Leitsatz (amtlich)

Bereits verdiente und fällige Provisionen sind einem Versicherungsvertreter, der seinen Gewinn nach § 4 Abs. 3 EStG ermittelt, auch insoweit mit der Gutschrift in den Büchern des Versicherungsunternehmens zugeflossen, als die Gutschrift auf einem Rücklagekonto zur Sicherung von Gegenforderungen des Versicherungsunternehmens erfolgt.

 

Normenkette

EStG 1958 § 4 Abs. 3, § 11 Abs. 1

 

Tatbestand

Streitig ist, ob dem Revisionsbeklagten (Steuerpflichtigen), einem selbständigen Versicherungsvertreter mit Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG, in den Streitjahren auf Stornorücklagekonto der Versicherungsgesellschaft gutgeschriebene Provisionsanteile, und zwar für 1959 1 121 DM, für 1960 3 347 DM, für 1961 532 DM, zugeflossen sind.

Nach § 2 Abs. 2 der Anlage zum maßgeblichen Bezirksvertretervertrag vom 29. Oktober 1959 entsteht der Anspruch auf Provision, sobald der Versicherungsnehmer Beiträge gezahlt hat, aus denen sich die Provision nach dem Vertragsverhältnis berechnet. Ebenso müssen zu diesem Zeitpunkt die Aufnahme- und Versicherungsscheingebühr und der Geschäftsunkostenanteil durch Beitragszahlung gedeckt sein. Liegen diese Voraussetzungen vor, so ist die Provision verdient und zur Auszahlung fällig. Nach § 3 Abs. 1 der genannten Anlage können vermittelte Neuanträge bevorschußt werden. Nach § 3 Abs. 3 der Anlage wird von der vereinbarten Provision jeweils ein von dem Unternehmen zu bestimmender Prozentsatz zugunsten einer Sicherheitsrücklage unstreitig nur bis zur Höhe der insgesamt streitigen 5 000 DM gebildet. Während der Dauer des Vertragsverhältnisses und solange irgendwelche Verbindlichkeiten gegenüber dem Unternehmen bestehen oder Stornoanfälle zu erwarten sind, kann der Vertreter nur mit Zustimmung der Gesellschaft über die Sicherheitsrücklage verfügen. Beim Ausscheiden des Vertreters wird die Sicherheitsrücklage nach Ablauf von 18 Monaten unter Abzug sämtlicher Forderungen der Gesellschaft ausbezahlt. Nach § 4 der Anlage wird über die Provision monatlich abgerechnet. Die Abrechnung erfolgt durch Überlassung eines Auszugs aus dem Provisionskonto für den Abrechnungszeitraum unter Beifügung der entsprechenden Buchungsnoten.

Nach den Grundsätzen dieser Vertragsbestimmungen wurde verfahren. Die verdienten und fälligen Provisionen wurden dem Steuerpflichtigen auf seinem Provisionskonto gutgeschrieben, davon wurden sodann 10 Prozent belastet und dem Stornorücklagekonto gutgeschrieben. Im Gegensatz zur Auffassung des Steuerpflichtigen, der die auf Rücklagekonto gutgeschriebenen Beträge nicht als zugeflossen angesehen wissen will, rechnete das FA sie den steuerpflichtigen Einnahmen des Steuerpflichtigen für die Streitjahre hinzu.

Die Sprungberufung des Steuerpflichtigen hatte Erfolg. Das FG lehnte ein Zufließen ab, weil der Steuerpflichtige über die Beträge nicht einseitig etwa durch Abhebung habe verfügen können. Zwar könne auch in der Gutschrift der Provision ein Zufluß liegen, wie dies auch für diejenigen Gutschriften der Fall sei, über die der Steuerpflichtige frei verfügen könne. Es komme bei der Gutschrift aber darauf an, in wessen Interesse keine Auszahlung vorgenommen worden sei (vgl. hierzu Urteil des BFH IV 86/52 U vom 19. Juni 1952, BFH 57, 434, BStBl III 1953, 170, für das Zufließen gutgeschriebener Löhne). Hier sei die Gutschrift im Interesse des Versicherungsunternehmens erfolgt, das sich durch die Gutschrift auf dem Stornorücklagekonto für etwaige Ansprüche, insbesondere Rückzahlungsansprüche bevorschußter noch nicht fälliger Provisionen habe absichern wollen.

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Die seit dem Inkrafttreten der FGO am 1. Januar 1966 als Revision zu behandelnde Rb. des FA führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage.

Der Steuerpflichtige ermittelte seinen Gewinn nach § 4 Abs. 3 EStG. Nach § 11 Abs. 1 Satz 1 EStG sind daher die Provisionen innerhalb des Kalenderjahres bezogen, in dem sie ihm zuflossen. Zugeflossen aber sind einem Steuerpflichtigen nach der ständigen Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs (RFH) und des BFH Einnahmen, sobald er über sie wirtschaftlich verfügen kann oder verfügt hat. Zugeflossen sind hiernach nicht nur Bareinnahmen oder Einnahmen, die dem Steuerpflichtigen auf ein ihm gehörendes Bankkonto überwiesen wurden, sondern u. U. auch Einnahmen, die ihm der Verpflichtete in seinen Büchern am Fälligkeitstag gutschrieb. Zufließen bedeutet eine Gutschrift dann, wenn sie nicht nur das buchmäßige Festhalten einer Schuldverpflichtung darstellt, sondern darüber hinaus zum Ausdruck bringt, daß der Betrag dem Berechtigten von nun an zur Verwendung zur Verfügung steht. Dabei muß in der Regel das letztere angenommen werden, wenn nicht besondere Umstände dagegen sprechen. Solche Umstände nahm die Rechtsprechung an, wenn der Verpflichtete nicht in der Lage war, den Betrag an den Berechtigten zu zahlen (vgl. hierzu Urteile des BFH IV 86/52 U vom 19. Juni 1952, a. a. O.; VI 265/62 vom 13. Mai 1964, Steuerrechtsprechung in Karteiform, Einkommensteuergesetz, § 11, Rechtsspruch 55; IV 213/64 U vom 11. Februar 1965, BFH 82, 440, BStBl III 1965, 407). Diese Auffassung ist unter dem Gesichtspunkt gerechtfertigt, daß ein Steuerpflichtiger, dem auf Grund seiner Leistungen eine bereits fällige Vergütung zusteht, auch möglichst zeitnah zur Einkommensteuer aus dieser Vergütung herangezogen wird.

Bei Zugrundelegung dieser Rechtsauffassung kann dem FG nicht zugestimmt werden. Die Provisionsanteile hatte der Steuerpflichtige im Zeitpunkt der Gutschriften bereits verdient, sie waren auch fällig. Die Umbuchung der gutgeschriebenen Beträge auf ein Stornorücklagekonto erfolgte auf Grund einer generellen Vertragsvereinbarung, nach welcher der Steuerpflichtige mit einer bestimmten Verwendung der bereits verdienten und fälligen Provisionseinnahmen einverstanden war. Er verfügte über die Beträge, indem er sie der Versicherungsgesellschaft überließ, damit sich diese an ihnen wegen bestehender Ansprüche aus dem Vertragsverhältnis gegebenenfalls schadlos halten könne. Hierin liegt eine Vorausverfügung des Steuerpflichtigen, die nicht anders behandelt werden kann, als wenn dieser die Provision tatsächlich ausgezahlt bekommen und zugunsten der Versicherungsgesellschaft auf ein Sperrkonto wieder eingezahlt hätte. Der Fall ist den vom RFH in seinen Urteilen VI A 750/28 vom 31. Oktober 1928, RStBl 1929, 36, und VI A 717/31 vom 20. Mai 1931, Sammlung der Entscheidungen des Reichsfinanzhofs Bd. 28 S. 336 (Steuer und Wirtschaft 1931 Nr. 780) entschiedenen Fällen vergleichbar. In diesen Fällen lagen zwar noch weitere Umstände vor, die für eine Anlage der zurückgehaltenen Beträge durch den Berechtigten im Betrieb des Verpflichteten sprachen, so Verzinsung und im letztgenannten Fall das Recht des Steuerpflichtigen, die Beträge in sichere Wertpapiere umwandeln zu lassen, über die er aber ebenfalls nicht verfügen konnte. Nach Auffassung des Senats sind diese Umstände jedoch nicht Voraussetzung für die Annahme eines Zuflusses derart festgelegter Beträge, sondern nur ein zusätzliches Indiz, das im besonderen Maße dazu Veranlassung gibt, die Sache so anzusehen, als habe der Steuerpflichtige die ihm zugeflossenen Beträge bei einer Bank unter Bedingungen festgelegt, wie sie zwischen ihm und dem Zahlungsverpflichteten vereinbart wurden. Im Streitfall kommt hinzu, daß die zurückbehaltenen Provisionen der Sicherung aller möglichen Ansprüche der Gesellschaft gegen den Steuerpflichtigen dienen sollten und eine Begrenzung vertraglich weder der Höhe nach noch im Hinblick auf das zeitliche Bestehen der einmal gebildeten Stornorücklage während der Dauer des Vertragsverhältnisses vorgesehen war. Die hierin liegende Möglichkeit, den Zeitpunkt des Zuflusses verdienter und fälliger Provisionen nach Belieben hinauszuschieben, kann steuerlich nicht anerkannt werden. Wirtschaftlich liegt ganz allgemein in dem Einverständnis des Entgeltsberechtigten zu einer solchen Maßnahme des Entgeltsverpflichteten im Vertrag oder auch im Einzelfall eine Verfügung über die bereits verdiente und fällige Provision. Hierbei ist es gleichgültig, wie man die Sache bürgerlich-rechtlich auffaßt, ob als Hinausschiebung der Fälligkeit, als Stundung oder aber als Umwandlung in eine Kautionsforderung. Auch wenn man annehmen müßte, es handle sich um eine Hinausschiebung der Fälligkeit, so ist doch zu berücksichtigen, daß nicht eine generelle Fälligkeitsregelung für die gesamte Provision oder aber für bestimmte Gruppen von Provisionen, sondern eine Einbehaltung durch den Schuldner aus einem außerhalb der Provisionszahlung liegenden Zweck vorliegt. Das ist entscheidend. Vgl. auch das nicht veröffentlichte Urteil des BFH VI R 103/66 vom 2. Dezember 1966 über die Bejahung des Zuflusses einer Arbeitnehmertantieme, deren Stehenbleiben für drei Jahre von vornherein vertraglich vereinbart war. Es liegt demnach auch hier Einkommensverwendung durch den Steuerpflichtigen vor.

Vorinstanz:

 

Fundstellen

Haufe-Index 557472

BStBl II 1968, 525

BFHE 1968, 221

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