Rz. 28

Gem. § 20 Abs. 1 Nr. 1 S. 4 EStG gelten auch Einnahmen, die anstelle der Dividende von einem anderen als dem Anteilseigner bezogen werden (Dividendenkompensationszahlungen oder auch "künstliche Dividenden" genannt), als sonstige Bezüge, wenn die Aktien kurz vor dem Dividendenausschüttungstermin mit Dividendenberechtigung ("cum") erworben, aber ohne Dividendenanspruch ("ex") geliefert werden. In der Praxis werden diese Geschäfte als "cum-ex-Geschäfte" bezeichnet und sind deshalb von besonderer steuerlicher Relevanz, weil das zivilrechtliche Eigentum an girosammelverwahrten Aktien erst mit Umbuchung durch den Zentralverwahrer Clearstream AG und die beteiligten Depotbanken übertragen wird, das wirtschaftliche Eigentum aber bereits mit Abschluss des Kaufvertrags auf den Aktienerwerber übergeht.

Während die Order zur Veräußerung von Aktienbeständen kurz vor dem Dividendenstichtag erteilt wird, wird die Belieferung an den Erwerber tatsächlich aber erst nach dem Dividendenstichtag ausgeführt. Eine Lieferung der Aktien mit Dividendenanspruch ist zu diesem Zeitpunkt nicht mehr möglich. Hierfür leistet der Veräußerer eine Ausgleichszahlung (Kompensationszahlung bzw. "manufactured dividend"). Die Zahlung solcher Kompensationen entspricht den Börsenusancen und ist integraler Bestandteil des von den Banken mit den Kunden abgeschlossenen Geschäftsbesorgungsvertrags (§ 20 EStG Rz. 123ff.).

 

Rz. 29

Die Vorschrift des § 20 Abs. 1 Nr. 1 S. 4 EStG wurde mit dem JStG 2007 v. 13.12.2006[1] mit Wirkung für Verkäufe eingeführt, die nach dem 31.12.2006 getätigt werden (§ 52 Abs. 36 S. 6 EStG). § 20 Abs. 1 Nr. 1 S. 4 EStG hat zur Folge, dass Kompensationszahlungen als sonstige Bezüge i. S. d. § 20 Abs. 1 Nr. 1 S. 1 EStG stpfl. sind. In den Anwendungsbereich des § 20 Abs. 1 Nr. 1 S. 4 EStG fallen nur Kompensationszahlungen, die einem Leerverkäufer zufließen, da sie von einem anderen als dem Anteilseigner nach § 20 Abs. 5 EStG bezogen werden.[2] Die Dividendenkompensationszahlungen unterliegen dem für Dividenden gem. § 43 Abs. 1 Nr. 1a EStG geltenden Steuerabzug vom Kapitalertrag.

 

Rz. 29a

Eine Dividendenkompensationsleistung eines Inhabers, der im Zeitpunkt des Verkaufs dinglicher Eigentümer der Aktie ist, fällt unter § 20 Abs. 1 Nr. 1 S. 1 3. Alt. EStG (sonstige Bezüge), nicht aber unter § 20 Abs. 1 Nr. 1 S. 4 EStG. Wird der Aktienverkauf kurz vor dem Dividendentermin ausgeführt, erhält der Aktienkäufer zwar ebenfalls eine Kompensationsleistung; diese wird aber im Rahmen der Dividendenregulierung von der Depotbank des Inhabers mit der Originaldividende verrechnet. Die Depotbank des Inhabers stellt dem Inhaber die Vornahme der Kompensationsleistung gegenüber dem Erwerber in Rechnung. Sie versieht das Depot bereits bei Abschluss des Verkaufs mit einem Sperrvermerk, der eine Auszahlung der Originaldividende an den Inhaber verhindert. Beim Inhaberverkauf tritt somit keine Verdoppelung der Tatbestände ein, wie es beim Leerverkauf der Fall ist.

 

Rz. 29b

Bei Zuflüssen bis 31.12.2011 ist das den (Leer-)Verkauf ausführende inländische Kredit- und Finanzdienstleistungsinstitut, also die Depotbank des Leerverkäufers, zum Steuerabzug verpflichtet, während die Depotbank des Erwerbers zur Ausstellung einer Steuerbescheinigung verpflichtet ist.

 

Rz. 30

Seit dem 1.1.2012 ist die auszahlende Stelle gem. § 44 Abs. 1 S. 3 EStG zur Vornahme des Steuerabzugs und zur Anmeldung der einbehaltenen KapESt verpflichtet, also die Depotbank des Erwerbers, die gem. § 45a Abs. 3 S. 1 EStG auch zur Ausstellung einer Steuerbescheinigung verpflichtet ist. Erst seit dem 1.1.2012 ist somit sichergestellt, dass die die Kompensation leistende Depotbank des Erwerbers sowohl den Steuerabzug vornimmt als auch die Steuerbescheinigung ausstellt.

 

Rz. 30a

Ist die für den Verkäufer der Aktien den Verkaufsauftrag ausführende Stelle kein inländisches Kredit- oder Finanzdienstleistungsinstitut i. S. d. § 43 Abs. 1 S. 1 Nr. 7 Buchst. b EStG, besteht auch nach Einführung der Neuregelungen durch das JStG 2007 bei Zuflüssen bis 31.12.2011 weiterhin die Gefahr für Steuerausfälle durch mehrfache Bescheinigung von KapESt gem. § 45a Abs. 3 EStG, obwohl nur einmal KapESt zulasten des rechtlichen (dinglichen) Eigentümers einbehalten worden ist und kein weiterer Abzug von KapESt gem. § 44 Abs. 1 S. 3 i. V. m. § 20 Abs. 1 Nr. 1 S. 4 EStG erfolgt. Das BMF hat zu diesem Problem Stellung bezogen und Anweisungen zur Beseitigung der Gefahr von Steuermindereinnahmen bei der Erstattung von KapESt durch Gestaltungen im Zusammenhang mit Leerverkäufen um den Dividendenstichtag gegeben.[3] So sei die KapESt in Leerverkaufsfällen nicht anrechenbar, wenn zwischen dem Leerverkäufer und dem Erwerber Absprachen existieren, die einen wirtschaftlichen Zusammenhang zwischen Verkauf und Kauf begründen.[4] Die Gefahr, dass der Erwerber KapESt aufgrund der ihm ausgestellten Steuerbescheinigung anrechnen lassen kann, obwohl tatsächlich – mangels inländischer Zahlstelle – kein Steuereinbehalt stattgefunden hat, kann jedo...

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