Rz. 446

 

Beispiel 43

(S. auch Rz. 233): A betreibt eine Steuerkanzlei, die ausländische Transportunternehmen vertritt, die von den zuständigen FÄ Umsatzsteuerrückerstattungen für Lieferungen und Leistungen in der Bundesrepublik erstreben. In der Regel werden die Belege – fast ausschließlich Tankrechnungen, manchmal auch Reparaturrechnungen – von den Mandanten zusammengefasst und in viertel- oder halbjährlichem Abstand an A übersandt. Dort werden sie in einer Aufstellung aufgelistet und unter Beifügung des vom jeweiligen Mandanten unterschriebenen Rückerstattungsantrags an das zuständige FA gesandt.

Unvollständige Belege, d.h. solche, die die in § 14 UStG genannten Angaben, insb. die Angabe des Leistungsempfängers, des Entgelts für die Leistung und des auf dieses entfallenden Steuerbetrags, nicht enthielten, wurden von den Angestellten des A selbst vervollständigt. Zu diesem Zweck ließ sich A von seinen Mandanten ihren Firmenstempel zusenden und veranlasste seine Angestellten, auf unvollständigen Belegen die für die steuerliche Anerkennung erforderliche Angabe des Leistungsempfängers auf den jeweiligen Belegen mittels Stempel anzubringen. Bei den Belegen, bei denen, z.T. zusätzlich, die Angabe des Mehrwertsteuersatzes oder -betrags fehlte, wurden entsprechende handschriftliche Ergänzungen vom Sachbearbeiter angebracht. Die so ergänzten Belege wurden sodann beim FA eingereicht.

Zur (mittelbaren) Täterschaft des A s. Rz. 112.6; zu falschen Angaben über steuerlich erhebliche Tatsachen s. Rz. 233.

[Autor/Stand]

Das BayObLG geht davon aus, dass das Vorliegen einer ordnungsgemäßen Rechnung Voraussetzung für den Vorsteuerabzug ist (§ 15 Abs. 1 Satz 2 UStG)[2], jedenfalls soweit es um den gesonderten Ausweis der Umsatzsteuer gehe (§ 14 Abs. 4 Nr. 8 UStG). Es kommt danach also nicht darauf an, ob materiell ein Vorsteuererstattungsanspruch wegen einer umsatzsteuerpflichtigen Lieferung an den Unternehmer "eigentlich" bejaht werden kann, sondern die "Formalie" muss vorliegen, um den materiellen Anspruch zu begründen. Es geht beim gesonderten Ausweis der Umsatzsteuer nach bisheriger Auffassung nicht um den Beweis des materiell-rechtlichen Anspruchs, sondern um eine sachlich-rechtliche Bedingung. Offengelassen wird vom BayObLG, ob das auch in Bezug auf die Angabe des Leistungsempfängers gilt[3].

 

Rz. 446.1

[Autor/Stand] Nach der Rspr. des EuGH ist demgegenüber ein Vorsteuerabzug unter bestimmten Voraussetzungen ggf. aber auch ohne Rechnung möglich[5]. Ursprünglich fehlerhafte Rechnungen können nach § 14 Abs. 6 Nr. 5 i.V.m. § 31 Abs. 5 UStDV zudem rückwirkend berichtigt werden[6]. Der EuGH geht davon aus, dass dann, wenn die für den Vorsteuerabzug notwendigen materiell-rechtlichen Voraussetzungen vorliegen und der FinB eine berichtigte Rechnung vor ihrer Entscheidung zugeleitet wurde, das Recht auf Berichtigung nicht grundsätzlich abgesprochen werden kann[7]. Würden also im obigen Bsp. die Rechnungen in zulässiger Weise durch die Steuerkanzlei als (verdeckte) Vertreterin der Rechnungsaussteller ergänzt, lägen keine Falschangaben vor. Das BayObLG hält eine Ergänzung durch den Leistungsempfänger allerdings für unzulässig, wofür nach geltendem Recht § 14 Abs. 1 Satz 3, Abs. 6 Nr. 5 UStG i.V.m. § 31 Abs. 5 Satz 3 UStDV sprechen. Eine nur mutmaßliche Einwilligung der Rechnungsaussteller mit dem Vorgehen genügt jedenfalls nicht[8]. Wird irrtümlich zu Unrecht Umsatzsteuer in einer Rechnung ausgewiesen und vom Empfänger gezahlt, kann das nationale Recht den Vorsteuerabzug grundsätzlich versagen[9]. Entfällt der in der Rechnung gesondert ausgewiesene Umsatzsteuerbetrag auf eine Zahlung vor der Ausführung der Umsätze, setzt der Vorsteuerabzug lediglich voraus, dass eine nach den §§ 14, 14a UStG ausgestellte Rechnung vorliegt und die Zahlung geleistet worden ist (§ 15 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 UStG). Mit der Ausführung der Leistung muss nach dem eindeutigen Wortlaut der Vorschrift noch nicht begonnen worden sein[10].

 

Rz. 446.2

[Autor/Stand] Die Rechnung muss nach Auffassung des 1. Strafsenats eine leichte Identifizierung der abgerechneten Leistung ermöglichen. Insbesondere muss die tatsächlich ausgeführte Leistung bzw. der beim Leistungsempfänger eintretende Erfolg der Leistungshandlung mit der in der Rechnung bezeichneten identisch sein. Ist das nicht der Fall, wird der Vorsteuerabzug versagt; kein Recht zum Vorsteuerabzug besteht jedenfalls, wenn der Empfänger weiß oder hätte wissen müssen, dass er sich mit seinem Erwerb an einem Umsatz beteiligt, der in eine Mehrwertsteuerhinterziehung einbezogen ist[12] (s. Rz. 448). Das gilt auch dann, wenn das nationale Recht keine entsprechenden Vorschriften enthält[13].

„Nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 UStG in der für den Tatzeitraum geltenden Fassung kann ein Unternehmer die in Rechnungen im Sinne des § 14 UStG (a.F.) gesondert ausgewiesene Steuer für Lieferungen oder sonstige Leistungen, die von anderen Unternehmern für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, als Vorsteuerbeträge abziehen. Materiell...

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