifelnd auch Kohler in MünchKomm/StGB3, § 371 AO Rz. 207.
[5] Schwartz/Höpfner, PStR 2014, 170; Schauf/Schwartz, ZWH 2011, 85 (89).
[Autor/Stand] Autor: Schauf, Stand: 01.07.2021
[7] Beyer, AO-StB 2011, 119 (121); Buse, StBp 2011, 153 (155).
[Autor/Stand] Autor: Schauf, Stand: 01.07.2021
[9] Vgl. Madauß, NZWiSt 2015, 41 (44).

2. Rechtswidrige/nichtige Prüfungsanordnungen

 

Rz. 427

[Autor/Stand] Auf die Rechtmäßigkeit der Prüfungsanordnung dürfte es nach Ansicht des BGH[2] hingegen nicht ankommen (s. Rz. 508 f.). Ausreichend, aber auch erforderlich ist demnach allein eine wirksame Prüfungsanordnung (s. dazu auch Rz. 502 ff.). Selbst eine wirksame, aber rechtswidrige Prüfun...

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