Rz. 505

Durch die Neufassung von § 6 Abs. 1 Nr. 3 durch das StEntlG 1999/2000/2002 v. 24.3.1999[1] sind Verbindlichkeiten grundsätzlich abzuzinsen. Vgl. hierzu Schulze-Osterloh, BB 2003, 351.

Ausgenommen sind

  • Verbindlichkeiten mit einer Laufzeit von weniger als 12 Monaten am Bilanzstichtag
  • verzinsliche Verbindlichkeiten
  • Verbindlichkeiten aus Anzahlungen oder Vorausleistungen.

Abzuzinsen sind somit unverzinsliche Verbindlichkeiten mit einer Restlaufzeit von mehr als 12 Monaten, die nicht aus Anzahlungen oder Vorausleistungen herrühren.

Von der Regelung werden nicht nur Geldschulden, sondern auch andere Verbindlichkeiten, insbesondere Sachleistungsverpflichtungen, erfasst.[2]

Zur Abzinsung von Verbindlichkeiten hat BMF v. 26.5.2005, IV B 2 – S 2175 – 7/05, BStBl I 2005, 699, Rz. 3–23 eingehend Stellung genommen. Vgl. auch § 6 Rz. 364ff.

 

Rz. 506

Unverzinslich ist eine Verbindlichkeit, wenn der Schuldner dem Gläubiger kein Entgelt für die zeitweise Überlassung des Kapitals schuldet. Das Entgelt kann in Zinsen, aber auch in einem Damnum oder in Abschluss- und Bearbeitungsgebühren bestehen. Denn aus der (für die Beurteilung des Entgeltscharakters wesentlichen) Sicht des Schuldners sind alle Zahlungen, die er neben der Rückzahlung des Verfügungsbetrags zu leisten hat, Gegenleistungen für die Zurverfügungstellung des Kapitals, auch wenn etwa die Bearbeitungsgebühr für den Gläubiger den Charakter eines Kostenersatzes für die erforderliche Bearbeitung des Darlehens hat.

Eine bestimmte Mindesthöhe der Verzinsung wird nicht gefordert. Auch eine minimale Verzinsung oder die Vereinbarung einer geringen Bearbeitungsgebühr dürfte Verzinslichkeit zur Folge haben und damit die Abzinsung verhindern. Damit kann in der Praxis durch Vereinbarung einer Minimalverzinsung die Abzinsungsverpflichtung vermieden werden.[3]

 

Rz. 507

Verbindlichkeiten ohne Laufzeit können nicht abgezinst werden. Abzinsung erfordert die Kenntnis, wann (frühestens) zu erfüllen ist. Ohne hinausgeschobene Fälligkeit kann es keine Abzinsung geben. Die Wahrscheinlichkeit, dass der Gläubiger die Leistung erst in späterer Zukunft einfordern wird, etwa weil er bereits längere Zeit stillgehalten hat oder die Existenz der Forderung noch nicht wahrgenommen hat o. Ä., genügt nicht. Kann allerdings die Verbindlichkeit mit Sicherheit nicht vor einem bestimmten Zeitpunkt eingefordert werden, so hat sie eine durch diesen Zeitpunkt bestimmte Laufzeit, auch wenn nicht sicher ist, ob sie in diesem Zeitpunkt tatsächlich fällig wird.

 

Rz. 508

Als Verbindlichkeiten aus Anzahlungen hat der Sachleistungsverpflichtete die vom Käufer/Besteller vor Ausführung der Leistung erhaltenen Gegenleistungen auszuweisen. Die Passivierung dient der Gewinnneutralisierung des vorzeitigen Geldzuflusses nach den Grundsätzen des schwebenden Geschäfts (Rz. 79ff). Sie sind nicht abzuzinsen.

Mit dem Begriff "Verbindlichkeiten aus Vorausleistungen" sind offenbar Vorauszahlungen auf andere Verpflichtungen als solche aus Leistungsaustausch-Verträgen gemeint, z. B. Vorauszahlungen auf Erschließungsbeiträge[4], auf Ausbaubeiträge.[5] Verbindlichkeiten dieser Art haben i. d. R. keine "Laufzeit". Sie würden somit auch ohne gesonderte Erwähnung nicht in den Anwendungsbereich der Norm fallen.

 

Rz. 509

Probleme entstehen, wenn die Fälligkeit einer Verbindlichkeit, die zunächst fällig war und dementsprechend mit dem Nennwert bilanziert wurde, durch Vereinbarung mit dem Gläubiger längerfristig gestundet wird. Solche Fälle dürften in der Praxis nicht selten vorkommen, insbesondere wenn der Gläubiger dem in Zahlungsschwierigkeiten geratenen Schuldner Stundung gewährt oder ein Moratorium vereinbart wird. Auch in diesen Fällen müsste nach dem Gesetzeswortlaut abgezinst werden, wenn die Stundung zinslos erfolgt und eine Restlaufzeit von mindestens 12 Monaten am Bilanzstichtag des Schuldners besteht. Damit würde jedoch ein nicht verwirklichter Gewinn ausgewiesen. Das verstößt gegen das Realisationsprinzip (Rz. 66), weil mit dem Hinausschieben der Fälligkeit einer Verbindlichkeit kein Gewinn realisiert wird. Denn einerseits ist die der Abzinsung zugrunde liegende Annahme, der Unternehmer benötige zur Erfüllung der Verbindlichkeit einen um die Abzinsung geringeren Betrag, weil er diesen verzinslich anlegen könne und deshalb bei Fälligkeit nicht nur den abgezinsten Betrag, sondern auch die erwirtschafteten Zinsen zur Verfügung habe, in der Praxis unzutreffend, wenn keine verfügbare Liquidität vorhanden ist; andererseits kommt es zu einer doppelten Gewinnerfassung, wenn tatsächlich das zur Erfüllung der Verbindlichkeit vorhandene Kapital zur Anlage zur Verfügung steht und Zinserträge erwirtschaftet, denn dann trifft der Mehrgewinn aus der Zinsanlage mit dem Mehrgewinn aus der Abzinsung der Verbindlichkeit zusammen – ganz abgesehen davon, dass unter der Annahme, es würden tatsächlich Zinsgewinne durch das freiwerdende Kapital erwirtschaftet, der gesetzlich vorgesehene Abzinsungssatz von 5,5 % unter Berücksichtigung der Steuerpflicht di...

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