Rz. 110

[Autor/Stand] Sind die steuerlich erheblichen Erklärungen einer Person nicht nach den gerade genannten Grundsätzen (s. Rz. 105 ff.) als eigene Erklärung zuzurechnen, kommt eine Zurechnung fremder Erklärungen infrage, wenn die Tat durch einen anderen begangen wird[2]. Die fremde Erklärung wird dann nach § 25 Abs. 1 Alt. 2 StGB wie eine eigene behandelt. Das ist i.d.R. dann ausgeschlossen, wenn die dritte Person ihrerseits vorsätzlich und voll verantwortlich den Tatbestand des § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO erfüllt. Denn dann gibt es keinen Grund, warum die Erklärung dieser Person als eine Erklärung anzusehen sein sollte, durch die ein anderer – der Hintermann – das Geschehen zum Erfolg beherrscht. Der Hintermann hat unter dieser Voraussetzung i.d.R. gerade keine Macht über die Abgabe der Erklärung, sondern nur derjenige, der sie in Kenntnis aller Tatumstände vollverantwortlich abgibt. Die mittelbare Täterschaft setzt also voraus, dass der Hintermann die die Tathandlung ausführende Person seinerseits beherrscht und sie als sein "Werkzeug" einsetzt. Dann stellt sich das Gesamtgeschehen als Werk des steuernden Willens des Hintermannes dar, während es ansonsten das Werk des in eigener Person Handelnden ist. Der Hintermann nutzt die fehlende Verantwortlichkeit des von ihm eingesetzten Vordermannes aus, und zwar vor allem dann, wenn dieser gutgläubig ist.

 

Beispiel 2

W wurde vorgespiegelt, ein in Malaysia ansässiges Unternehmen wolle hochwertige Mikroprozessoren von der N GmbH beziehen. Da diese nicht selbst exportieren wolle, sei die Zwischenschaltung einer weiteren Firma erforderlich. W willigte ein, als Zwischenhändler tätig zu werden, und schloss mit der malaysischen Firma einen Rahmenvertrag über die Lieferung. Der Vertragsschluss war zur Täuschung der W fingiert worden. Die Mikroprozessoren existierten nicht. Um gegenüber W den Schein einer realen Handelstätigkeit zu wahren, wurden geringwertige Computerbauteile an eine von W beauftragte Spedition übergeben und nach Malaysia geschickt. In Unkenntnis der wahren Umstände machte W, die aber hätte erkennen müssen, dass sie in ein auf Mehrwertsteuerhinterziehung ausgelegtes System eingebunden war, die in den Rechnungen der N GmbH ausgewiesene und an diese gezahlte Umsatzsteuer als Vorsteuer geltend. Da tatsächlich keine Lieferung stattfand und W dies erkennen musste, besteht kein Anspruch auf Vorsteuerabzug (s. Rz. 446, 448); W macht deshalb als Werkzeug der Verantwortlichen der N falsche Angaben, die diesen über § 25 Abs. 1 Alt. 2 StGB zuzurechnen sind. Zu § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG s. BGH vom 12.10.2016[3].

[Autor/Stand] Autor: Ransiek, Stand: 01.05.2022
[2] Vgl. ausf. Wietfeld, Tatherrschaft im Rahmen der Steuerhinterziehung, S. 102 ff.
[3] BGH v. 12.10.2016 – 1 StR 210/16, wistra 2017, 233 Rz. 17 ff.

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