3.1 Allgemeines

 

Rz. 235

§ 22 Abs. 2 UmwStG regelt die rückwirkende Besteuerung des Einbringungsgewinns II für den Fall, dass die übernehmende Gesellschaft die im Rahmen eines Anteilstauschs i. S. d. § 21 Abs. 1 UmwStG oder einer Sacheinlage i. S. d. § 20 Abs. 1 UmwStG unter dem gemeinen Wert mit eingebrachten Anteile innerhalb der Sperrfrist von sieben Jahren veräußert. Allerdings kommt es nur zu einer rückwirkenden Besteuerung eines Einbringungsgewinns II, wenn und soweit der Gewinn aus der Veräußerung dieser Anteile im Einbringungszeitpunkt beim Einbringenden nicht nach § 8b Abs. 2 KStG steuerfrei gewesen wäre. Sperrfristverstrickt sind mithin nicht die erhaltenen, sondern die eingebrachten Anteile.

Ziel des § 22 Abs. 2 UmwStG ist es, eine missbräuchliche Statusverbesserung hin zu einer gem. § 8b Abs. 2 KStG steuerbegünstigten Veräußerung zu verhindern. Wäre die Veräußerung im Einbringungszeitpunkt nach § 8b Abs. 2 KStG steuerfrei gewesen, ist keine Statusverbesserung eingetreten, sodass die Anwendung des Abs. 2 nicht angezeigt ist.

 

Rz. 236

Unabhängig davon, ob die Anteile gem. § 20 oder § 21 UmwStG unter dem gemeinen Wert (mit) eingebracht wurden, ist insoweit grundsätzlich ausschließlich § 22 Abs. 2 UmwStG anzuwenden. Ausnahmsweise ist gem. § 22 Abs. 1 S. 5 Hs. 2 UmwStG daneben § 22 Abs. 1 UmwStG zu beachten, wenn das deutsche Besteuerungsrecht an den erhaltenen Anteilen ausgeschlossen oder beschränkt worden ist.[1]

 

Rz. 237

Als Rechtsfolge einer Veräußerung der sperrfristverstrickten Anteile ordnet § 22 Abs. 2 S. 1 UmwStG die rückwirkende Besteuerung des "Einbringungsgewinns II" im Wirtschaftsjahr der vormaligen Einbringung an. Obgleich der Einbringungsgewinn II als Gewinn i. S. d. § 16 EStG gilt, kommen die Steuervergünstigungen des § 16 Abs. 4 EStG sowie des § 34 EStG nicht zur Anwendung.

 

Rz. 238

Verfahrenstechnisch wird die rückwirkende Besteuerung des Einbringungsgewinns II dadurch sichergestellt, dass § 22 Abs. 2 S. 2 i. V. m. § 22 Abs. 1 S. 2 UmwStG die Veräußerung der sperrfristverstrickten Anteile als rückwirkendes Ereignis i. S. v. § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AO fingiert.

 

Rz. 239

Gem. § 22 Abs. 2 S. 3 UmwStG wird der Einbringungsgewinn II in einem ersten Schritt aus dem gemeinen Wert der eingebrachten Anteile im Zeitpunkt der Einbringung abzüglich der Kosten für den Vermögensübergang und abzüglich des Werts, mit dem der Einbringende die erhaltenen Anteile angesetzt hatte, ermittelt. Dieser Zwischenwert wird in einem zweiten Schritt noch jeweils um ein Siebtel für jedes seit dem Einbringungszeitpunkt abgelaufene Zeitjahr gemindert.

Die Bezugnahme auf den Ansatz des Einbringenden und nicht den Ansatz der übernehmenden Gesellschaft bewirkt, dass bei einem abweichenden Ansatz gem. § 21 Abs. 2 S. 2 UmwStG der fiktive Veräußerungspreis der eingebrachten Anteile ausschlaggebend für die Ermittlung des Einbringungsgewinns II ist.

 

Rz. 240

Die Besteuerung des Gewinns aus der Veräußerung der sperrfristverstrickten Anteile erfolgt nach den allgemeinen Besteuerungsgrundsätzen, wobei § 23 Abs. 2 UmwStG zu beachten ist.

3.2 Anwendungsbereich (§ 22 Abs. 2 S. 1, 5 und 6 UmwStG)

3.2.1 Grundtatbestand: Veräußerung der eingebrachten Anteile durch die übernehmende Gesellschaft (§ 22 Abs. 2 S. 1 UmwStG)

3.2.1.1 Allgemeines

 

Rz. 241

Die rückwirkende Besteuerung des Einbringungsgewinns II setzt gem. § 22 Abs. 2 S. 1 UmwStG voraus, dass

  • eine Sacheinlage i. S. d. § 20 Abs. 1 UmwStG mit dazugehörigen Anteilen oder ein Anteilstausch i. S. d. § 21 Abs. 1 UmwStG unter dem gemeinen Wert vorausgegangen ist,
  • der Gewinn aus der Veräußerung dieser Anteile beim Einbringenden im Einbringungszeitpunkt nicht nach § 8b Abs. 2 KStG steuerfrei gewesen wäre und
  • die übernehmende Gesellschaft
  • die eingebrachten Anteile
  • innerhalb eines Zeitraums von sieben Jahren nach dem Einbringungszeitpunkt
  • unmittelbar oder mittelbar veräußert.

3.2.1.2 Sacheinlage oder Anteilstausch unter dem gemeinen Wert

 

Rz. 242

Die Anwendung des § 22 Abs. 2 UmwStG setzt zunächst voraus, dass zuvor Anteile an einer Kapitalgesellschaft (oder Genossenschaft) gem. § 20 oder § 21 UmwStG unter dem gemeinen Wert in eine Kapitalgesellschaft (oder Genossenschaft) (mit) eingebracht wurden.

 

Rz. 243

Für die Frage, ob ein Ansatz unter dem gemeinen Wert vorliegt, kommt es grundsätzlich auf den tatsächlichen Wertansatz bei der übernehmenden Gesellschaft an, unabhängig davon, ob dieser von einem zwischen dem Einbringenden und der übernehmenden Gesellschaft ggf. vertraglich vereinbarten Wertansatz abweicht.

 

Rz. 244

Wenn im Rahmen einer Sacheinlage unter dem gemeinen Wert ggf. nur für die mit eingebrachten Anteile gem. § 20 Abs. 2 S. 2 Nr. 3 UmwStG der gemeine Wert anzusetzen war, ist § 22 Abs. 2 S. 1 UmwStG nicht einschlägig. Die Formulierung "unter dem gemeinen Wert" bezieht sich, anders als in § 22 Abs. 1 S. 1 UmwStG, nicht auf die Sacheinlage insgesamt, sondern lediglich auf die mit eingebrachten Anteile.

 

Rz. 245

Dagegen liegt ein Anteilstausch unter dem gemeinen Wert vor, wenn im Fall eines grenzüberschreitenden Anteilstauschs ausnahmsweise die übernehmende Gesellschaft den gemeinen Wert angesetzt, der Einbringende jedoch gem. § 21 Abs. 2 S. 3 UmwStG den Antrag gestellt hat, dass ein Wert unterhalb des gemeinen Werts als Veräußerungspreis der eingebrachten un...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Steuer Office Excellence. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge