Leitsatz

Der Aussteller einer Rechnung schuldet die zu Unrecht ausgewiesene Umsatzsteuer nach § 14 Abs. 3 UStG bis zur Berichtigung der Rechnung auch dann, wenn er bei Ausstellung der Rechnung nicht geschäftsfähig war (Änderung der Rechtsprechung, vgl. BFH, Urteil vom 21.2.1980, V R 146/73, BStBl II 1980, 283).

 

Normenkette

§ 14 Abs. 3 UStG

 

Sachverhalt

Der Kläger (Kleinunternehmer, der nicht optiert hatte) stellte 1994 eine Rechnung über Beratungsleistungen an eine GmbH mit ausgewiesener Umsatzsteuer aus. Er wandte sich gegen die Inanspruchnahme nach § 14 Abs. 3 UStG unter Hinweis auf ein in einem strafrechtlichen Verfahren erstattetes Gutachten, wonach er "für den Zeitraum 1983 bis 1995""mit hoher Wahrscheinlichkeit" geschäftsunfähig (§ 104 Abs. 2 BGB) gewesen sei.

Das FG (EFG 2002, 359) meinte, der Kläger schulde die Umsatzsteuer unabhängig von seiner Geschäftsunfähigkeit. Den Rechnungsbetrag habe er bei Ausstellung der Rechnung bereits erhalten. Die Rechnung sei ein Realakt, weil sie beim Empfänger selbst unmittelbar keine Rechtsfolgen auslöse. § 104 sei nicht anwendbar. Außerdem habe er gegenüber der Empfängerin die Geschäftsunfähigkeit nicht geltend gemacht.

 

Entscheidung

Der BFH bestätigte im Ergebnis das FG. Ob der Kläger im Zeitpunkt der Ausstellung der Rechnung im Streitjahr geschäftsfähig war, war deshalb nicht entscheidungserheblich, weil der Kläger die Rechnung bis zum Schluss der Tatsacheninstanz und damit auch im Streitjahr nicht berichtigt hatte.

 

Hinweis

Nach § 14 Abs. 3 Satz 1 UStG schuldet die in einer Rechnung ausgewiesene Umsatzsteuer, wer

  • zum gesonderten Ausweis der Steuer nicht berechtigt ist,
  • einen Steuerbetrag gesondert ausweist, obwohl er nicht Unternehmer ist, oder eine Lieferung oder sonstige Leistung nicht ausführt. Art. 21 Nr. 1 Buchst. c der 6. EG-RL sagt das einfacher: Danach schuldet "jede Person, die die Mehrwertsteuer in einer Rechnung oder einem ähnlichen Dokument ausweist", diese Steuer.

Beachten Sie:§ 14 Abs. 3 UStG greift nur ein, wenn die Urkunde nach ihrem Inhalt zum Vorsteuerabzug geeignet ist, d.h. alle insoweit erforderlichen Angaben enthält (BFH, Urteil vom 18.1.2001, V R 83/97, BFH-PR 2001, 190).

Beide Regelungen dienen der Verhinderung von Missbräuchen durch Ausstellung von Rechnungen mit offenem Steuerausweis. Ist aber die Gefährdung des Steueraufkommens nicht eingetreten oder vollständig beseitigt worden, darf auch in den Fällen des § 14 Abs. 3 UStG die entsprechende Rechnung berichtigt werden. Ist die Rückabwicklung des gewährten Steuerabzugs nicht mehr möglich, ist eine Rechnungsberichtigung nur zu berücksichtigen, wenn der Aussteller bei der Ausstellung in gutem Glauben war (z.B. BFH, Urteil vom 17.5.2001, V R 77/99, BFH-PR 2001, 345).

In der im Leitsatz zitierten Entscheidung hatte der BFH "Haftung" nach § 14 Abs. 3 UStG verneint, wenn sich der Aussteller nachweislich im Zeitpunkt der Ausstellung der Rechnung in einem die freie Willensentschließung ausschließenden Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit (§ 104 Nr. 2 BGB) befunden hat, denn zivilrechtlich ist selbst für Realakte, durch die eine "Haftung" begründet wird, § 104 Nr. 2 BGB entsprechend anwendbar. Rechtsfolge der Anwendbarkeit der Regeln über die Geschäftsfähigkeit ist zivilrechtlich zwar die Unwirksamkeit des Rechtsgeschäfts; steuerrechtlich ist dies jedoch unbeachtlich, solange und soweit die Beteiligten das wirtschaftliche Ergebnis dieses Rechtsgeschäfts gleichwohl eintreten oder bestehen lassen (§ 41 AO).

Kann das wirtschaftliche Ergebnis einer Erklärung oder Handlung rückgängig gemacht werden, sei es durch den gesetzlichen Vertreter (vgl. § 34 Abs. 1 AO) oder – bei nur vorübergehender Geschäftsunfähigkeit – ggf. nach (Wieder-)Erlangung der Geschäftsfähigkeit durch den inzwischen Geschäftsfähigen selbst, ist die Unwirksamkeit steuerrechtlich unbeachtlich.

Nach neuerer Rechtsprechung – die im Urteil in BStBl II 1980, 283 noch nicht berücksichtigt war – kann auch die nach § 14 Abs. 3 UStG zu Unrecht in Rechnung gestellte Umsatzsteuer berichtigt werden, wenn der Vorsteuerabzug beim Leistungsempfänger rückgängig gemacht worden ist. Wird die Rechnung erst in einem späteren Besteuerungszeitraum berichtigt, entfällt der Steueranspruch jedoch nicht rückwirkend, sondern erst in dem Besteuerungszeitraum der Berichtigung bzw. Rückgabe der Rechnungen.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 30.1.2003, V R 98/01

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