Rz. 391

[Autor/Stand] Durch die Neufassung des § 370 AO sind die bereits im Rahmen der Vorläuferbestimmung des § 392 RAO zum Begriff der "Verkürzung der Steuereinnahmen" bestehenden Schwierigkeiten nicht vollständig beseitigt worden[2]. Die Legaldefinition in § 370 Abs. 4 Satz 1 AO stellt aber jedenfalls klar, dass der Verkürzungserfolg nicht auf die tatsächliche Vereinnahmung von (Steuer-)Geldern bezogen ist, sondern bereits die zu niedrige Festsetzung der Steuer (die festgesetzte Ist-Steuer ist niedriger als die Soll-Steuer[3]) den Tatbestandserfolg herbeiführt (s. Rz. 400 ff.)[4].

 

Beispiel

Wird zunächst die bei ihrer Entrichtung (§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UStG a.F.) als Vorsteuer abziehbare Einfuhrumsatzsteuer zu niedrig festgesetzt, anschließend bei Weiterveräußerung die entsprechende Umsatzsteuer aber angemeldet und abgeführt, handelt es sich um eine bloße Schadenswiedergutmachung[5] (s. zum Kompensationsverbot jetzt aber Rz. 534).

Durch den Zusatz "namentlich" in Abs. 4 Satz 1 wird gleichzeitig deutlich, dass darüber hinaus die Annahme weiterer, ungeschriebener Verkürzungserfolge nicht ausgeschlossen ist. Insbesondere. kann es nach dem Gesetzeswortlaut also auch in anderen Verfahrensstadien und nicht nur im Festsetzungsverfahren zu Steuerverkürzungen kommen (s. Rz. 371, 1564 m.w.N.).

 

Rz. 392

[Autor/Stand] Aus dem Kompensationsverbot (§ 370 Abs. 4 Satz 3 AO), das vom Gesetzgeber in seinem sachlichen Gehalt gegenüber § 392 Abs. 3 Halbs. 2 RAO unverändert übernommen wurde, folgt zudem, dass ein eigentlicher Steuerschaden nicht eintreten muss. Der tatbestandliche Erfolg kann nach der gesetzlichen Konzeption vielmehr auch dann vorliegen, wenn die Steuereinnahmen dem gesetzlich geschuldeten Steuerbetrag trotz der Tathandlung entsprechen und eine Verletzung des geschützten Rechtsguts – des Anspruchs auf den vollen Ertrag der Steuer – nicht eingetreten ist. Der maßgebliche Verkürzungserfolg liegt somit in einer Gefährdung des Rechtsguts[7]. Steuerverkürzung ist die Gefährdung der Verwirklichung des Steueranspruchs (s. auch Rz. 57 ff.). Deshalb ist ein mehrfacher Eintritt des tatbestandlichen Erfolges denkbar. Die Steuer kann bspw. auch dann zu niedrig festgesetzt werden, wenn bereits zuvor "Nullmeldungen" zum Verkürzungserfolg geführt haben, die berichtigten Umsatzsteuervoranmeldungen aber ihrerseits falsch sind und zu einer geringeren Steuerverkürzung als die "Nullmeldungen" führen[8]. Praktisch bedeutsam ist das vor allem dann, wenn die Beteiligten nicht identisch sind. Gleiches gilt, wenn unrichtige Umsatzsteuervoranmeldungen in der Jahreserklärung wiederholt werden (s. Rz. 493 ff.) oder wenn Steuern aufgrund unrichtiger Eingangsmeldungen nicht festgesetzt werden, die (französische Bier-)Steuer aber bereits vorher entstanden und zu erklären war[9].

 

Rz. 393

[Autor/Stand] Teilweise wird die Steuerverkürzung als Minderung des wirtschaftlichen Werts des gesetzlichen Steueranspruchs verstanden, die bereits dann vorliege, wenn die Festsetzung der Steuer aufgrund falscher Angaben zu niedrig sei, unterbleibe oder nicht rechtzeitig erfolge. Wegen dieser Wertminderung sei schon eine Verletzung, nicht nur eine Gefährdung des Steueraufkommens gegeben[11]. Eine solche Wertminderung bestehe auch dann, wenn der Stpfl. später eine korrekte Erklärung abgeben und die Steuer zahlen wolle bzw. dies unwiderlegbar vortrage. § 370 Abs. 4 Satz 1 AO greife daher Aspekte der Betrugsdogmatik auf[12]. Da es aber nach § 370 Abs. 4 Satz 1 AO für den Eintritt des tatbestandlichen Erfolgs auch ausreicht, dass eine Steuer nur vorläufig oder unter dem Vorbehalt der Nachprüfung zu niedrig festgesetzt wird – also offensichtlich keine abschließende Regelung über den Steueranspruch getroffen wird – ist eine wirtschaftliche Minderung des Werts des Steueranspruchs noch nicht eingetreten. Denn der Staat hat es noch vollständig selbst in der Hand, durch eigenes Tun den gesetzlichen Steueranspruch zu verwirklichen, da die Überprüfung der Entscheidung vorgesehen ist. Jedenfalls liegt keine endgültige Beeinträchtigung von Vermögensinteressen vor (s. Rz. 57 f.). Angesichts der eindeutigen Vorgabe des § 370 Abs. 4 Satz 1 AO ist das Ergebnis allerdings vorgegeben, so dass der Streit darüber, ob man dies als strafbare Herbeiführung eines Gefährdungs- oder Verletzungserfolgs bezeichnen will, letztlich müßig ist.

 

Rz. 394

[Autor/Stand] Das gilt auch dann, wenn man die Steuerverkürzung dahin beschreibt, dass die Ist-Einnahme hinter der Soll-Einnahme zurückbleibt, wobei entsprechend der gesetzlichen Vorgabe auch die verspätete Erfüllung bzw. Festsetzung einbezogen wird[14]. Diese Ansicht führt durch den Begriff der Einnahme, der in § 392 RAO verwendet wurde, leicht zu dem Missverständnis, dass es beim Hinterziehungserfolg um die Vereitelung der tatsächlichen Zahlung von geschuldeten Steuergeldern durch die Tathandlungen gehen könnte, was allerdings nicht beabsichtigt ist und angesichts der eindeutigen gesetzlichen Regelung auch nicht vertretbar wäre. Da die zu nied...

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