Die Finanzverwaltung hat sich nunmehr durch gleichlautenden Ländererlass vom 10.5.2022 (dort Tz. 8.1 bis Tz. 8.2) geäußert:

„Mit Übergang der Anteile (Closing) werden sowohl § 1 Absatz 2b GrEStG als auch § 1 Absatz 3 Nummer 2 oder 4 GrEStG verwirklicht. Ändert sich der Gesellschafterbestand einer grundbesitzenden Kapitalgesellschaft im Nachgang eines schuldrechtlichen Verpflichtungsgeschäfts (Signing), fallen die Besteuerungszeitpunkte des § 1 Absatz 2b GrEStG und des § 1 Absatz 3 Nummer 1 oder 3 GrEStG auseinander: Während mit Abschluss des schuldrechtlichen Verpflichtungsgeschäfts (Signing) § 1 Absatz 3 Nummer 1 und 3 GrEStG verwirklicht wird, wird der Tatbestand des § 1 Absatz 2b GrEStG erfüllt, wenn es zum Übergang des Anteils (Closing) an der Kapitalgesellschaft kommt. Die beiden Rechtsvorgänge (Signing und Closing) stellen zwei grunderwerbsteuerrechtliche Vorgänge dar.

Im Zeitpunkt des Signing erfolgt eine Festsetzung nach § 1 Absatz 3 Nummer 1 oder 3 GrEStG. Im Zeitpunkt des Closing erfolgt eine Festsetzung nach § 1 Absatz 2b GrEStG und die Festsetzung nach § 1 Absatz 3 Nummer 1 oder 3 GrEStG (im Zeitpunkt des Signing) ist bei Grundstücksidentität aufzuheben oder zu ändern. Eine Festsetzung nach § 1 Absatz 3 GrEStG ist grundsätzlich nur in den Fällen geboten, in denen bis zu einem Jahr nach Kenntnisnahme der Finanzverwaltung von dem steuerbegründenden Sachverhalt eine Besteuerung nach § 1 Absatz 2b GrEStG nicht zu erwarten ist. Zudem muss der Grundstücksbestand im Zeitpunkt des Closing und Signing identisch sein.”[10]

Beraterhinweis Es handelt sich bei diesen Regelungen inhaltlich um Billigkeitsbestimmungen. Ob diese Regelung einer Prüfung des BFH standhält, bleibt abzuwarten. Beispielsweise in der Entscheidung zum Sanierungserlass hat der BFH[11] mit Verweis auf den Vorrang des Gesetzes die Absage an eine Verwaltungspraxis erteilt, abstrakt-generell einen steuerlichen Erlass zu gewähren und sich insoweit de facto zum Gesetzgeber aufzuschwingen. Gerichte sind grundsätzlich nicht an Erlasse der Finanzverwaltung gebunden.

[10] Weiterführend: Behrens/Wagner/Krohn, DB 2022, 1667 ff. Vorsorglich ggf. Anzeige nach § 19 GrEStG sowohl beim Signing als auch beim Closing.
[11] BFH v. 28.11.2016 – GrS 1/15, BStBl. II 2017, 393 = GmbH-StB 2017, 98 (Siebenhüter).

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