Leitsatz

Ein volljähriges Kind, das zwischen zwei Ausbildungsabschnitten (hier: zwischen erster Staatsprüfung für das Lehramt und der Aufnahme des Referendariats) einer anderweitigen, länger als vier Monate dauernden Vollzeiterwerbstätigkeit nachgeht, ist in diesem Zeitraum kindergeldrechtlich nicht nach § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 Buchst. c EStG berücksichtigungsfähig. Der Monat, während dessen der bisherige Ausbildungsabschnitt endet und in dem die vorübergehende Vollzeiterwerbstätigkeit aufgenommen wird, ist ein Kürzungsmonat (Bestehen eines Kindergeldanspruchs ohne Anrechnung der Einkünfte aus der Vollzeiterwerbstätigkeit).

 

Sachverhalt

Die Tochter studierte an der Pädagogischen Hochschule und erhielt im Juli 1999 das Zeugnis über die erste Staatsprüfung für das Lehramt an Grund- und Hauptschulen. Ab dem 14.6.1999 war sie als Angestellte beschäftigt und erzielte für diesen Zeitraum einen Jahresbruttolohn von 23.151 DM, wovon auf den Monat Juni 1.850 DM entfielen. Unmittelbar im Anschluss an die erste Staatsprüfung bewarb sich die Tochter um eine Referendarstelle, die sie zum 1.2.2000 antreten konnte. Inzwischen hat sie die zweite Staatsprüfung bestanden und ist als Lehrerin angestellt. Das Arbeitsamt forderte das Kindergeld für die Monate Januar bis Juni 1999 zurück.

 

Entscheidung

Das FG gab der Klage statt. Der Kindergeldanspruch für Januar bis Juni 1999 beruhe auf der Berufsausbildung der Tochter und dürfe wegen der Einkünfte des Kindes nicht versagt werden. Mit dem Abschluss der ersten Staatsprüfung habe das Kind noch keine berufsqualifizierende Ausbildung abgeschlossen, sondern müsse noch eine Referendarszeit und eine zweite Staatsprüfung erfolgreich absolvieren. Bis zur Aufnahme des Referendariats könne die Tochter ihre noch nicht abgeschlossene Berufsausbildung mangels Ausbildungsplatzes nicht fortführen, und deshalb sei grundsätzlich auch für diese Wartezeit ein Kindergeldanspruch gegeben. Allerdings habe das Kind während dieser Wartezeit eine Vollzeiterwerbstätigkeit ausgeübt. Dadurch sei bei dem Kind keine Unterhaltssituation und bei den Eltern keine Unterhaltslast wie bei einer Berufsausbildung eingetreten. Die Monate Juli bis Dezember rechtfertigten deswegen keinen Kindergeldanspruch. Für den Monat Juni, in dem sie von der Ausbildung zur Vollzeiterwerbstätigkeit wechselte, bestehe Anspruch auf Kindergeld, aber hinsichtlich der anteiligen Berechnung des Jahresgrenzbetrags zähle der Wechselmonat als Erwerbsmonat und ermäßige deshalb den anteiligen Jahresgrenzbetrag; die Einkünfte des Monats Juni werden bei der Ermittlung des Kindeseinkommens für die Ausbildungszeit nicht einbezogen. Der Jahresgrenzbetrag ermäßige sich somit auf 5/12 und nur die Einnahmen von Januar bis Mai werden darauf angerechnet. Da im Urteilsfall diese Einkünfte geringer als der anteilige Grenzbetrag ausfielen, gewährte das FG das Kindergeld für 6 Monate.

 

Hinweis

Gegen dieses Urteil des FG ist beim BFH unter dem Aktenzeichen III R 75/04 eine Revision anhängig. Es geht dabei um die Frage, ob ein ausbildungswilliges Kind, das noch keine Ausbildung absolviert hat, keinen Ausbildungsplatz hat und während der Suche nach einem Ausbildungsplatz einer Vollzeiterwerbstätigkeit nachgeht, steuerlich und kindergeldrechtlich als Kind zu berücksichtigen ist.

Wer sich in einer vergleichbaren Situation befindet, sollte deshalb Einspruch einlegen und ein Ruhen des Einspruchsverfahrens bis zum Abschluss des Revisionsverfahrens beantragen.

 

Link zur Entscheidung

FG Baden-Württemberg, Urteil vom 11.04.2003, 9 K 92/03

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