Wann auf den Steuerabzug verzichtet werden kann

Nicht in jedem Fall fällt Bauabzugsteuer an. So entfällt die Pflicht zum Steuerabzug beispielsweise, wenn der Leistende eine Freistellungsbescheinigung vorlegt. Welche weiteren Ausnahmen gelten?

Die Pflicht zum Steuerabzug entfällt, wenn der Leistende

  • eine Freistellungsbescheinigung des Finanzamtes vorlegt (§ 48 Abs. 2 Satz 1, 1. Alt. EStG),
  • sich die Gegenleistung innerhalb bestimmter Bagatellgrenzen bewegt (§ 48 Abs. 2 Satz 1, 2. Alt. EStG) oder
  • der Leistungsempfänger ein Vermieter mit nicht mehr als zwei Mietwohnungen ist (§ 48 Abs. 1 Satz 2 EStG).

1. Ausnahme: Freistellungsbescheinigung

Der Leistende kann bei dem für ihn zuständigen Finanzamt per formlosem Antrag eine Freistellungsbescheinigung beantragen (§ 48b EStG), bei dessen Vorlage dann keine Bauabzugsteuer anfällt. Die Bescheinigung wird unter der Steuernummer ausgestellt, die dem Leistenden für Zwecke der Einkommen- bzw. Körperschaftsteuer vergeben wurde.

Leistende, die ihren Wohnsitz, ihren Sitz, ihre Geschäftsleitung oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt nicht im Inland haben, können eine Freistellungsbescheinigung erhalten, wenn für sie ein inländischer Empfangsbevollmächtigter bestellt ist und der Steueranspruch nicht gefährdet erscheint.

Hinweis: Ist der Leistende in einem EU- oder EWR-Staat ansässig, darf die Bestellung eines inländischen Empfangsbevollmächtigten nicht für die Erteilung einer Freistellungsbescheinigung vorausgesetzt werden.

Versagung einer Freistellungsbescheinigung

Das Finanzamt kann eine Freistellungsbescheinigung wegen Gefährdung des Steueranspruchs insbesondere versagen, wenn der Leistende seine Anzeigepflicht bei der Gemeinde (nach § 138 AO) verletzt, er seiner Mitwirkungspflicht nach § 90 AO nicht nachkommt (z.B. bei Nichtbeantwortung von Fragen zur steuerlichen Ersterfassung) oder ein im Ausland ansässiger Leistender den Nachweis der steuerlichen Ansässigkeit nicht durch eine Bescheinigung der zuständigen ausländischen Steuerbehörde erbringt (§ 48b Abs. 1 S. 2 EStG).

Hinweis: Das BMF weist daraufhin, dass eine Gefährdung des zu sichernden Steueranspruchs auch vorliegen kann, wenn nachhaltig oder wiederholt Steuerrückstände bestehen oder drei Monate vor Antragstellung bestanden haben, unzutreffende Angaben in Steueranmeldungen bzw. Steuererklärungen festgestellt werden oder der Leistende diese wiederholt nicht oder nicht rechtzeitig abgibt. Das Finanzamt kann eine Freistellungsbescheinigung in diesen Fällen auch nur mit einer kurzen Geltungsdauer oder auftragsbezogen erteilen.

Erteilung einer Freistellungsbescheinigung

Die Finanzämter sollen eine Freistellungsbescheinigung erteilen, wenn mit großer Wahrscheinlichkeit kein zu sichernder Steueranspruch besteht (§ 48b Abs. 2 EStG). Dies kann insbesondere der Fall sein, wenn mit großer Wahrscheinlichkeit gar kein Gewinn erzielt wird, wie z. B. bei Existenzgründern. Einem Leistenden, der glaubhaft macht, dass wegen seines nur kurzzeitigen Tätigwerdens im Inland keine zu sichernden Steueransprüche bestehen (z. B. bei fehlender inländischer Einkommen- oder Körperschaftsteuerpflicht), soll eine Freistellungsbescheinigung erteilt werden, sofern sein Vorbringen schlüssig ist und nicht in Widerspruch zu anderweitigen Erkenntnissen des Finanzamts steht.

Sofern keine Versagungsgründe vorliegen, erteilt das Finanzamt die Freistellungsbescheinigung auf einem amtlich vorgeschriebenen Vordruck. Die Bescheinigung kann dabei entweder zeitraumbezogen (längstens für einen Zeitraum von drei Jahren) oder auftragsbezogen erteilt werden.

Das BMF weist in seinem neuen Schreiben darauf hin, dass eine auftragsbezogene Freistellungsbescheinigung auf einen Gültigkeitszeitraum befristet werden muss.

Gültigkeit der Freistellungsbescheinigung

Insbesondere bei einem Leistenden, der gegenüber der Finanzverwaltung erstmals in Erscheinung tritt, soll die Freistellungsbescheinigung in der Regel nur so lange gelten, bis das Abgabe- und Zahlungsverhalten erstmalig beurteilt werden kann. Dies wird grundsätzlich spätestens ein Jahr nach Antragstellung möglich sein, wenn die ersten Voranmeldungen oder Jahreserklärungen abzugeben sind.

Prüfung durch das Finanzamt

In den ersten drei Jahren nach Neugründung eines Unternehmens soll vom Finanzamt vorrangig die Erteilung einer auftragsbezogenen Freistellungsbescheinigung in den Fokus genommen werden, wenn

  • dem Finanzamt nur unzureichende Informationen über das Zahlungs- und Erklärungsverhalten des neugegründeten Unternehmens vorliegen,
  • Anhaltspunkte bestehen, dass es sich bei dem neugegründeten Unternehmen um ein Nachfolgeunternehmen eines Unternehmens handelt, das seinen Zahlungs- und Erklärungspflichten nicht ausreichend nachgekommen ist, oder
  • die Besteuerungsgrundlagen mangels eingereichter Steueranmeldungen- bzw. Steuererklärungen zumindest für eine Abgabeart im Wege einer Schätzung ermittelt wurden.

Anderenfalls soll bei neugegründeten Unternehmen, über deren steuerliches Verhalten keine Kenntnisse vorliegen, die Freistellungsbescheinigung in der Regel nur so lange gelten, bis das Abgabe- und Zahlungsverhalten erstmalig beurteilt werden kann. Dies wird grundsätzlich spätestens ein Jahr nach Antragstellung möglich sein, wenn die ersten Voranmeldungen oder Jahreserklärungen abzugeben sind.

Hat das Finanzamt einem Leistenden eine zeitraumbezogene Freistellungsbescheinigung erteilt, werden ihm zusätzlich keine weiteren auftragsbezogenen Freistellungsbescheinigungen ausgestellt.

Folgebescheinigung

Auf Antrag des Leistenden kann eine Freistellungsbescheinigung ausgestellt werden, deren Geltungsdauer "nahtlos" an die der bereits erteilte Freistellungsbescheinigung anknüpft. Diese Folgebescheinigung kann sechs Monate vor Ablauf einer Bescheinigung beantragt werden. Wird die Ausstellung einer Freistellungsbescheinigung mehr als sechs Monate vor Ablauf einer Freistellungsbescheinigung verlangt oder ist dem Antrag nicht zu entnehmen, dass eine Folgebescheinigung gewünscht wird, stellt das Finanzamt eine Freistellungsbescheinigung aus, die ab dem Tag der Ausstellung gültig ist.

Ablehnung einer Freistellungsbescheinigung

Lehnt das Finanzamt die Ausstellung einer Freistellungsbescheinigung ab, kann gegen den Ablehnungsbescheid mit einem Einspruch vorgegangen werden.

Aushändigung und Aufbewahrung der Freistellungsbescheinigung

Auftragsbezogene Freistellungsbescheinigungen müssen dem Leistungsempfänger vom Leistenden ausgehändigt werden. Bei zeitraumbezogenen Bescheinigungen genügt es, sie in Kopie zu überreichen oder elektronisch zu übermitteln.

Hinweis: Freistellungsbescheinigungen müssen von Leistungsempfängern, die unter die Buchführungs- und Aufzeichnungspflichten (§§ 140 ff. AO) fallen, sechs Jahre aufbewahrt werden.

2. Ausnahme: Bagatellgrenzen

Ohne Freistellungsbescheinigung kann auch dann vom Steuerabzug abgesehen werden, wenn die Gegenleistung im laufenden Kalenderjahr voraussichtlich den folgenden Betrag nicht übersteigen wird:

  • 15.000 EUR, wenn der Leistungsempfänger ausschließlich umsatzsteuerfreie Vermietungsumsätze (§ 4 Nr. 12 Satz 1 UStG) erbringt
  • 5.000 EUR in allen übrigen Fällen

Hinweis: Für die Ermittlung des maßgeblichen Betrags müssen die für denselben Leistungsempfänger erbrachten und voraussichtlich zu erbringenden Bauleistungen zusammengerechnet werden (§ 48 Abs. 2 S. 2 EStG). Daher ist eine Abstandnahme vom Steuerabzug im Hinblick auf diese Bagatellgrenzen nur zulässig, wenn im laufenden Kalenderjahr nicht mit weiteren Zahlungen für Bauleistungen an denselben Auftragnehmer zu rechnen ist oder die Zahlungen insgesamt nicht die Freigrenze überschreiten werden. Geht der Leistungsempfänger zunächst davon aus, dass die Freigrenze nicht überschritten wird, und nimmt er bei Erfüllung der Gegenleistung den Steuerabzug nicht vor, so muss er den unterlassenen Steuerabzug nachholen, wenn es im Nachhinein zur Überschreitung der maßgeblichen Freigrenze im laufenden Kalenderjahr kommt. Eine Gegenleistung für eine weitere Bauleistung an denselben Leistungsempfänger, für die jedoch eine Freistellungsbescheinigung vorgelegt wird, bleibt für die Berechnung der Freigrenze außer Ansatz.

Beispiel: Ein Steuerpflichtiger lässt an einem vermieteten Mehrfamilienhaus das Dach neu eindecken. Der beauftragte Dachdecker legt keine Freistellungsbescheinigung vor. Die Kosten der Dachreparatur werden insgesamt ca. 20.000 EUR betragen. Hiervon sind 10.000 EUR zunächst als Abschlagszahlung und der Rest nach Erteilung der Schlussrechnung noch im selben Kalenderjahr zu erbringen. Damit steht von vornherein fest, dass die Freigrenze von 15.000 EUR überschritten wird, sodass bereits von der Abschlagszahlung der Steuerabzug vorzunehmen ist.

3. Ausnahme: Zwei-Wohnungs-Regelung

Vermietet der Leistungsempfänger nicht mehr als zwei Wohnungen, ist der Steuerabzug auf Bauleistungen für diese Wohnungen nicht anzuwenden (§ 48 Abs. 1 S. 2 EStG). Werden mehr als zwei Wohnungen vermietet, besteht die Pflicht zum Steuerabzug für alle Wohnungen. Es ist unerheblich, zu welchem Zweck vermietet wird und ob sich die vermieteten Wohnungen im Privatvermögen oder Betriebsvermögen des Vermieters befinden. Auch vermietete Wohnungen im Ausland müssen bei der Anwendung der Zwei-Wohnungs-Regelung berücksichtigt werden.

Teil 6 - Verfahrensfragen zur Bauabzugsteuer