4.1 Steuerabzug vom Kapitalertrag (S. 3 und 4)

4.1.1 Allgemeines

 

Rz. 14

In dem Zeitpunkt, in dem die steuerabzugspflichtigen Kapitalerträge dem Gläubiger zufließen (zum Zuflusszeitpunkt vgl. Rz. 61ff.), müssen in den Fällen des § 43 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, 2 bis 4, 7a und 7b EStG der Schuldner der Kapitalerträge (Rz. 24ff.) und in den Fällen des § 43 Abs. 1 S. 1 Nr. 1a, 6, 7 und 8 bis 12 sowie S. 2 EStG die, die Kapitalerträge auszahlende Stelle (Rz. 31ff.) den Steuerabzug vom Kapitalertrag für Rechnung des Gläubigers der Kapitalerträge vornehmen.

Das hat zur Folge, dass dem Gläubiger der Kapitalerträge nur der nach Abzug der KapESt verbleibende Teil des Kapitalertrags ausgezahlt bzw. gutgeschrieben wird.

 

Rz. 15

Bedient sich der Schuldner der Kapitalerträge in den Fällen, in denen er zum Einbehalt der KapESt verpflichtet ist (Rz. 24ff.), zur Auszahlung eines oder mehrerer Kreditinstitute, dann erhalten auch diese Zahlstellen vom Schuldner der Kapitalerträge nur den nach bereits erfolgtem Abzug der KapESt verbleibenden Teil der Kapitalerträge zum Zweck der Auszahlung zur Verfügung gestellt.

Durch die Verlagerung des Steuerabzugs auf die auszahlenden Stellen ab dem 1.1.2012 (Rz. 30) wird erreicht, dass die Dividenden zwischen der ausschüttenden Aktiengesellschaft und der jeweiligen auszahlenden Stelle – einschließlich der Teilnehmer einer Verwahrkette – stets brutto zu verrechnen sind.

 

Rz. 16

Ein Verstoß gegen die Einbehaltungs- und Abführungspflicht kann als Steuerordnungswidrigkeit mit einer Geldbuße bis zu 25.000 EUR geahndet werden, bzw. – falls wegen gleichzeitiger Verletzung der von § 45a Abs. 1 EStG vorgeschriebenen Anmeldepflicht anstelle von § 380 AO (Gefährdung der Abzugsteuern) § 378 AO (leichtfertige Steuerverkürzung) anzuwenden ist – mit einer Geldbuße bis zu 50.000 EUR.[1]

 

Rz. 17

Der zum Steuerabzug Verpflichtete (d. h. der Schuldner der Kapitalerträge bzw. die. die Kapitalerträge auszahlende Stelle) haftet für die KapESt, die er einzubehalten und abzuführen hat (Rz. 92ff.).

4.1.2 Beachtung der Auslegungsvorschriften der Finanzverwaltung (S. 3)

 

Rz. 17a

In § 44 Abs. 1 S. 3 EStG[1] wurde durch das Steueränderungsgesetz 2015 v. 2.11.2015[2] m. W. z. 1.1.2016 (Art. 18 Abs. 4 Steueränderungsgesetz 2015) aufgenommen, dass der Steuerabzug "unter Beachtung der im Bundessteuerblatt veröffentlichten Auslegungsvorschriften der Finanzverwaltung für Rechnung des Gläubigers der Kapitalerträge vorzunehmen ist". Damit sind primär etwa die in Rz. 5ff. gen. veröffentlichten BMF-Schreiben ab 2016 gemeint, aber auch solche, die vor 2016 veröffentlicht wurden oder als sog. "nV-Schreiben" an die Verbände zur Auslegung übersendet werden (Rz. 17c).

§ 44 Abs. 1 S. 3 EStG nimmt nach der Gesetzesbegründung Bezug auf die durch das JStG 2010 eingefügte Vorschrift in § 22a Abs. 1 S. 1 EStG, wonach Rentenbezugsmitteilungen (ebenfalls) "unter Beachtung der im Bundessteuerblatt veröffentlichten Auslegungsvorschriften der Finanzverwaltung zu übermitteln sind". Der Gesetzgeber sieht in § 44 Abs. 1 S. 3 EStG ausdrücklich eine "Klarstellung" der Ansicht der Finanzverwaltung im BMF-Schreiben v: 12.9.2013[3], wonach Kreditinstitute die Rechtsauffassung der Finanzverwaltung anwenden müssen.[4] Es ist zustimmen, dass § 44 Abs. 1 S. 3 EStG nur eine Klarstellung enthält, die trotzdem für die Praxis hohe Bedeutung hat. Denn die Bindung der auszahlenden Stellen als Erfüllungsgehilfen an die BMF-Schreiben ergibt sich bereits aus den vom BVerfG[5] geprägten Grundsätzen der "Inpflichtnahme" bzw. "Indienstnahme".[6] Für eine Bindung der auszahlenden Stellen an BMF-Schreiben sprechen vor allem die Haftungstatbestände bei fehlerhaftem KapESt-Abzug (insbesondere § 44 Abs. 5 EStG), die die auszahlenden Stellen gegen sich gelten lassen müssen. Aus Gründen der Rechtssicherheit müssen sich die auszahlenden Stellen i. S. d. § 44 Abs. 1 S. 3 EStG, um einer Haftung vorzubeugen, daher auch auf klare Anweisungen in BMF-Schreiben berufen können (insbesondere auch gegenüber der Finanzverwaltung selbst in der Außenprüfung). Da die Steuergesetze zumeist (gewollt) auslegungsbedürftig sind, sind konkretisierende BMF-Schreiben unerlässlich, um die vom Gesetzgeber bei der Einführung des Zinsabschlags ausgedrückte Voraussetzung für den Zinsabschlag zu verwirklichen: Es muss ein so enger Bezug zwischen dem Kreditinstitut und den Kapitalerträgen bestehen, dass der Charakter der ausgezahlten oder gutgeschriebenen Beträge als Kapitalerträge sich aus objektiven, dem Kreditinstitut bekannten Umständen ergibt.[7] Diese objektiven Umstände können aber nur vorliegen, wenn erstens BMF-Schreiben erlassen werden, die zweitens für die auszahlenden Stellen Bindungswirkung entfalten.

 

Rz. 17b

Die auszahlenden Stellen haben bei der KapESt-Abzugsverpflichtung keinen eigenen Prüfungsspielraum. D. h. für die Praxis des KapESt-Abzugsverfahrens, dass entgegenstehende Rspr. des BFH den BMF-Schreiben nicht vorgeht und auch in zweifelhaften Fällen das BMF-Schreiben anzuwenden ist. Das ergibt sich ausdrücklich aus der Begründung zum Steueränderungsgeset...

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