Rz. 110

[Autor/Stand] Vor Erstattung einer Selbstanzeige ist Folgendes zu bedenken:

a) Gegenstand: Vorliegen einer Steuerhinterziehung

 

Rz. 111

[Autor/Stand] Die Selbstanzeige wirkt nur strafbefreiend für eine Steuerhinterziehung (§ 370 AO) oder vergleichbare Vergehen (s. Rz. 59 ff.); gem. § 378 Abs. 3 AO auch bußgeldbefreiend hinsichtlich einer leichtfertigen Steuerverkürzung (s. § 378 Rz. 124 ff.); nicht aber bzgl. gleichzeitig mit offenbarter allgemeiner Delikte (z.B. Urkundenfälschung), insoweit kann aber ein Verwertungsverbot gem. § 393 Abs. 2 AO eingreifen (s. Rz. 71).

 

Rz. 112

[Autor/Stand] Eine Berichtigung i.S.d. § 371 Abs. 1 AO setzt voraus, dass die Steuerstraftat, hinsichtlich derer Selbstanzeige erstattet wird, bereits begangen ist. "Denn etwas berichtigen oder ergänzen kann nur, wer es zuvor unrichtig oder unvollständig dargestellt hat; nachholen kann man nur, was man vorher versäumt hat"[4]. Aus dem Charakter des § 371 AO als Strafaufhebungsgrund folgt, dass Selbstanzeigen für beabsichtigte Steuervergehen wirkungslos sind[5].

 

Rz. 113

[Autor/Stand] Im Strafverfahren ist die Wirksamkeit einer Selbstanzeige nur zu erörtern, wenn zuvor eine Steuerhinterziehung i.S.d. § 370 AO oder ein vergleichbares Vergehen (s. Rz. 59 ff.) festgestellt und nachgewiesen worden ist.

b) Zeitlicher Umfang einer Selbstanzeige

 

Rz. 114

[Autor/Stand] Eine Selbstanzeige ist nur dann sinnvoll, wenn die Tat bzw. die Taten, die berichtigt werden sollen, strafrechtlich noch nicht verjährt sind. Die strafrechtliche Verjährungsfrist einer Steuerhinterziehung beträgt gem. § 78 Abs. 3 Nr. 4 StGB i.V.m. § 369 Abs. 2 AO fünf Jahre. In den Fällen der Steuerhinterziehung im besonders schweren Fall nach § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1–6 AO beträgt die Verjährungsfrist hingegen 15 Jahre (§ 376 Abs. 1 AO). Durch das Jahressteuergesetz vom 21.12.2020[8] (mit Wirkung vom 29.12.2020) wurde die vormals geltende Verjährungsfrist in Fällen der schweren Steuerhinterziehung von zehn auf 15 Jahre angehoben. Insoweit wird die Problematik an Unterlagen aus derart lang zurückliegenden Zeiträumen zu kommen, weiter verstärkt. Dies insb. auch deshalb, weil Aufbewahrungsfristen nach dem HGB maximal sechs oder zehn Jahre gelten. Insoweit wird man notfalls mit großzügigen Schätzungen arbeiten müssen. Zu beachten ist auch die verlängerte steuerliche Festsetzungsfrist für hinterzogene Steuern von zehn Jahren (§ 169 Abs. 2 Satz 2 AO). Dies führt dazu, dass durch eine Selbstanzeige für strafrechtlich verjährte Taten gleichwohl eine Steuernachzahlungspflicht ausgelöst werden kann. Die Prüfung dieser Frage sollte deshalb stets dem Entschluss zu einer Selbstanzeige vorausgehen (s. die Beratungshinweise in Rz. 861 ff.).

 

Rz. 115

[Autor/Stand] Nach der Einführung des Vollständigkeitsgebots durch das Schwarzgeldbekämpfungsgesetz waren für bis zum 31.12.2014 abgegebene Selbstanzeigen in zeitlicher Hinsicht alle unverjährten Steuerstraftaten vollständig zu berichtigen. Maßgeblich war insoweit allein die strafrechtliche Verjährungsfrist. Die davon abweichende steuerliche Festsetzungsfrist war zur Bestimmung der Vollständigkeit einer Selbstanzeige dagegen unerheblich.

 

Rz. 116

[Autor/Stand] Nach dem neuen § 371 Abs. 1 Satz 2 AO müssen seit dem 1.1.2015 nach wie vor vollständige Angaben zu allen unverjährten Steuerstraftaten einer Steuerart, mindestens aber zu allen Steuerstraftaten einer Steuerart innerhalb der letzten zehn Kalenderjahre gemacht werden. Damit wurde für Selbstanzeigen, die nach dem 31.12.2014 abgegeben werden, der Berichtigungsverbund in Form der Einführung einer fiktiven Frist[11] von zehn Jahren erweitert (erweiterter Berichtigungsverbund). Dieses Mindesterfordernis ist unabhängig von der strafrechtlichen Verfolgungsverjährung. Somit müssen auch strafrechtlich verjährte einfache Steuerhinterziehungen zwingend angegeben werden, um eine wirksame Selbstanzeige für die nicht verfolgungsverjährten Steuerhinterziehungen zu erreichen. Da nach wie vor Angaben zu allen – strafrechtlich – unverjährten Steuerstraftaten zu machen sind, kann andererseits – gerade in Fällen besonders schwerer Steuerhinterziehung – der Berichtigungsverbund über das gesetzliche Mindesterfordernis von zehn Jahren hinausgehen. In Fällen besonders schwerer Hinterziehung ist aufgrund der verlängerten Verjährungsfrist zukünftig regelmäßig eine Korrektur über den 10-Jahres-Zeitraum vorzunehmen. Die Korrektur muss dann mindestens 15 Jahre umfassen. Der Berichtigungsverbund kann zudem auch in Fällen von Schenkungssteuerhinterziehungen weit über den 10-Jahres-Zeitraum hinaus gehen. Für jede nacherklärte Schenkung sind nämlich auch sämtliche Vorschenkungen innerhalb von zehn Jahren vor dieser Schenkung zu berücksichtigen. Hintergrund ist, dass sich die Höhe, der für eine Schenkung zu erhebenden Schenkungsteuer in Abhängigkeit von früheren Schenkungen dieses Zeitraums bemisst. So kann es bei sog. Kettenschenkungen notwendig sein, zusätzlich zu den fünf oder nunmehr sogar geltenden 15 Jahren noch weitere Jahre ein...

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