Rz. 12

Die Verfassungsmäßigkeit des Familienleistungsausgleichs wird unter folgenden Aspekten diskutiert:

  • Verstoß gegen das Prinzip der Rechtssicherheit wegen Einführung eines neuen Systems der Familienbesteuerung.

    Insoweit bestehen indes keine grundlegenden verfassungsrechtlichen Bedenken. Es steht dem Gesetzgeber frei, nach dem Grundsatz der Abschnittsbesteuerung ein neues Modell der Familienbesteuerung einzuführen.[1]

  • Verstoß gegen den Grundsatz der Normenklarheit und Transparenz mangels Trennung der steuerentlastenden Komponente (Freibeträge) und der Sozialleistung (Förderungsanteil des Kindergelds), da die Mehrzahl der Familien wohl (unrichtig) annimmt, ihnen werde das Kindergeld in voller Höhe als Sozialleistung zugewandt.

    Die Unübersichtlichkeit einer Regelung allein reicht indes für einen Verfassungsverstoß nicht aus.[2] Die Vermischung von Sozialleistung und Steuerfreistellung des Existenzminimums ist insofern bedenklich, als nach dem dualen System die Freibeträge zur Gewährleistung der Steuerfreiheit des Existenzminimums einerseits und andererseits das Kindergeld, soweit es der Freistellung des Existenzminimums dient, gleichgesetzt werden. Aus der Sicht des Stpfl. erscheint die steuerliche Verschonung des Existenzminimums nicht als Gewährleistung grundgesetzlich geschützter Positionen, sondern als sozialstaatliche Förderung ohne Prüfung der Bedürftigkeit. Transparenter wäre jedenfalls die Berücksichtigung der kindbedingten Leistungsfähigkeitsminderung durch Freibeträge und getrennt davon die Erfüllung sozialpolitischer Aufgaben über das nach Bedürftigkeit abgestufte Kindergeld.[3] Die Methode der steuerlichen Freistellung entweder durch die Freibeträge oder durch das Kindergeld ist verfassungsrechtlich unbedenklich.[4]

 

Rz. 13

  • Verstoß gegen die Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit: Bei dem weitaus größten Teil der Stpfl. mit Kindern (Rz. 6) bleiben bei der Besteuerung die Freibeträge außer Ansatz. Die Minderung der steuerlichen Leistungsfähigkeit durch den Unterhalt von Kindern wird in diesen Fällen ausschließlich durch die Kindergeldgewährung berücksichtigt. Soweit nicht nur in dem Förderanteil, sondern auch in dem als Steuervergütung bezeichneten Kindergeld (§ 31 S. 3 EStG) eine reine Sozialleistung gesehen wird, führt diese Behandlung dazu, dass diese Stpfl. übermäßig besteuert werden. Denn nach dieser Auffassung werden Eltern zunächst so besteuert, als hätten sie keine Kinder, und die übermäßige Besteuerung wird durch eine Sozialleistung ausgeglichen. Die zu sozialer Bedürftigkeit führende übermäßige Besteuerung und deren Ausgleich durch eine Sozialleistung werden wegen Verstoßes gegen die Subsidiarität staatlichen Handelns als verfassungswidrig angesehen.[5]

    Das Kindergeld im Rahmen des Familienleistungsausgleichs ist jedoch keine reine Sozialleistung (Rz. 6). § 31 EStG normiert eine Doppelfunktion des Kindergelds. Es ist einerseits als Steuervergütung ausgestaltet (S. 3); andererseits stellt es eine Sozialleistung dar, aber nur, soweit es zur steuerlichen Freistellung des Existenzminimums des Kindes nicht erforderlich ist (S. 2). Ein Übermaß in der Besteuerung kann daher an sich nicht eintreten. Denn es steht dem Gesetzgeber frei, die Minderung der Leistungsfähigkeit durch Kinder statt durch steuerliche Freibeträge durch Kindergeld in den Freibeträgen entsprechender Höhe zu berücksichtigen.[6] Der der Steuerentlastung dienende Kindergeldanteil stellt deshalb keine die überhöhte Besteuerung ausgleichende Sozialleistung dar. Vielmehr ist das Kindergeld insoweit funktional in die Besteuerung eingebunden.[7]

  • Schlechterstellung der Gruppe von Stpfl., bei denen sich die Freibeträge günstiger auswirken als das Kindergeld (Rz. 6), beim LSt-Abzug und bei der Festsetzung der ESt-Vorauszahlungen, da insoweit die Kinderfreibeträge während des Jahres (zunächst) außer Ansatz bleiben und die Steuerentlastung insoweit von den Stpfl. vorfinanziert werden muss[8] und erst bei der ESt-Veranlagung steuerentlastend berücksichtigt werden.[9]
  • Die eintretenden Zinsnachteile sind jedoch so gering, dass sie vernachlässigt werden können (Rz. 39).
 

Rz. 14

  • Verstoß gegen das Leistungsfähigkeitsprinzip und den Grundsatz der Individualbesteuerung wegen lediglich an dem sozialhilferechtlichen Mindestbedarf orientierter pauschalierter Berücksichtigung der Aufwendungen für Kinder (sächliches Existenzminimum) anstelle der bürgerlich-rechtlichen Unterhaltsverpflichtungen (§§ 1601ff. BGB).[10]

    Diese Kritik stellt zu sehr auf das aus dem Gleichheitsgrundsatz folgende Gebot der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit ab. Das BVerfG leitet indes zu Recht aus der Menschenwürde, dem Sozialstaatsprinzip und nicht zuletzt aus dem Schutz von Ehe und Familie (Art. 6 GG) weitere Maßstäbe für die Bemessung des zu verschonenden Familienexistenzminimums ab. Es ist danach gerechtfertigt, den existenznotwendigen Bedarf (sächliches Existenzminimum, ab 2000 außerdem Betreuungsbedarf und ab 2002 auch Erziehungsbedarf) typisiert und pa...

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