Rz. 84

Ist der Schuldner der Kapitalerträge vorübergehend zur Zahlung des Kapitalertrags nicht in der Lage und haben Gläubiger und Schuldner der Kapitalerträge vor dem Zufließen ausdrücklich eine Stundung des Kapitalertrags vereinbart, dann ist der Steuerabzug erst mit Ablauf der Stundungsfrist vorzunehmen.

 

Rz. 85

Eine Stundungsvereinbarung verschafft dem Schuldner der Kapitalerträge somit eine Erleichterung in den Fällen, in denen der Zeitpunkt des Zuflusses der Kapitalerträge und demzufolge der Entstehungszeitpunkt der KapESt vor der tatsächlichen Auszahlung liegt, wie z. B. im Fall des § 44 Abs. 3 EStG, wenn die Gewinnanteile des stillen Gesellschafters spätestens sechs Monate nach Ablauf des Wirtschaftsjahrs, für das die Gewinnanteile gezahlt oder gutgeschrieben werden sollen, als zugeflossen gelten (Rz. 79ff.).[1]

 

Rz. 86

Der Zahlungsaufschub durch die Stundungsvereinbarung bedeutet aber nicht, dass der Steuerabzug "mit Ablauf der Stundungsfrist" unabhängig davon zu erfolgen hat, ob der Kapitalertrag zu diesem Zeitpunkt dem Gläubiger der Kapitalerträge auch tatsächlich zufließt oder nicht.

Auch im Fall der Stundung ist der Steuerabzug vom Kapitalertrag erst dann vorzunehmen, wenn dem Gläubiger die Kapitalerträge zufließen (Rz. 61), d. h. in dem Zeitpunkt, in dem der Gläubiger tatsächlich die wirtschaftliche Verfügungsmacht über den Kapitalertrag erlangt (vgl. § 11 EStG Rz. 70 Stichwort "Stundung").

 

Rz. 87

Trotz Gutschrift in den Büchern des Schuldners der Kapitalerträge ist ein Zufluss beim Gläubiger dann nicht anzunehmen, wenn wegen der vorübergehenden Zahlungsunfähigkeit die Gutschrift nur das buchmäßige Festhalten einer Schuldverpflichtung darstellt, diese Gutschrift aber nicht gleichzeitig zum Ausdruck bringt, dass der Betrag dem Berechtigten von nun an zur Verwendung zur Verfügung steht.[2]

 

Rz. 88

Bleibt die Schuld im Interesse des nicht zahlungsfähigen Schuldners bestehen, dann führt weder eine Verzinsung des gestundeten Betrags noch eine Schuldumschaffung (z. B. die Vereinbarung, dass der gestundete Betrag nunmehr als verzinsliches Darlehen behandelt werden soll) zum Zufluss. Wirtschaftlich gesehen liegt trotz der Schuldumschaffung (Novation) lediglich eine Stundung der ursprünglichen Schuld vor. Es handelt sich hierbei um eine modifizierte Stundungsvereinbarung.[3]

In der bloßen Buchung von Gewinnanteilen auf Darlehenskonten der Gesellschafter liegt für sich genommen noch kein tatsächlicher Abfluss der Dividende bei der Kapitalgesellschaft und führt somit auch noch nicht zum Zufluss beim Gesellschafter.

 

Rz. 89

Werden allerdings mit der Gutschrift besondere eigene Zwecke des Gläubigers verfolgt, z. B. die Umwandlung des Gewinnanteils in eine verzinsliche Forderung oder in eine Kapitaleinlage oder eine Kapitaleinlageerhöhung, dann liegt keine Stundung vor, vielmehr ist dann mit der Gutschrift der Kapitalertrag dem Gläubiger zugeflossen.[4]

 

Rz. 90

So unterliegen die Gewinnanteile des stillen Gesellschafters auch dann dem Steuerabzug vom Kapitalertrag, wenn sie dazu verwendet werden, seine durch Verlust geminderte Einlage wieder aufzufüllen (vgl. § 20 EStG a. F. Rz. 110). Diese Gewinnanteile fließen dem stillen Gesellschafter mit der Gutschrift auf seinem Einlagekonto zu, obwohl er darüber nicht verfügen kann. Die Gutschrift ist der abgekürzte Weg anstelle der Auszahlung des gutgeschriebenen Betrags und dessen Wiedereinzahlung zur Gutschrift auf dem Einlagekonto.[5]

 

Rz. 91

Die Stundung des Kapitalertrags darf andererseits nicht etwa deshalb erfolgen, weil eine Stundung im Interesse des Gläubigers der Kapitalerträge liegt, so z. B. weil er aus steuerlichen Gründen die Kapitalerträge erst in einem späteren Vz als Einnahmen beziehen möchte. In einem solchen Fall wäre ihm der Kapitalertrag dennoch zugeflossen.

[2] BFH v. 9.4.1968, IV 267/64, BStBl II 1968, 525 zur Gutschrift bereits verdienter und fälliger Provisionen eines Versicherungsvertreters in den Büchern des Versicherungsunternehmens; BFH v. 14.5.1982, VI R 124/77, BStBl II 1982, 469 zu Gutschriften beim Arbeitgeber zugunsten des Arbeitnehmers aufgrund eines Gewinnbeteiligungs- und Vermögensbildungsmodells.
[3] BFH v. 14.2.1984, VIII R 221/80, BStBl II 1984, 480 zum Zufluss nicht ausgezahlter Zinszahlungsschulden einer GmbH an die Gesellschafter der GmbH.
[4] RFH v. 23.6.1931, I A 446/30, RStBl 1931, 643; BFH v. 18.7.1990, I R 173/87, BFH/NV 1991, 190.

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