Rz. 42

Die Neuregelung des § 9 Abs. 1 Nr. 2 KStG durch das Gesetz v. 8.4.2010[1] gibt Anlass zu Kritik.[2] Die Norm dürfte weder europarechtskonform noch praxistauglich sein.

 

Rz. 43

Aus europarechtlicher Sicht ist zweifelhaft, ob die Nichtabziehbarkeit von Zuwendungen an Empfänger in Drittstaaten außerhalb der EU und des EWR-Raums mit der Kapitalverkehrsfreiheit nach Art. 63 AEUV vereinbar ist. Ihr Anwendungsbereich erstreckt sich auch auf den Kapitalverkehr zwischen den Mitglied- und Drittstaaten. Eine den freien Kapitalverkehr beschränkende Maßnahme wie die Versagung der Abziehbarkeit von Zuwendungen an Empfänger in Drittstaaten muss dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit genügen, darf demnach nicht über das zur Erreichung des mit ihr verfolgten Ziels hinausgehen.[3] Jedenfalls soweit mit Drittstaaten DBA-rechtlich große Auskunftsklauseln vereinbart bzw. Amtshilfeabkommen abgeschlossen wurden, dürfte der Ausschluss von Zuwendungen in Drittstaaten m. E. nicht mit den Erfordernissen einer wirksamen Steueraufsicht und Steuerkontrolle zu rechtfertigen sein. Gleiches dürfte für Vereinbarungen mit Drittstaaten nach dem sog. TIEA-Muster (Tax Information Exchange Agreement) der OECD gelten. Dieses Muster sieht eine Informationsaustauschverpflichtung vor, die jedenfalls der großen Auskunftsklausel des Art. 26 OECD-MA entspricht.[4] Die Rechtsprechung hat sich insofern noch nicht festgelegt. Der BFH hat in einer Entscheidung zu § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG ausdrücklich offengelassen, ob der Ausschluss von nicht in der EU bzw. EWR ansässigen Körperschaften von der Steuerbefreiung die Kapitalverkehrsfreiheit verletzt.[5]

 

Rz. 43a

Die Kapitalverkehrsfreiheit dürfte m. E. auch dadurch verletzt sein, dass die Abziehbarkeit der Zuwendungen an ausländische Empfänger davon abhängig gemacht wird, dass der jeweilige Ansässigkeitsstaat dem deutschen Staat Unterstützung bei der Beitreibung leistet. Zwar ist die Effizienz der Beitreibung von steuerlichen Forderungen ein in der EuGH-Rechtsprechung anerkannter Rechtfertigungsgrund.[6] Das Erfordernis, Amtshilfe bei der Beitreibung zu erhalten, dient jedoch nicht dazu, die Erhebung der KSt des Zuwendenden zu sichern. Vielmehr geht es ausweislich der Gesetzesbegründung[7] allein darum, den ausländischen Zuwendungsempfänger in den Fällen des § 9 Abs. 3 KStG wirksam in Haftung nehmen zu können. Dass dieser Zweck durch die Versagung des Zuwendungsabzugs erreicht werden soll, ist m. E. unverhältnismäßig. Es hätte ausgereicht, dem Zuwendenden bei Zuwendungen in ausländische Staaten, die keine Unterstützung bei der Beitreibung leisten, den Vertrauensschutz nach § 9 Abs. 3 S. 1 KStG zu versagen.

 

Rz. 44

Darüber hinaus dürfte die Neuregelung wenig praxistauglich sein.[8] Es fehlen Verfahrensvorschriften im Hinblick auf Zuwendungen an ausländische Zuwendungsempfänger. Der Bundesrat hatte bereits im Gesetzgebungsverfahren gebeten zu prüfen, ob die Vorschriften entsprechend ergänzt werden könnten.[9] Beispielsweise ist unklar, wie die Empfangsberechtigung dieser Zuwendungsempfänger geprüft werden soll, welche Nachweise der Zuwendende im Einzelnen erbringen muss und wann das FA zu eigenen Ermittlungen verpflichtet ist.

 

Rz. 44a

Insbesondere besteht die Gefahr, dass die Abziehbarkeit von Auslandsspenden an Körperschaften i. S. v. § 9 Abs. 1 Nr. 2 S. 2 Buchst. b) und c) KStG daran scheitert, dass sie die Voraussetzungen des § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG i. V. m. § 60 Abs. 1 S. 2 AO nicht erfüllen.[10] § 60 Abs. 1 S. 2 AO legt fest, dass die sog. formelle Satzungsmäßigkeit nur dann gewahrt ist, wenn die Satzung bestimmte, in Anlage 1 zu § 60 AO bezeichnete Festlegungen beinhaltet. Diese Vorschrift wurde durch Gesetz v. 19.12.2008[11] eingeführt und ist nach Art. 97 § 1f Abs. 2 EGAO für Körperschaften anzuwenden, die nach dem 31.12.2008 gegründet wurden, sowie auf Satzungsänderungen bestehender Körperschaften, die nach dem 31.12.2008 wirksam werden. Würde § 60 Abs. 1 S. 2 AO streng ausgelegt in dem Sinne, dass sich die Formulierungen der Mustersatzung wörtlich (und ggf. auch in deutscher Sprache) in der Satzung wiederfinden müssten, könnten Zuwendungen an ausländische Empfänger regelmäßig nicht abgezogen werden. Auch insofern dürfte aus europarechtlichen Erwägungen eine Übersetzung ins Deutsche ausreichen, wenn die Bestimmungen der Satzung mit denen der Mustersatzung vergleichbar sind.[12] Verlangt man, dass die inhaltlichen Anforderungen des § 60 AO vollumfänglich zu beachten sind[13], dürften indes die wenigsten ausländischen Körperschaften eine formell ordnungsgemäße Satzung haben. Außerdem erscheint es als unverhältnismäßig, stets streng nur auf die Satzung des jeweiligen ausländischen Empfängers zu schauen. Sieht beispielsweise das Gesetzesrecht seines Sitzstaates zwingend eine Vermögensbindung für die satzungsgemäßen Zwecke vor, müsste diese Vermögensbindung m. E. nicht mehr gesondert in der Satzung verankert sein.[14]

 

Rz. 44b

Höchstrichterlich geklärt ist inzwischen, dass bei Auslandssachverhalten eine Zuwendungsbe...

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