Rz. 1114

[Autor/Stand] Belege sind i.d.R. Urkunden, d.h. Schriftstücke, die vermöge ihres gedanklichen Inhalts geeignet und bestimmt sind, im Rechtsleben eine Tatsache zu beweisen, und die den Aussteller erkennen lassen[2]. Im vorliegenden Zusammenhang müssen die Belege zum Beweis über steuerlich erhebliche Tatsachen geeignet sein (vgl. § 147 Abs. 1 Nr. 4 und 5, § 143 Abs. 3 Nr. 5, § 144 Abs. 3 Nr. 5 AO)[3]. Das trifft vor allen Dingen auf Buchungsbelege (Quittungen, Rechnungen, Lieferscheine, Warenbestandsaufnahmen, Buchungsanweisungen) zu, aber auch auf technische Aufzeichnungen (Kassenzettel, Lohnkonto i.S.d. § 41 EStG).

 

Rz. 1115

[Autor/Stand] Unter nachgemachten Belegen sind ausschließlich "unechte Urkunden" i.S.d. § 267 Abs. 1 Alt. 1 StGB zu verstehen[5]. Die Grundsätze der Urkundsdelikte sind entsprechend heranzuziehen. Unecht ist eine Urkunde, wenn der aus ihr ersichtliche Aussteller mit dem tatsächlichen Hersteller nicht identisch ist[6]. Erforderlich ist mithin eine Täuschung über die Identität der Person, von der die Verkörperung der Gedankenerklärung herrührt. Die Zurechnung von Erklärungen i.S.d. sog. Geistigkeitstheorie findet Anwendung[7]. Das Regelbeispiel des § 370 Abs. 3 Nr. 4 AO ist mithin erfüllt, wenn der Stpfl. laufend unter dem Namen verschiedener Firmen Rechnungen erstellt über nicht stattgefundene Reparaturen, die er wiederholt mit den Einkommensteuererklärungen dem Finanzamt vorlegt.

 

Rz. 1116

[Autor/Stand] Nachgemachte Belege i.S.d. § 370 Abs. 3 Nr. 4 AO liegen nicht vor, wenn "lediglich" über die inhaltliche Richtigkeit der Urkunde getäuscht wird, aber der wahre Aussteller erkennbar ist[9]. Hierbei handelt es sich um eine sog. schriftliche Lüge, die keine unechte Urkunde i.S.d. § 267 Abs. 1 Alt. 1 StGB darstellt[10]. Denn § 267 StGB schützt nicht das Vertrauen in die Wahrheit von Urkundeninhalten, sondern das Vertrauen in die Urheberschaft der Verkörperung. Dafür, dass § 370 Abs. 3 Nr. 4 AO mit nachgemachten Belegen nicht schon solche meint, die eine bloße schriftliche Lüge enthalten, spricht ferner der Vergleich mit dem Wortlaut des § 379 Abs. 1 Nr. 1 AO; denn dort werden ersichtlich solche Fälle als Belege bezeichnet, "die in tatsächlicher Hinsicht unrichtig sind"[11]. Die Erstellung von inhaltlich unrichtigen Scheinrechnungen über tatsächlich nicht erbrachte Leistungen fällt damit nicht unter das Regelbeispiel des § 370 Abs. 3 Nr. 4 AO[12]. Die Erstellung eines solch sachlich unrichtigen Belegs kann allerdings zu einer Ahndung nach § 370 Abs. 1 AO bzw. nach § 379 AO oder § 378 AO führen[13]. Ebenso kann bei der Erstellung von Scheinrechnungen – je nach Fallkonstellation – ein unbenannter besonders schwerer Fall der Steuerhinterziehung vorliegen (s. auch Rz. 1089)[14].

 

Rz. 1117

[Autor/Stand] Verfälscht ist ein Beleg, der durch nachträgliches Verändern des gedanklichen Inhalts den Anschein erweckt, als habe der Aussteller die Erklärung in der Form abgegeben, die sie durch die Verfälschung erlangt hat (§ 267 Abs. 1 Alt. 2 StGB)[16]. Das Verfälschen ist damit eine Änderung der Beweisrichtung. Ein Verfälschen liegt bspw. vor bei eigenmächtiger Erhöhung eines Rechnungsbetrags[17].

Als Täter dieser Begehungsvariante kommt auch der Aussteller selbst in Betracht. Auch er kann einen Beleg verfälschen, wenn er keine alleinige Verfügungsgewalt (mehr) über diesen hat[18], d.h., wenn der Beleg bereits an die FinB gelangt ist oder die Steuerbehörde einen Anspruch auf unversehrte Erhaltung der Rechnungsbelege erlangt hat.

 

Beispiel 110

Der mit der Erledigung der steuerlichen Angelegenheiten der Firma W-KG beauftragte Steuerfachgehilfe S veranlasste die Angestellte M, nach Abschluss einer Umsatzsteuersonderprüfung durch den Betriebsprüfer Ursprungsbescheinigungen nach dem BerlinFG auf den Rechnungsdurchschriften anzubringen, die dem Prüfer später vorgelegt wurden.

 

Rz. 1118

[Autor/Stand] Der Täter muss die nachgemachten oder verfälschten Belege verwenden. Das ist erst dann der Fall, wenn der gefälschte Beleg dem Finanzamt eingereicht oder dem Betriebsprüfer vorgelegt wird[20]. Nicht ausreichend ist es, wenn der Stpfl. zur Erlangung des Vorsteuerabzugs fingierte Rechnungen in seine Buchführung einführt[21] oder sie seinem Steuerberater zur Anfertigung der Buchführung übergibt[22]. Dabei handelt es sich um bloße Vorbereitungshandlungen. Die falschen Angaben werden auch nicht "unter Verwendung" der unechten Belege gemacht, wenn der unrichtige Inhalt in die Steuererklärung aufgenommen wird. Denn damit werden nicht die Belege selbst, sondern nur deren Inhalt zur Täuschung verwendet[23]. Auch in solchen Fällen kann jedoch u.U. ein unbenannter besonders schwerer Fall der Steuerhinterziehung vorliegen[24].

 

Rz. 1119

[Autor/Stand] Der Versuch des Regelbeispiels (s. dazu Rz. 1094 ff.) beginnt folglich erst mit dem unmittelbaren Ansetzen zur (fortgesetzten) Verwendung.

 

Rz. 1120

[Autor/Stand] Voraussetzung für die erhöhte Strafbarkeit nach § 370 Abs. 3 Nr. 4 AO ist weiter, dass der Täter auf die dort beschriebene Weise

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