Leitsatz

Leistungen der gesetzlichen Krankenkasse für eine Ersatzkraft im Rahmen der Haushaltshilfe an nahe Angehörige (§ 38 Abs. 4 Satz 2 SGB V) unterliegen nicht dem Progressionsvorbehalt.

 

Normenkette

§ 32b Abs. 1 Nr. 1b EStG , § 38 Abs. 4 Satz 2 SGB V

 

Sachverhalt

Die Kläger wurden als Eheleute zur ESt zusammen veranlagt. Der Kläger erzielte Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit; die Klägerin war Hausfrau. Die Kläger waren mit ihren vier minderjährigen Kindern bei der AOK krankenversichert.

Im Frühjahr 1996 war die Klägerin sechs Wochen lang erkrankt. Der Kläger ließ sich in dieser Zeit unbezahlten Urlaub geben und übernahm anstelle der Klägerin die Führung des Familienhaushalts. Im Rahmen der Haushaltshilfe (§ 38 SGB V) zahlte die AOK daraufhin 4.309 DM an den Kläger aus.

Diesen Betrag erfasste das FA bei der ESt-Veranlagung der Kläger im Weg des Progressionsvorbehalts. Den Einspruch, mit dem die Kläger vortrugen, es habe sich bei der Leistung der AOK um einen "Aufwandsersatz" an die selbst krankenversicherte Klägerin und nicht um eine Lohnersatzleistung an den Kläger gehandelt, wies das FA zurück. Die Klage blieb erfolglos.

 

Entscheidung

Die Revision der Kläger hatte Erfolg. Die (Erstattungs-)Leistung der AOK an den Kläger unterliege nicht dem Progressionsvorbehalt; dies unabhängig davon, ob die AOK die Leistung direkt an den Kläger gezahlt bzw. die Klägerin die erhaltene Leistung an den Kläger weitergeleitet habe. Zwischen der AOK und dem Kläger bestehe im Hinblick auf die Haushaltshilfe sozialversicherungsrechtlich keine Leistungsbeziehung. Die Zahlung der AOK an den Kläger habe nur für Rechnung der Klägerin erfolgen können.

 

Hinweis

1. Sozialrechtlicher Hintergrund der Entscheidung: Im Streitfall hatte ein Ehemann (Stammversicherter bei der AOK) während der Krankheit seiner Ehefrau (Mitversicherte) unbezahlten Urlaub genommen und die Führung des Haushalts übernommen. Die AOK erstattete den Verdienstausfall des Ehemanns.

Nach § 38 Abs. 1 SGB V erhalten erkrankte Versicherte als Pflichtleistung der gesetzlichen Krankenkasse unter bestimmten Voraussetzungen Haushaltshilfe für die Weiterführung ihres Haushalts. Kann die Krankenkasse keine Haushaltshilfe stellen, sind den Versicherten nach § 38 Abs. 4 Satz 1 SGB V die Kosten für eine selbstbeschaffte Haushaltshilfe in angemessener Höhe zu erstatten. Für bestimmte nahe Angehörige (Verwandte und Verschwägerte bis zum zweiten Grad) werden keine Kosten erstattet. Dieser Ausschluss der Kostenerstattung gilt nach der Rechtsprechung des BSG auch für Ehegatten.

Die Krankenkasse kann jedoch die erforderlichen Fahrkosten und den Verdienstausfall erstatten, wenn die Erstattung in einem angemessenen Verhältnis zu den sonst für eine Ersatzkraft entstehenden Kosten steht (§ 38 Abs. 4 Satz 2 SGB V).

Von entscheidender Bedeutung ist, dass Versicherter im Sinn dieser Regelung nur derjenige ist, wer selbst an der Weiterführung seines Haushalts gehindert ist und deshalb Haushaltshilfe in Anspruch nimmt. Nur diesem Versicherten (hier: Ehefrau) gegenüber erbringt die gesetzliche Krankenkasse ihre Leistungen. Auch die Erstattung des Verdienstausfalls Hilfe leistender naher Angehöriger erfolgt daher sozialversicherungsrechtlich ausschließlich gegenüber dem Versicherten, an den die Hilfeleistung erbracht worden ist. Grund dieser Rechtslage ist für den Streitfall, dass – entgegen früherem Recht – die Ehefrau (obgleich nur Mitversicherte) eigene Leistungsansprüche gegenüber der AOK besitzt.

2. Steuerrechtliche Konsequenzen: (Erstattungs-)Leistungen einer Krankenkasse sind steuerfrei (§ 3 Nr. 1a EStG).

Solche Leistungen können aber dem Progressionsvorbehalt nach § 32b Abs. 1 Nr. 1b EStG unterliegen. Dies im Streitfall zu bejahen, lag deshalb nahe, weil der besondere Steuersatz dann anzuwenden ist, wenn ein unbeschränkt Steuerpflichtiger u.a. vergleichbare Lohnersatzleistungen nach dem SGB V bezogen hat und § 38 Abs. 4 Satz 2 SGB V ausdrücklich von der Erstattung des Verdienstausfalls spricht.

Gleichwohl und dies ist das Entscheidende: Dem Angehörigen (hier: Ehemann) kann die aufgrund des Versicherungsverhältnisses erbrachte Leistung nicht als eigene Einnahme zugeordnet werden. Für den Versicherten als Zahlungsempfänger (hier: Ehefrau) stellt die Erstattungsleistung keinen Lohnersatz dar, weil sie nicht an die Stelle eines eigenen Lohnanspruchs aus einem Arbeitsverhältnis tritt.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 17.6.2005, VI R 109/00

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