LfSt Niedersachsen, 19.1.2023, S 7107 - St 172 - 261/2023

Gemäß R 4.5 Abs. 6 Satz 1 KStR 2015/2022 stellt die Verwertung und Beseitigung von Abfällen aus privaten Haushaltungen durch öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger eine hoheitliche Tätigkeit dar. Werden diese Abfälle oder die aus ihnen gewonnenen Stoffe und Energie im Rahmen der Verwertung entgeltlich abgegeben, liegt körperschaftsteuerlich ein sog. hoheitliches Hilfsgeschäft vor (vgl. R 4.5. Abs. 6 Sätze 1 bis 5 KStR 2015/2022). Unter der Rechtslage des bisherigen § 2 Abs. 3 UStG werden deshalb die Umsätze der öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger aus

  • dem Verkauf von Papierabfällen der privaten Haushaltungen und
  • der Einspeisung von Strom, welcher im Rahmen einer KWK-Anlage aus dem Verbrennen von Deponie- oder Klärgas gewonnen wurde,

mangels eines Betriebes gewerblicher Art nicht der Umsatzsteuer unterworfen (vgl. Abschnitt 2.11 Abs. 4 UStAE).

Gegenüber BMF ist die Frage aufgeworfen worden, ob diese umsatzsteuerliche Behandlung unter der Rechtslage des neuen § 2b UStG fortgeführt werden kann. Hierzu bitte ich, folgende Auffassung zu vertreten:

Für beide Fälle ist von einer umsatzsteuerbaren und umsatzsteuerpflichtigen Tätigkeit auszugehen. Insbesondere ist die Annahme eines hoheitlichen Hilfsgeschäftes i. S. v. Rz. 19f des BMF-Schreibens vom 16. Dezember 2016, BStBl 2016 I S. 1451, abzulehnen. Auf die Regelungen des § 2b UStG musste nicht eingegangen werden, weil die hier in Rede stehenden Verwertungstätigkeiten auf privatrechtlicher Grundlage abgewickelt werden und damit von vornherein nicht in den Anwendungsbereich des § 2b UStG fallen (Rz. 6 des BMF-Schreibens vom 16. Dezember 2016).

Zum Vorsteuerabzug gelten die allgemeinen Regelungen. Hierzu bemerke ich:

Die Umsatzsteuerpflicht der genannten Verwertungsgeschäfte wird dazu führen, dass den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgern – anders als bisher – der uneingeschränkte Vorsteuerabzug nach § 15 UStG aus den Veräußerungskosten des Stroms und des Altpapiers zusteht, weil diese direkt den steuerpflichtigen Ausgangsumsätzen zugerechnet werden können.

Daneben steht den Entsorgungsträgern ein weiterer (anteiliger) Vorsteuerabzug aus den Kosten der Deponie- und Klärgasgewinnung sowie der Errichtung und dem Betrieb der KWK-Anlage zu, ggf. auch für Altanlagen über § 15a UStG (Rz. 63 des BMF-Schreibens vom 16. Dezember 2016). Je nach Nutzung der erzeugten Wärme und des erzeugten Stroms ist der Vorsteuerabzug analog § 15 Abs. 4 UStG auf den unternehmerisch verwendeten Teil zu begrenzen (vgl. hierzu das BMF-Schreiben vom 18. November 2022, BStBl 2022 I S. 1590). Es ist das Zuordnungsverbot nach § 15 Abs. 1 Satz 2 UStG zu beachten, das greift, wenn der Umfang der unternehmerischen Verwendung eines einheitlichen Gegenstands nicht mindestens 10 % erreicht.

Darüber hinaus berechtigt auch das Einsammeln und ggf. Sortieren der Abwässer, Bioabfälle usw. sowie des Altpapiers zumindest anteilig zum Vorsteuerabzug, weil die betreffenden Leistungsbezüge nicht nur der Erfüllung der hoheitlichen Entsorgungspflichten dienen, sondern anteilig auch in die Kosten für die unternehmerischen Verwertungsumsätze einfließen. Sofern keine hinreichenden Aufzeichnungen für die erforderliche Vorsteueraufteilung (siehe dazu Abschnitt 15.19 Abs. 3 UStAE) vorliegen, bestehen keine Bedenken, wenn nach Abschnitt 2.10 Abs. 6 UStAE verfahren und der Vorsteueraufteilung z. B. das Verhältnis der Verwertungserlöse zu den Gebühreneinnahmen des öffentlichen Entsorgungsbetriebes zugrunde gelegt wird. Auch insofern ist § 15 Abs. 1 Satz 2 UStG zu beachten.

Hinweis

Zu hoheitlichen Hilfsgeschäften vgl. USt-Kartei ND § 2b UStG S 7107 Karte 11.

Zur Anwendung des § 2b UStG bei öffentlichen Entsorgungsbetrieben, die ihre Leistungen unter Anschluss- und Benutzungszwang auf privatrechtlicher Grundlage erbringen, vgl. USt-Kartei ND § 2b UStG S 7107 Karte 7.

Die bisherige Karteikarte S 7107 Karte 9 zu § 2b UStG (Kontroll-Nr. 1488) ist durch diese Neufassung zu ersetzen.

Die Karteikarte S 7100 Karte 8 zu § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG (Kontroll-Nr. 816) bitte ich auszusondern.

Die Karteikarte S 7100 Karte 41 zu § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG (Kontroll-Nr. 1311) bitte ich auszusondern.

Im Fließtext der Karteikarte S 7107 Karte 1 zu § 2b UStG (Kontroll-Nr. 1531) ist die Jahreszahl „2023” durch die Jahreszahl „2025” zu ersetzen.

Im Fließtext der Karteikarte S 7107 Karte 4 zu § 2b UStG (Kontroll-Nr. 1541) ist das Datum „31. Dezember 2022” durch das Datum „31. Dezember 2024” zu ersetzen.

Im Fließtext der Karteikarte S 7107 Karte 7 zu § 2b UStG (Kontroll-Nr. 1532) ist die Jahreszahl „2023” durch die Jahreszahl „2025” zu ersetzen.

 

Normenkette

UStG § 2b

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