Studentenjob kann Kindergeld verhindern
Für den Kindergeldanspruch gilt es zu unterscheiden, ob sich das Kind in seiner Erstausbildung oder in einer weiteren Ausbildung befindet. Während der erstmaligen Ausbildung wirkt sich eine Erwerbstätigkeit regelmäßig nicht negativ auf den Kindergeldanspruch aus; Kindergeld wird allerdings nach Abschluss einer Erstausbildung nur gewährt, wenn das berücksichtigungsfähige Kind nur einer Erwerbstätigkeit in gesetzlich definiertem Umfang (siehe § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG) nachgeht.
Eine erstmalige Berufsausbildung i.S.d. Kindergeldrechts ist nach der Gesamtplanrechtsprechung erst dann abgeschlossen, wenn das Kind das Berufsziel erreicht hat, was es erreichen will. Ein Master-Studium nach dem Bachelor kann folglich insgesamt als erstmalige Berufsausbildung i.S.d. Kindergeldrechtes angesehen werden. Die Gesamtplanrechtsprechung gilt nach Auffassung des BFH jedoch nicht, wenn das Kind im Anschluss an ein Bachelor-Studium zunächst ein freiwilliges soziales Jahr absolviert und erst danach ein Master-Studium beginnt. Es fehle an einem engen zeitlichen Zusammenhang zwischen den beiden Ausbildungsteilen. Dies gelte selbst dann, wenn bereits während des Bachelor-Studiums und vor Beginn des Freiwilligendienstes die Aufnahme des Masterstudiums beabsichtigt ist.
Blick in die aktuelle Rechtslage
Haben Kinder das 18. Lebensjahr, nicht aber das 25. Lebensjahr, vollendet, lösen diese in folgenden Fällen einen Kindergeldanspruch aus:
- Das Kind befindet sich in einer Berufsausbildung.
- Das Kind befindet sich in einer Übergangszeit zwischen zwei Ausbildungsabschnitten oder zwischen einem Ausbildungsabschnitt und z. B. der Ableistung eines freiwilligen Dienstes.
- Das Kind kann eine Berufsausbildung mangels Ausbildungsplatzes nicht beginnen oder fortsetzen.
- Das Kind leistet einen bestimmten freiwilligen Dienst (vgl. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. d) EStG).
Hinweis Eine Besonderheit gilt für Kinder, die das 18. Lebensjahr, aber noch nicht das 21. Lebensjahr vollendet haben. Kindergeld wird gewährt, wenn diese nicht in einem Beschäftigungsverhältnis stehen und bei einer Agentur für Arbeit im Inland als Arbeitssuchend gemeldet sind. Eine weitere Besonderheit gilt für Kinder, die wegen körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung außerstande sind, sich selbst zu unterhalten. Solche Kinder können einen Kindergeldanspruch selbst nach Vollendung des 25. Lebensjahres auslösen, wenn die Behinderung i.d.R. vor Vollendung des 25. Lebensjahres eingetreten ist. Auf diese Besonderheiten wird nachfolgend nicht näher eingegangen. |
Für den Kindergeldanspruch ist es während der erstmaligen Ausbildung oder eines Erststudiums unerheblich, in welchem Umfang das Kind einer Erwerbstätigkeit nachgeht.
Nur nach Abschluss einer erstmaligen Ausbildung darf das ansonsten berücksichtigungsfähige Kind nur bestimmten Erwerbstätigkeiten nachgehen. Eine Erwerbstätigkeit mit bis zu 20 Stunden regelmäßiger wöchentlicher Arbeitszeit, ein Ausbildungsdienstverhältnis oder ein geringfügiges Beschäftigungsverhältnis (§§ 8 und 8a SGB IV) sind zulässig (§ 32 Abs. 4 Satz 3 EStG), ohne dass der Kindergeldanspruch gefährdet wird.
Der BFH musste sich im Urteilsfall mit der Frage befassen, ob ein Bachelor- und ein Masterstudium im gleichen Fach selbst dann noch als erstmalige Ausbildung anzusehen sind, wenn zwischen den einzelnen Studiengängen ein Freiwilligendienst absolviert wird.
Sachverhalt: Bachelor, Freiwilligendienst und Masterstudium
Strittig war, ob dem Kläger für seine Tochter A für den Zeitraum Juli bis September 2019 ein Anspruch auf Kindergeld zusteht. Der Entscheidungssachverhalt verhielt sich wie folgt:
- Die 1996 geborene A beendete mit Ablauf des Sommersemesters 2018 erfolgreich ihr Studium.
- In der Zeit vom 1.10.2018 bis zum 31.5.2019 absolvierte sie ein freiwilliges soziales Jahr.
- Vom 1.7. bis 30.9.2019 ging sie einer befristeten Aushilfstätigkeit als Werkstudentin nach, wobei eine wöchentliche Arbeitszeit von 25 Stunden vereinbart war.
- Ab dem 1.10.2019 (Wintersemester 2019/2020) begann A den Master-Studiengang in dem Fachbereich, in dem sie zuvor das Bachelorstudium erfolgreich abgeschlossen hatte.
- Der Zulassungsbescheid der Universität datiert vom 10.7.2019.
- Bereits mit E-Mail vom Juli 2018 hatte der Kläger die Familienkasse über die aus damaliger Sicht zukünftigen beruflichen Pläne seiner Tochter unterrichtet.
Die Familienkasse hob die Kindergeldfestsetzung letztlich mit Wirkung ab Juli 2019 auf. Die Familienkasse sah insbesondere auf Grund des zwischenzeitlich abgeleisteten sozialen Jahres keinen engen Zusammenhang zwischen dem Bachelorstudium und dem angestrebten Masterstudium und beurteilte dieses als Zweitstudium. Die Aushilfstätigkeit als Werkstudentin von wöchentlich 25 Stunden während des Zeitraums Juli bis September 2019 wurde als kindergeldschädlich eingeordnet.
Hessisches FG: Freiwilliges soziales Jahr ist Bestandteil einer mehraktigen Ausbildung
Das Hessische FG (Urteil v. 5.6.2020, 5 K 34/20) schloss sich der Auffassung der Familienkasse nicht an und gewährte für den strittigen Zeitraum Juli bis September 2019 Kindergeld. Der Masterstudiengang sei noch Teil einer einheitlichen Erstausbildung. Der dazwischen absolvierte Freiwilligendienst ändere hieran nichts, auch weil bereits vor Abschluss des Bachelors die Aufnahme des Masters nachweislich beabsichtigt war. Der Freiwilligendienst sei dann integrierter Bestandteil des Ausbildungsplans.
Entscheidung: Freiwilligendienst beendet mehraktige Ausbildung
Der BFH hat den Kindergeldanspruch abgelehnt.
Werkstudenten-Job während der Wartezeit nach erstmaliger Ausbildung kann Kindergeldanspruch ausschließen
Zwar kann das Kindergeld grundsätzlich selbst dann gewährt werden, wenn die Tochter in dem strittigen Zeitraum Juli bis September 2019 eine Berufsausbildung mangels Ausbildungsplatzes nicht fortsetzen kann (§ 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 Buchst. c EStG). Der Master-Studiengang begann schließlich erst ab Oktober 2019.
Dem grundsätzlich möglichen Kindergeldanspruch steht aber im Entscheidungsfall die 25 stündige wöchentliche Erwerbstätigkeit im Rahmen einer Werkstudententätigkeit entgegen (§ 32 Abs. 4 Satz 2 EStG). Der Tätigkeitsumfang war relevant, weil das Kind seine erstmalige Ausbildung mit Abschluss des Bachelors abgeschlossen hatte.
Das Bachelor-Studium und das Master-Studium sind hier keine einheitliche Erstausbildung
Eine einheitliche Erstausbildung i.S.d. Kindergeldrechts liegt bei mehreren Ausbildungsabschnitten (mehraktige einheitliche Ausbildung) nur vor, wenn sie zeitlich und inhaltlich so aufeinander abgestimmt sind, dass die Ausbildung nach Erreichen des ersten Abschlusses fortgesetzt werden soll und das vom Kind angestrebte Berufsziel erst über den weiterführenden Abschluss erreicht werden kann. So ist es grundsätzlich möglich, dass die erstmalige Ausbildung im Kindergeldrecht z. B. erst mit Abschluss des Masters vorliegt.
Für eine mehraktige einheitliche Ausbildung kommt es vor allem darauf an, ob die einzelnen Ausbildungsabschnitte in einem engen sachlichen Zusammenhang (zum Beispiel dieselbe Berufssparte, derselbe fachliche Bereich) zueinander stehen und in engem zeitlichen Zusammenhang durchgeführt werden (siehe auch BFH, Urteil v. 3.7.2014, III R 52/13, BStBl II 2015, 152 Rz. 30).
Von einem engen zeitlichen Zusammenhang geht die Rechtsprechung nur dann aus, wenn das Kind nach seinem ersten Ausbildungsabschnitt zum nächstmöglichen Zeitpunkt den nächsten Ausbildungsabschnitt aufnimmt.
Hiervon war im Entscheidungsfall nicht auszugehen, weil sich das Kind nach dem erfolgreich abgeschlossenen Bachelor-Studium aus persönlichen Gründen für einen Freiwilligendienst entschied. Allein die Entscheidung zur Aufnahme des Masterstudiums nach dem Freiwilligendienst, die vor Beendigung des Bachelors getroffen wurde, reicht nicht aus. Durch die tatsächliche Entscheidung für den Freiwilligendienst aus persönlichen Gründen wird der enge zeitliche Zusammenhang zwischen dem Bachelor- und dem Master-Studium unterbrochen und die Erstausbildung i.S.d. Kindergeldrechts ist mit Abschluss des Bachelors beendet.
Der kindergeldauslösende Freiwilligendienst (§ 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. d EStG) selbst stellt keine Berufsausbildung i.S.d. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG dar – entgegen der Auffassung des Hessischen FG – und kann damit kein Bestandteil einer mehraktigen Ausbildung sein.
Hinweis: Klarstellung zur einheitlichen Erstausbildung bei mehreren Ausbildungsabschnitten
Die BFH-Entscheidung bringt weitere Klarheit zur Abgrenzung zwischen einer einheitlichen Ausbildung und mehreren getrennt zu beurteilenden Ausbildungsabschnitten. Die Entscheidung verdeutlicht auch, dass nach Abschluss der erstmaligen Ausbildung der Erwerbstätigkeitsumfang des Kindes auch durch die Eltern zu Sicherung des Kindergeldanspruchs im Blick behalten werden sollte.
Beachtenswert ist zudem, dass die Entscheidung zum Kindergeldrecht ergangen ist. Davon abzugrenzen ist, welche Kosten das Kind für eine mehraktige Ausbildung selbst in seiner Einkommensteuererklärung geltend machen kann. Beim Kostenabzug gelten nach § 9 Abs. 6 EStG andere Grundsätze. Danach sind vorweggenommene Werbungskosten nach Abschluss eines Erststudiums (z. B. Master nach erfolgreich abgeschlossenem Bachelor) ansetzbar. Dem kindergeldrechtlichen Begriff der „mehraktigen einheitlichen Ausbildung“ kommt keine Bedeutung zu.
Abschließend sei darauf hinzuweisen, dass gegenwärtig in der Diskussion ist, den bisherigen Freibetrag für Kinder rückwirkend ab 2024 zu erhöhen. Von dieser Erhöhung profitieren allerdings nur die Eltern, bei denen die steuerliche Auswirkung des Freibetrags für Kinder günstiger als das zuvor ausgezahlte Kindergeld ist. Um sämtlichen Eltern auch einen inflationsbedingten Ausgleich zu gewähren, wird eine Erhöhung des Kindergeldes rückwirkend ab 2024 gefordert. Weitere Gesetzgebungsverfahren bleiben abzuwarten. Eventuell werden diese Forderungen im Rahmen des für den 21.2.2024 terminierten Vermittlungsausschusses zum Wachstumschancengesetz aufgegriffen.
BFH, Urteil v. 12.10.2023, III R 10/22; veröffentlicht am 25.1.2025
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