Rz. 57

Die Frage, unter welchen Voraussetzungen der Veräußerungstatbestand erfüllt ist, wurde bereits im Rahmen des § 21 UmwStG i. d. F. bis zum SEStEG sehr kontrovers diskutiert.[1] Auch hinsichtlich des Veräußerungsbegriffs i. S. d. § 22 Abs. 1 S. 1 UmwStG ist dies nicht anders.

 

Rz. 58

Die hier vertretene Auffassung basiert auf der Grundüberlegung, dass für die sperrfristverstrickten Anteile im Wesentlichen folgende alternative steuerrelevante Sachverhalte infrage kommen:

  • entgeltliche Übertragung (auf einen anderen Rechtsträger),
  • unentgeltliche Übertragung (auf einen anderen Rechtsträger),
  • Untergang der Anteile (mit/ohne Gewährung neuer Anteile).
 

Rz. 59

§ 22 UmwStG unterscheidet neben der Verlagerung von stillen Reserven i. S. d. § 22 Abs. 7 UmwStG und einigen recht gut abgrenzbaren Ersatztatbeständen im Wesentlichen folgende steuerrelevante Tatbestände:

 

Rz. 60

Im Fall der Veräußerung innerhalb der Sperrfrist soll es gem. § 22 Abs. 1 S. 1 UmwStG rückwirkend zu einer Besteuerung des Einbringungsgewinns I kommen, wobei die veräußerten Anteile ihren Status als sperrfristverstrickte Anteile verlieren.

Die unentgeltliche Übertragung auf eine Kapitalgesellschaft i. S. d. § 22 Abs. 1 S. 6 Nr. 1 UmwStG und die entgeltliche Übertragung i. S. d. § 22 Abs. 1 S. 6 Nr. 2 UmwStG sollen (grundsätzlich) die gleichen Rechtsfolgen auslösen wie die Veräußerung i. S. d. § 22 Abs. 1 S. 1 UmwStG.

Im Fall der unentgeltlichen Rechtsnachfolge i. S. d. § 22 Abs. 6 UmwStG soll es nicht zur einer rückwirkenden Besteuerung des Einbringungsgewinns kommen.

 

Rz. 61

Aufgrund der mit den einzelnen Tatbeständen einhergehenden unterschiedlichen Rechtsfolgen zeigt sich die Notwendigkeit

  • zur Abgrenzung der verschiedenen Tatbestände des § 22 UmwStG, insbesondere zur Abgrenzung zwischen "Veräußerung" und "entgeltlicher Übertragung" sowie zwischen "unentgeltlicher Übertragung auf eine Kapitalgesellschaft" und "unentgeltlicher Rechtsnachfolge" und
  • zur Subsumption der unter Rz. 58 genannten alternativen Sachverhalte unter die abgegrenzten gesetzlichen Tatbestände.
 

Rz. 62

Nach der hier vertretenen Auffassung sind die Sachverhalte bzw. Tatbestände "Veräußerung" und "entgeltliche Übertragung" auf einen anderen Rechtsträger identisch. Jede entgeltliche Übertragung auf einen anderen Rechtsträger stellt eine Veräußerung dar und umgekehrt.

Weiterhin gibt es auch keinen Unterschied zwischen "unentgeltlicher Übertragung" und "unentgeltlicher Rechtsnachfolge" mit der Konsequenz, dass die "unentgeltliche Übertragung auf eine Kapitalgesellschaft" einen Spezialfall der "unentgeltlichen Rechtsnachfolge" darstellt.

 

Rz. 63

Damit lassen sich die alternativen Sachverhalte wie folgt unter die gesetzlichen Tatbestände subsumieren:

 

Rz. 64

Folgt man dieser Differenzierung, stellt sich (lediglich) noch die Frage, ob ein Tatbestand des § 22 UmwStG erfüllt ist, wenn die Anteile nicht übertragen werden, sondern untergehen.

 

Rz. 65

Zu einer rückwirkenden Besteuerung des Einbringungsgewinns I kommt es nur, soweit die erhaltenen Anteile veräußert werden. Diese Einschränkung ist sowohl mengenmäßig, wenn z. B. nur die Hälfte der Anteile veräußert wird, als auch wertmäßig, wenn z. B. alle Anteile teilentgeltlich übertragen werden, zu verstehen.

[1] Zu einem Überblick des Meinungsstandes vgl. Stangl, in Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG, 2019, § 22 UmwStG Rz. 59ff.

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