Leitsatz

1. Für den Veräußerungsgewinn aus der Übertragung von Aktien nach §§ 327a ff. AktG (sog. Squeeze-out) kann keine Rücklage für Ersatzbeschaffung gebildet werden.

2. Es ist weder aus verfassungs- noch aus unionsrechtlicher Sicht zu beanstanden, dass § 8b Abs. 3 KStG 2002 a.F. auch den Abzug von Veräußerungsverlusten und Teilwertabschreibungen ausschließt.

 

Normenkette

R 35 EStR 2001 (= R 6.6 EStR 2009), § 8b Abs. 3 KStG 2002 a.F., § 8b Abs. 3 S. 3 KStG 2002 n.F.

 

Sachverhalt

Die Klägerin, eine GmbH, und das FA stritten über zwei Fragen: Zum einen ging es darum, ob die Klägerin eine Rücklage für Ersatzbeschaffung (RfE) in Höhe derjenigen stillen Reserven von Kapitalbeteiligungen bilden darf, die bei einer Veräußerung im Rahmen eines Ausschlussverfahrens nach § 327a AktG, eines sog. Squeeze-out, aufgedeckt wurden. Zum anderen stand in Streit, ob der Abzugsausschluss für Gewinnminderungen gem. § 8b Abs. 3 KStG 2002 a.F. (nunmehr § 8b Abs. 3 S. 3 KStG 2002 n.F.) gegen Unions- und Verfassungsrecht verstößt. Streitjahr ist 2002.

I. Streitkomplex: RfE

Die Klägerin musste im Streitjahr im Rahmen eines Ausschlussverfahrens gem. § 327a AktG veräußern. Die für die Übertragung der Aktien gezahlte Barabfindung führte zu einem steuerpflichtigen Veräußerungsgewinn.

In Höhe dieses Veräußerungsgewinns bildete die Klägerin in ihrer Bilanz zum 31.12.2002 eine den Gewinn mindernde RfE nach R 35 EStR 2001, nunmehr R 6.6 EStR 2009. Das FA lehnte das ab.

II. Streitkomplex: Veräußerungsverlust und Teilwertabschreibung

Die Klägerin war alleinige Anteilseignerin einer Kapitalgesellschaft argentinischen Rechts mit Sitz in Argentinien, der A-Ltda. Sie veräußerte diese Beteiligung im Streitjahr. Hierbei entstand ein Veräußerungsverlust, um den die Klägerin den Gewinn des Streitjahrs minderte. Das FA rechnete unter Hinweis auf § 8b Abs. 3 KStG 2002 a.F. den erlittenen Verlust bei der Ermittlung des Einkommens dem Gewinn wieder hinzu.

Die Klägerin war außerdem alleinige Gesellschafterin einer Kapitalgesellschaft portugiesischen Rechts mit Sitz in Portugal, der A-S.A. Diese Tochtergesellschaft stellte in 2003 ihre Geschäftstätigkeit ein und befand sich seitdem in Liquidation. Die Klägerin nahm auf den die A-S.A. betreffenden Beteiligungsbuchwert in ihrer Bilanz zum 31.12.2002 eine Teilwertabschreibung vor. Das FA ließ auch die Teilwertabschreibung unter Bezugnahme auf § 8b Abs. 3 KStG 2002 a.F. nicht zum gewinnmindernden Abzug zu.

Die anschließende Klage blieb vor dem FG erfolglos (FG Düsseldorf vom 11.08.2009, 6 K 3742/06 K,G, Haufe-Index 2255832, EFG 2010, 133) …

 

Entscheidung

… und das blieb sie auch vor dem BFH. Dieser lehnte die Bildung der RfE ebenso ab wie die steuerliche Berücksichtigung des Veräußerungsverlusts und der Teilwertabschreibung.

 

Hinweis

1. Der dem anglo-amerikanischen Rechtskreis entlehnte Begriff des Squeeze-out umschreibt den Zwangsausschluss, dem unter bestimmten Umständen und Voraussetzungen Minderheitenaktionäre auf Verlangen des Hauptaktionärs ausgesetzt sind. Die einschlägigen Regelungen enthalten §§ 327a bis 327f AktG. Ihnen kommt, so hat das BVerfG entschieden, kein enteignungsgleicher Charakter zu.

Normalerweise bedarf es jedenfalls eines Mehrheitsaktionärs, der wenigstens 95 % der Anteile besitzt. Durch § 12 Abs. 4 des Finanzmarktstabilisierungsbeschleunigungsgesetzes (FMStBG) wurde diese Quote auf 90 % herabgesetzt, was jüngst die abermalige Verfassungsfrage aufwarf, nämlich im Zusammenhang mit dem im Jahr 2009 vollzogenen Squeeze-out diverser Minderheitenaktionäre bei der Hypo Real Estate Holding AG (HRE), u.a. auch des Finanzinvestors Christopher Flowers. Der Bund hatte die HRE nach der knapp verhinderten Pleite im Herbst 2008 schrittweise in seinen Besitz gebracht. Als er über den Finanzmarktstabilisierungsfonds SoFFin mehr als 90 % an der HRE hielt, brachte er gegen massiven Widerstand auf der Hauptversammlung im Oktober 2009 das Squeeze-out der letzten Anleger mit seiner Stimmenmehrheit durch und nahm ihnen gegen Zahlung einer Abfindung ihre Aktien ab. Für ihre Aktien erhielten die Anleger eine Abfindung von 1,30 EUR je Anteil und verloren dadurch zum Teil zigtausend EUR gegenüber dem Kaufpreis der Papiere, die früher im DAX gelistet waren, allein Flowers rd. 1 Mrd. EUR. Das LG München hat jene Verfassungsfrage soeben auf Klage der Minderheitenaktionäre verneint: Urteil vom 20.01.2011, 5 HK O 18800/09.

2. Vor dem Hintergrund dieses gesetzlichen Rahmens und dieser Aktualitäten nimmt die Besprechungsentscheidung weitere Hoffnungen:

Wird die Beteiligung betrieblich gehalten, ließe sich die erlangte Abfindung möglicherweise steuerstundend in einer Rücklage für Ersatzbeschaffung "parken". Die Rechtsgrundlage für eine derartige Rücklage liegt einigermaßen im Dunkeln. Sie findet sich nicht im Gesetz selbst, sondern nur in R 6.6. EStR n.F. (früher: R 35 EStR a.F.) und ist womöglich gewohnheitsrechtlich verfestigt. Gewissheit darüber besteht indes nicht; u.U. handelt es sich auch nur um einen administrativen Billigkeitserw...

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