Rz. 1350

[Autor/Stand] Eine Steuerhinterziehung in mittelbarer Täterschaft (§ 25 Abs. 1 Alt. 2 StGB) ist möglich, wenn der Leistende durch unrichtige Angaben eine Freistellungsbescheinigung erwirkt hat, so dass der Leistungsempfänger in der Folge in gutem Glauben keinen Steuerabzug vornimmt. Kindshofer[2] sieht in dem Erschleichen einer Freistellungsbescheinigung durch unrichtige Angaben noch eine straflose Vorbereitungshandlung. Gleiches gelte für das Verfälschen oder das Herstellen einer unechten Freistellungsbescheinigung und deren Vorlage beim Leistungsempfänger, wenn auch darin eine Urkundenfälschung gem. § 267 StGB liegt. Mit Absendung der Rechnung an den Leistungsempfänger beginne der Versuch.

Ist der Leistungsempfänger gutgläubig, so trifft diese Einschätzung nach den allgemeinen Grundsätzen des Versuchsbeginns bei mittelbarer Täterschaft (§ 25 Abs. 1 Alt. 2 StGB) zu (s. Rz. 110 ff. und 712). Unterlässt es der gutgläubige Leistungsempfänger wegen der vorgelegten Freistellungsbescheinigung, die Bauabzugsteuer anzumelden und abzuführen, tritt Tatvollendung der Steuerhinterziehung des Leistenden ein. Denn der Leistungsempfänger kann nicht zu eigenen Gunsten, sondern nur zugunsten des Leistenden die Steuerhinterziehung begehen.

Ist der Leistungsempfänger bösgläubig, beginnt der Versuch erst mit dem unmittelbaren Ansetzen zur Einreichung der unrichtigen Anmeldung nach § 48a EStG bzw. fallen mit dem Verstreichenlassen des Anmeldetermins gleichzeitig Versuch und Vollendung zusammen.

Denkbar wäre es auch, in dem Erwirken der Freistellungsbescheinigung die Erlangung eines Steuervorteils zu sehen (zum gleichgearteten Meinungsstreit bei Feststellungsbescheiden s. Rz. 406 f., 436)[3]. Ähnlich wie bei der Erlangung von Steuervorteilen im Beitreibungsverfahren und abhängig von der Definition des Verkürzungsschadens muss dann zur Tatvollendung eine konkrete wirtschaftliche Minderung des Steueranspruchs eintreten (s. Rz. 433, 1568 f. m.w.N.). Im Falle der Bauabzugsteuer realisiert sich der Steuerschaden in der monatlichen zu geringen Quellensteuerabführung an das FA. Bis zu diesem Zeitpunkt liegt nur Versuch vor.

Ein besonders schwerer Fall der Steuerhinterziehung gem. § 370 Abs. 3 Nr. 4 AO (Verwendung verfälschter Belege) scheidet aus, da die Vorlage gegenüber der FinB vorausgesetzt wird (s. Rz. 1118)[4].

[Autor/Stand] Autor: Hilgers-Klautzsch, Stand: 01.05.2022
[2] Kindshofer, PStR 2003, 160.
[3] Vgl. Joecks in JJR8, § 370 AO Rz. 333.
[4] Zust. Tormöhlen, AO-StB 2011, 153 (156).

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Steuer Office Excellence. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge