Rz. 193

In der Vergangenheit sind Vereinbarungen steuerlich z. T. nicht anerkannt, weil sie nach Ansicht der Rechtsprechung unüblich waren.[1] Die gesellschaftsrechtliche Veranlassung wird hierbei allein aus der Unüblichkeit abgeleitet. Aspekte der Angemessenheit bleiben außer Betracht. Es handelt sich nicht um eine Ausprägung des Maßstabs der Angemessenheit und des ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters. Ein Geschäftsleiter kann auch unübliche Geschäfte zu angemessenen Bedingungen durchführen, ohne gegen seine Pflichten zu verstoßen. Der Sache nach handelt es sich bei der Unüblichkeit um einen selbstständigen Maßstab, der neben den der vorherigen, klaren und eindeutigen Vereinbarung und den des Handelns eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters tritt.[2]

 

Rz. 194

Ein Maßstab der "Üblichkeit" steht mit der Systematik der verdeckten Gewinnausschüttung nicht in Einklang.[3] Das Institut der verdeckten Gewinnausschüttung soll sicherstellen, dass bei der Körperschaft ein Einkommen erfasst wird, wie es ohne Beeinträchtigung durch gesellschaftsrechtliche Vorgänge entstanden wäre. Die verdeckte Gewinnausschüttung soll dagegen nicht die Besteuerung eines "üblichen" Einkommens sicherstellen. Steuerlich zu erfassen ist die konkrete wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Körperschaft, nicht eine "übliche" Leistungsfähigkeit. Das Einkommen der Körperschaft, und damit ihre wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, wird durch eine unübliche Leistung, für die die Körperschaft eine angemessene Gegenleistung erhält, nicht beeinträchtigt. Maßstab ist daher nur die Angemessenheitsprüfung, nicht eine wie auch immer definierte "Üblichkeit". Für eine Beanstandung nur aufgrund des Merkmals der "Üblichkeit" fehlt eine Rechtsgrundlage.

 

Rz. 195

Auch dem Argument, die Unüblichkeit sei ein Indiz für die fehlende Ernsthaftigkeit der Vereinbarung,[4] ist nicht zu folgen. Auch unübliche Vereinbarungen können ernst gemeint sein und tatsächlich durchgeführt werden. Ist die Vereinbarung tatsächlich nicht ernst gemeint und wird sie nicht durchgeführt, ist sie der Besteuerung nicht zugrunde zu legen,[5] ohne dass es des Merkmals der "Üblichkeit" bedürfte. Ist die Vereinbarung dagegen tatsächlich durchgeführt worden, besteht kein Anlass, ihr die steuerliche Anerkennung zu versagen, auch wenn sie unüblich ist.

 

Rz. 196

Die Unüblichkeit hat im Rahmen der verdeckten Gewinnausschüttung allerdings insoweit eine besondere Bedeutung, als ein mit einem Gesellschafter, insbesondere einem beherrschenden Gesellschafter, abgeschlossenes unübliches Geschäft Anlass sein kann, dieses Geschäft steuerlich zu überprüfen. Die Unüblichkeit ist daher nie selbst Grund, die betriebliche Veranlassung zu verneinen, sondern kann Anlass sein, die betriebliche Veranlassung zu überprüfen.[6]

 

Rz. 196a

I. d. R. sind Fälle, die unter dem Gesichtspunkt der "Üblichkeit" betrachtet werden, nach den allgemeinen Regeln lösbar, ohne dass es eines Rückgriffs auf ein Merkmal der "Üblichkeit" bedürfte, z. B. wegen Verstoßes gegen den Maßstab des ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters, weil die Vereinbarung tatsächlich nicht durchgeführt ist[7] oder weil eine "Gewinnabsaugung" vorliegt.[8]

[1] BFH v. 13.12.1989, I R 99/87, BStBl II 1990, 454; BFH v. 2.12.1992, I R 54/91, BStBl II 1993, 311; BFH v. 19.3.1997, I R 75/96, BStBl II 1997, 683; FG Saarland v. 9.2.1990, 1 K 159/88, EFG 1990, 382, wonach eine Tantiemevereinbarung unabhängig von der Angemessenheit schon deshalb eine verdeckte Gewinnausschüttung sei, weil Tantiemevereinbarungen in der fraglichen Branche nicht üblich seien.
[2] So auch Wassermeyer, DStR 1996, 733; Gosch, DStZ 1997, 14.
[3] Frotscher, in Widmann, Besteuerung der GmbH und ihrer Gesellschafter, DStJG Bd. 20, 205, 242; ders., GmbHR 1998, 23; FG Hamburg v. 11.11.2004, III 250/03, EFG 2004, 1006.
[4] So BFH v. 2.12.1992, I R 54/91, BStBl II 1993, 311; kritisch Tillmann, GmbHR 1993, 466; Hoffmann, DStR 1996, 729; Tillmann/Schmidt, DStR 1996, 849.
[8] Rz. 302"Gewinnabsaugung".

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