Keine Abzinsung einer aufschiebend bedingten Last
Hintergrund: Bedingte Rentenverpflichtung
A war die Ehefrau des in 2016 verstorbenen O (Schenker) und ist dessen Gesamtrechtsnachfolgerin. O übertrug in 2004 seinen Anteil an einer KG im Wege der Schenkung unter Nießbrauchsvorbehalt auf die gemeinsame Tochter T (Beschenkte). Nach seinem Tod war T verpflichtet, an A zu Lasten des KG-Anteils monatlich 4.000 EUR zu zahlen. O übernahm die SchenkSt.
Das FA setzte in 2020 gegenüber O SchenkSt fest, wobei die Rentenverpflichtung der T gegenüber der A nicht mindernd berücksichtigt wurde.
Nach dem Tod des O beantragte die A als Gesamtrechtsnachfolgerin, die SchenkSt-Festsetzung aus 2010 anzupassen und die von der T an sie zu entrichtende Rentenlast nunmehr auf den Todestag des O (2016) zu kapitalisieren und in dieser Höhe (385.632 EUR) als Verbindlichkeit steuermindernd zu berücksichtigen.
Das FA berücksichtigte die Rentenlast dagegen lediglich mit 213.100 EUR. Es vertrat die Auffassung, die zum Todestag des O bestehende Verpflichtung (385.632 EUR) sei auf den Tag der Schenkung (2004) abzuzinsen. Dadurch werde der Zinsvorteil abgegolten, den die A durch die erst später mit Bedingungseintritt (Tod des O in 2016) beginnende Belastung habe. Dem folgte das FG und wies die Klage ab.
Entscheidung: Keine Abzinsung für die Zeit zwischen Rechtsgeschäft und Bedingungseintritt
Der BFH widerspricht dem FA und dem FG. Der Wert der Rentenverbindlichkeit der T ist mit dem zum Zeitpunkt des Bedingungseintritts (2016) geltenden Vervielfältiger zu ermitteln. Eine Abzinsung kommt nicht in Betracht.
Eintritt der Bedingung als Berechnungszeitpunkt
Nach § 12 Abs. 1 ErbStG i.V.m. § 6 Abs. 1 BewG werden Lasten, deren Entstehung vom Eintritt einer aufschiebenden Bedingung abhängt, bei der Ermittlung des steuerpflichtigen Erwerbs nicht berücksichtigt. Tritt die Bedingung ein, ist nach § 6 Abs. 2 i.V.m. § 5 Abs. 2 Satz 1 BewG die Festsetzung der SchenkSt auf Antrag nach dem tatsächlichen Wert des Erwerbs zu berichtigen. Die abzugsfähigen Verbindlichkeiten sind mit ihrem nach § 12 ErbStG zu ermittelnden Wert abzuziehen. Nach § 14 Abs. 1 Satz 1 BewG ist der Kapitalwert von lebenslänglichen Nutzungen und Leistungen mit dem Vielfachen des Jahreswerts anzusetzen. Der Vervielfältiger ist nach der Sterbetafel des Statistischen Bundesamtes zu ermitteln (§ 14 Abs. 1 Satz 2 BewG). Eine bedingte Last ist auf den Zeitpunkt des Bedingungseintritts zu bewerten (BFH v. 27.6.2006, II B 162/05, BFH/NV 2006, 1845). Zugrunde zu legen ist der bei Bedingungseintritt geltende Vervielfältiger nach § 14 Abs. 1 BewG. Hiervon ausgehend hat das FA zutreffend den Wert mit 385.642 EUR angesetzt.
Keine Abzinsung bei nicht bestimmter Fälligkeit
Der Kapitalwert ist für den Zeitraum des Schwebezustands (Schenkung in 2004 bis zum Todestag 2016) nicht nach § 12 Abs. 3 BewG abzuzinsen. Die Regelung beruht darauf, dass bei identischem Nominalbetrag eine auf Jahre gestundete Forderung einen niedrigeren gegenwärtigen Wert hat als die sofort fällige Forderung (BFH v. 22.8.2018, II R 51/15, BStBl II 2020, 662, Rz 20). Durch die Abzinsung soll berücksichtigt werden, dass eine Verpflichtung nicht zeitnah, sondern erst in fernerer Zukunft zu erfüllen ist und damit der zu ihrer Erfüllung erforderliche Aufwand zeitversetzt anfällt (BFH-Urteil v. 17.3.2004, II R 76/00, BFH/NV 2004, 1072). Allerdings ergibt sich aus § 12 Abs. 1 ErbStG i.V.m. § 12 Abs. 3 BewG, dass noch nicht fällige Forderungen nur dann sofort mit ihrem abgezinsten Wert anzusetzen sind, wenn die Fälligkeit zu einem bestimmten (feststehenden) Zeitpunkt eintritt. Ist ein bestimmter Fälligkeitszeitpunkt nicht festgelegt, fehlt es dementsprechend auch an einer Berechnungs- oder Schätzungsgrundlage für eine Abzinsung oder für den Ansatz eines niedrigeren Werts als des Nennwerts.
Aufhebung des FG-Urteils
Während des Schwebezustands zwischen der Schenkung (2004) und dem Eintritt der Bedingung (2016) fehlt es an einer Forderung, die abgezinst werden könnte. Mit Eintritt der Bedingung ist die Forderung erstmals zu berücksichtigen. Sie ist gleichzeitig aber auch fällig und nicht mehr gestundet. Das bedeutet, dass weder im Zeitpunkt der gemischten Schenkung (mangels bestimmten Fälligkeitszeitpunkts einer noch nicht existenten Verpflichtung) noch im Zeitpunkt des Bedingungseintritts (mangels mehr als einjähriger Laufzeit einer zinslos gestundeten Forderung) die Tatbestandsvoraussetzungen einer Abzinsung nach § 12 Abs. 3 BewG erfüllt sind. Auch der Regelungszweck des § 12 Abs. 3 BewG erfordert keinen abgezinsten Ansatz der Last. Zwar mag der Nominalbetrag der Last im Bedingungszeitpunkt einen niedrigeren Wert haben, als er ihr im Zeitpunkt der gemischten Schenkung zuzumessen gewesen wäre, jedoch ist die Verminderung der Belastung aufgrund Zeitablaufs bereits durch die Kapitalisierung mit einem geringeren Vervielfältiger berücksichtigt.
Hinweis: Abkehr von bisheriger Rechtsprechung
Der BFH hat in zwei Entscheidungen (BFH v. 27.6.2006, II B 162/05, BFH/NV 2006, Rz. 7; BFH v. 27.8.2008, II R 19/07, BFH/NV 2009, 29, Rz. 17) die Abzinsung bedingter Lasten nicht weiter erörtert. In dem aktuellen Urteil weist der BFH darauf hin, er halte, soweit sich aus diesen Entscheidungen etwas anderes ergebe, hieran nicht mehr fest.
BFH Urteil vom 15.07.2021 - II R 26/19 (veröffentlicht am 25.11.2021)
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