Erkennt ein Steuerpflichtiger nachträglich vor Ablauf der Festsetzungsfrist, dass eine von ihm oder für ihn abgegebene Erklärung unrichtig oder unvollständig ist und dass es dadurch zu einer Verkürzung von Steuern kommen kann oder bereits gekommen ist, ist er verpflichtet, dies unverzüglich anzuzeigen und die erforderliche Richtigstellung vorzunehmen (vgl. § 153 AO). Eine Berichtigungspflicht für gewillkürte Vertreter und ihre Mitarbeiter, z. B. Steuerberater, Rechtsanwälte, und Wirtschaftsprüfer, sieht § 153 Abs. 1 AO allerdings nicht vor.

Das Beratungsmandat vermittelt auch nicht das Recht, gegen den Willen des Mandanten oder ohne dessen Wissen eine als unzutreffend erkannte Erklärung zu berichtigen. Dies würde eine Verletzung der berufsrechtlichen Geheimhaltungspflichten darstellen (vgl. BGH, Urteil v. 10.12.1995, 5 StR 412/95, wistra 1996, S. 184).

Im Innenverhältnis zum Mandanten ist der Berater aber vertraglich verpflichtet, den Mandanten auf die Berichtigungspflicht nach § 153 AO und die (strafrechtlichen) Folgen einer Verletzung dieser Pflicht hinzuweisen, wenn er die Fehlerhaftigkeit einer Erklärung erkennt (vgl. Seer in: Tipke/Kruse, Kommentar zur AO und FGO, 177. Aufl./Lfg. 9.2023, § 153 AO Rz. 5).

 
Hinweis

Beraterhaftung droht

Im Fall der Verletzung der Pflicht zum Hinweis auf § 153 AO droht eine Beraterhaftung. Deshalb sollte diese vertragliche Obliegenheit unbedingt erfüllt werden. Entscheidet sich der Mandant gegen eine Berichtigung, stellt sich die Frage der Mandatsniederlegung. Dies dürfte im Regelfall gerade mit Blick auf die Gefahr angezeigt sein, als Teilnehmer (§§ 26, 27 StGB) einer Steuerhinterziehung durch Unterlassen (§ 370 Abs. 1 Nr. 2 AO) in den Fokus strafrechtlicher Ermittlungen zu geraten.

Doch nach diesem Exkurs wieder zurück zu dem unerwarteten Geldsegen aufgrund eines Finanzamtsfehlers. Eine Berichtigungspflicht entsteht nach § 153 Abs. 1 AO nicht, wenn unabhängig von der Erklärung des Steuerpflichtigen der Finanzbehörde ­Irrtümer oder Fehler unterlaufen (vgl. BFH, Urteil v. 27.5.2013, VIII R 50/10, BStBl 2014 II, S. 222).

Ungeachtet dessen kann eine vom Finanzamt eigenmächtig gewährte Steuerermäßigung aber Risiken bergen, denn manche Steuerermäßigungen können nur einmal im Leben beansprucht werden und sind dann verbraucht. Über diese Gefahr muss ein Steuerberater nach einer Entscheidung des LG Lübeck (vgl. Urteil v. 11.1.2014, 15 O 72/23) den Mandanten informieren.

Empfehlung des Steuerberaters

Ein Steuerberater prüfte für einen Mandanten, Gesellschafter einer Arztpraxis, einen Steuerbescheid, wonach der Mandant für das Veranlagungsjahr 2006 Steuern nachzahlen musste. Im Bescheid hatte das Finanzamt fälschlicherweise, d. h., ohne dass dies vom Mandanten beantragt worden war, einen Betrag von 39.932 EUR als Veräußerungsgewinn erfasst und hierauf den ermäßigten Steuersatz nach § 34 Abs. 3 Satz 1 EStG angewandt. Tatsächlich handelte es sich bei dem Betrag von 39.932 EUR um Nachzahlungen der Kassenärztlichen Vereinigung an die Gemeinschaftspraxis. Die fehlerhafte Behandlung durch das Finanzamt führte zu einer Steuerermäßigung von rd. 8.000 EUR.

Der Steuerberater empfahl ihm, nicht gegen diesen Bescheid vorzugehen, da dies zu einer noch höheren Nachzahlung führen würde. Eine (Berichtigungs-) Pflicht, das Finanzamt auf Irrtümer und Fehler hinzuweisen, bestehe nicht.

Veräußerungsgewinn im Jahr 2016

10 Jahre später verkaufte der Mandant seinen Anteil an einer Gemeinschaftspraxis und erzielte einen Veräußerungsgewinn i. H. v. 1.176.690 EUR. Der Steuerberater beantragte hierfür bei den Einkünften aus selbstständiger Arbeit die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes nach § 34 Abs. 3 Satz 1 EStG.

Das Finanzamt lehnte dies mit der Begründung ab, dass diese Steuerermäßigung nur einmal im Leben beansprucht werden könne. Diese Steuervergünstigung sei bereits – wenn auch durch einen Fehler des Finanzamts – bei der Veranlagung für das Jahr 2006 verbraucht worden.

Rechtsmittel hiergegen bleiben ohne Erfolg. Der BFH (Urteil v. 28.9.2021, VIII R 2/19, BStBl 2022 II, S. 169) bestätigte die Rechtsansicht des Finanzamts. Danach sei die antragsgebundene Steuervergünstigung des § 34 Abs. 3 EStG, die der Steuerpflichtige nur einmal im Leben in Anspruch nehmen könne, auch dann verbraucht, wenn das Finanzamt die Vergünstigung zu Unrecht gewährt habe. Dies gelte selbst dann, wenn dies ohne Antrag des Steuerpflichtigen geschehe und ein Betrag begünstigt besteuert werde, bei dem es sich tatsächlich nicht um einen Veräußerungsgewinn i. S. d. § 34 Abs. 2 Nr. 1 EStG handele.

Mandant verklagt Steuerberater auf Schadensersatz

Vor dem LG Lübeck verlangte der Mandant von dem Steuerberater Schadensersatz. Er ist der Auffassung, der Steuerberater habe mit dem Absehen von der Einlegung eines Einspruchs gegen den Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2006 gegen die Sorgfaltspflichten eines Steuerberaters verstoßen. Insoweit liege ein pflichtwidriges Verhalten vor.

Ein Steuerberater habe seinen Mandanten im Umfang der Mandatserteilung u...

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