Leitsatz

1. Die eigenen Einkünfte eines Kindes werden durch dessen Unterhaltsleistungen an sein eigenes Kind (Enkelkind des Kindergeldberechtigten) grundsätzlich nicht gemindert.

2. Die im Jahr 2002 als außergewöhnliche Belastungen abziehbaren Kinderbetreuungskosten mindern die eigenen Einkünfte und Bezüge des Kindes nicht.

3. Eine generelle Berücksichtigung von außergewöhnlichen Belastungen bei der Ermittlung der eigenen Einkünfte und Bezüge des Kindes kommt nicht in Betracht. Es ist vielmehr im Einzelfall zu prüfen, welche Teile der Einkünfte wegen eines sonst vorliegenden Grundrechtsverstoßes im Wege verfassungskonformer Einschränkung im Anschluss an die Rechtsprechung des BVerfG nicht angesetzt werden dürfen.

 

Normenkette

§ 32 Abs. 4 Satz 2, § 33c EStG i.d.F. des 2. FamFördG, § 9c EStG i.d.F. des FamLeistG, § 1601, § 1606 Abs. 2 BGB

 

Sachverhalt

Die Tochter der Klägerin ist alleinerziehende Mutter des im Jahr 2000 geborenen Kindes E und befand sich im Streitjahr 2002 in der Berufsausbildung. Während ihrer Tätigkeit im Ausbildungsbetrieb wurde E von einer Tagesmutter betreut. Monatlich waren hierfür 325 EUR von T aufzuwenden. Neben Einkünften aus nicht selbstständiger Arbeit floss der Tochter eine Halbwaisenrente zu.

Die Familienkasse hob die Festsetzung des Kindergeldes für T ab Januar 2002 wegen Grenzbetragsüberschreitung auf. Die Aufwendungen für die Tagesmutter wurden hierbei nicht mindernd berücksichtigt.

Das FG Rheinland-Pfalz (Urteil vom 13.2.2008, 2 K 1963/07, Haufe-Index 2259869, EFG 2010, 207) wies die Klage ab.

 

Entscheidung

Die Revision war unbegründet, da die Kosten für die Tagesmutter des Enkelkindes im Jahr 2002 (anders als 2006 bis 2011!) nicht die Einkünfte der Tochter minderten.

 

Hinweis

1. Auch in diesem Urteil geht es wieder um die ausgelaufene Grenzbetragsberechnung: Da der Einkünftebegriff des § 32 Abs. 4 EStG dem des § 2 Abs. 2 EStG entspricht, hängt der Abzug von Kinderbetreuungskosten des Kindes für sein Kind (Enkel des Kindergeldberechtigten) von der im jeweiligen Veranlagungszeitraum geltenden rechtlichen Ausgestaltung ab. Ein Abzug als außergewöhnliche ­Belastungen (§ 33c EStG in der von 2002–2005 geltenden Fassung des 2. FamFördG) oder als Sonderausgaben (§ 9c Abs. 2 EStG i.d.F. des FamLeistG) lässt die Einkünfte unberührt. Obwohl der BFH dies ausdrücklich offengelassen hat, bestehen keine Zweifel, dass ein Abzug von Kinderbetreuungskosten als bzw. "wie" Betriebsausgaben oder Werbungskosten (z.B. 2006–2008 § 4f, § 9 Abs. 5 EStG sowie 2009–2011 § 9c Abs. 1, § 9 Abs. 5 i.d.F. des FamLeistG) die Einkünfte des Kindes mindert und damit auch auf die Grenzbetragsberechnung durchschlägt.

2. Außergewöhnliche Belastungen sind bei der Ermittlung der Einkünfte und Bezüge des Kindes generell nicht abzuziehen. Nach der Ermittlung der Einkünfte ist nur noch zu prüfen, ob sie teilweise zur Vermeidung eines Grundrechtsverstoßes außer Ansatz zu bleiben haben. Das ist indessen nicht der Fall:

  • Kinder werden – durch Kindergeld bzw. die Freibeträge des § 32 Abs. 6 EStG – einmal berücksichtigt, und zwar im Regelfall bei ihren Eltern. Belastungen für den Unterhalt eines Enkelkindes wirken sich daher auf die Einkommensbesteuerung der Großeltern nicht aus. Daher können die vom Enkelkind ausgelösten Unterhaltslasten auch nicht von den Einkünften des Kindes abgezogen werden. Einkünfte und Bezüge des Kindes wären anderenfalls faktisch bis zur doppelten Höhe des Existenzminimums (für das Kind und das Kindeskind) unschädlich, das Existenzminimum des Enkelkindes würde sowohl bei Eltern als auch bei Großeltern berücksichtigt.
  • Wenn eine Unterhaltspflicht der Großeltern für das Enkelkind besteht und die Eltern für dieses Kindergeld bzw. die Freibeträge erhalten, erfahren die Großeltern wegen des Abzugsverbots in § 33a Abs. 1 Satz 4 EStG zwar keine unmittelbare Entlastung über den Unterhaltsabzug gem. § 33a Abs. 1 EStG, wohl aber eine mittelbare Entlastung durch die Anrechnung des Kindergeldes auf ihre Unterhaltsverpflichtung.

3. Eine (Halb-)Waisenrente ist mit dem Ertragsanteil bei den Einkünften des Kindes zu erfassen und im Übrigen bei den Bezügen. Abzuziehen sind der Werbungskostenpauschbetrag in Höhe von 102 EUR bezüglich des Ertragsanteils (§ 9a Satz 1 Nr. 3 EStG) und die Kostenpauschale von 180 EUR in Bezug auf den Kapitalanteil der Rente.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 9.2.2012, III R 73/09

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