Entscheidungsstichwort (Thema)

Dingliche Haftung. Ermessen. Ermessensfehler. Grob fehlerhaft. Grundstück. Insolvenz. Insolvenzverwalter. Öffentliche Last. Persönliche Haftung. Voraussetzungen für die Durchsetzung eines gemeindlich festgesetzten Abgabeanspruchs durch Anmeldung im Insolvenzverfahren gegen den persönlichen Schuldner

 

Leitsatz (amtlich)

Versucht eine Gemeinde einen festgesetzten Abgabenanspruch zuerst durch Anmeldung im Insolvenzverfahren gegen den persönlichen Schuldner durchzusetzen und realisiert erst danach die ausgefallene Forderung durch Inanspruchnahme der als öffentliche Last auf dem Grundstück liegenden dinglichen Haftung mit einem Duldungsbescheid gegen den Grundstückseigentümer, liegt darin kein Ermessensfehlgebrauch.

 

Normenkette

AO § 191 Abs. 1, § 77 Abs. 2; HessKAG § 4; KAG HE § 4 Abs. 1; AO § 191 Abs. 1 S. 1

 

Verfahrensgang

Hessischer VGH (Entscheidung vom 04.06.1980; Aktenzeichen V OE 20/79)

VG Kassel (Beschluss vom 03.12.2009; Aktenzeichen 6 L 1757/08.KS)

 

Tenor

Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Kassel vom 3. Dezember 2009 – 6 L 1757/08.KS – mit Ausnahme der Streitwertfestsetzung abgeändert.

Der Antrag wird abgelehnt.

Die Antragstellerin hat die Kosten des gesamten Eilverfahrens getragen.

Der Wert des Streitgegenstandes wird auch für das Beschwerdeverfahren auf einen Betrag von 9.175,21 EUR festgesetzt.

 

Gründe

Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Kassel vom 3. Dezember 2009 ist zulässig und auch begründet. Im Gegensatz zum Verwaltungsgericht hat der Senat keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der gegenüber der Antragstellerin seitens der Antragsgegnerin erlassenen Duldungsbescheide, die es nach der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gemäß § 80 Abs. 5 VerwaltungsgerichtsordnungVwGO – entsprechend anzuwendenden Vorschrift des § 80 Abs. 4 Satz 3 VwGO rechtfertigen, den gesetzlich vorgesehenen Sofortvollzug auszusetzen.

Durch den angefochtenen Beschluss hat das Verwaltungsgericht auf Antrag der Antragstellerin – einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts – die Vollziehung der mit Widerspruch angefochtenen Bescheide der Antragsgegnerin – einer Stadt – vom 27. März 2008 und vom 15. April 2008, durch die die Antragstellerin verpflichtet wird, die Vollstreckung von Straßenausbaubeiträgen in die nunmehr in ihrem Eigentum stehenden Grundstücke Flur …, Flurstück …/6 und Flurstücke …/9 und …/3 zu dulden, ausgesetzt. Zur Begründung hat das Verwaltungsgericht ausgeführt, die Heranziehung der Antragstellerin sei ermessensfehlerhaft, da die Antragsgegnerin grob fahrlässig, im Nachlassinsolvenzverfahren keinen Duldungsbescheid gegenüber der Insolvenzverwalterin erlassen und die Absonderung der Grundstücke betrieben habe.

Diese Begründung hält der Senat – auch aufgrund des Vorbringens der Antragsgegnerin im Beschwerdeverfahren – nicht für durchgreifend.

Hinsichtlich des Vorliegens der Tatbestandsvoraussetzungen für den Erlass eines Duldungsbescheides gegenüber der Antragstellerin als Eigentümerin der Grundstücke gemäß § 4 Abs. 1 Nr. 2 c) und Nr. 4 b) Hessisches Kommunalabgabengesetz in Verbindung mit § 191 Abs. 1 Satz 1 und § 77 Abs. 2 AbgabenordnungAO – besteht zwischen den Beteiligten kein Streit. Die zu Grunde liegenden Heranziehungsbescheide gegen die frühere Eigentümerin sind bestandskräftig und die Ansprüche der Antragsgegnerin liegen unzweifelhaft als öffentliche Last auf den nunmehr im Eigentum der Antragstellerin stehenden Grundstücken. Allerdings steht der Erlass eines Duldungsbescheides gemäß § 191 Abs. 1 Satz 1 AO – darauf hat das Verwaltungsgericht zu Recht hingewiesen – im pflichtgemäßen Ermessen der Behörde. Entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts ist bei Erlass der Duldungsbescheide gegenüber der Antragstellerin ein Ermessensfehler der Antragsgegnerin allerdings nicht ersichtlich.

Richtig ist, dass grundsätzlich die Geltendmachung der dinglichen Haftung ermessensfehlerfrei nur in Betracht kommt, wenn ein Vorgehen gegen den persönlichen Schuldner nicht oder nur wenig erfolgversprechend erscheint. Hier hat die Antragsgegnerin – allerdings ohne Erfolg – versucht, die Befriedigung ihrer Ansprüche bei der persönlichen Schuldnerin durchzusetzen. Nach Abschluss eines von der persönlichen Schuldnerin eingeleiteten Eilverfahrens erlangte die Antragsgegnerin im Rahmen der eingeleiteten Mahnung von dem Nachlassinsolvenzverfahren Kenntnis. Dort hat sie versucht, mit Anmeldung ihrer Forderung Befriedigung aus dem Vermögen des persönlichen Schuldners zu erlangen. Die grundsätzlich nachrangige Inanspruchnahme der dinglichen Haftung hat sie allerdings nicht – was auch zulässig gewesen wäre (vgl. OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 14. März 2006 – 4 L 328/05 –, WM 2007, 1622) – bereits durch Erlass eines Duldungsbescheides gegen die Insolvenzverwalterin und Geltendmachung eines Absonderungsrechts nach § 49 InsO durchgesetzt, sondern nach Abwicklung des Insolvenzverfahrens durch Inanspruchnahme der ...

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