Rz. 111

Verlegt nicht der Gesellschafter (Rz. 89), sondern die inländische Gesellschaft Sitz und Geschäftsleitung ins Ausland, kann bei dem Gesellschafter ebenfalls eine Entstrickung i. S. d. Abs. 1 eintreten. Diese Vorschrift ist so allgemein gehalten, dass sie jede Art des Verlustes oder der Beschränkung des deutschen Besteuerungsrechts erfasst, also auch den Fall, dass dies ohne Zutun und ohne Willen des Stpfl. geschieht (Rz. 29). Hier wird eingehend nur der Fall behandelt, dass der Gesellschafter der wegziehenden Körperschaft selbst eine Körperschaft ist. Ist er eine natürliche Person, ergeben sich die Rechtsfolgen aus § 17 Abs. 5 EStG.[1]

 

Rz. 111a

Die Besteuerung des Gesellschafters hinsichtlich seiner Anteile an einer Körperschaft, die Sitz und/oder Geschäftsleitung ins Ausland verlegt und dadurch das deutsche Besteuerungsrecht an den Anteilen ausschließt oder beschränkt, richtet sich nach § 12 Abs. 1 KStG. Das gilt sowohl für Anteile an Körperschaften, die nur Einkünfte aus Gewerbebetrieb haben können, als auch für solche an anderen Körperschaften, an denen veräußerbare Anteile bestehen.

 

Rz. 111b

Hat die Körperschaft, die ihren Sitz verlegt, die Rechtsform einer SE oder SCE, enthalten § 4 Abs. 1 S. 4 EStG sowie § 15 Abs. 1a EStG für Anteile im Betriebsvermögen und § 17 Abs. 5 S. 2–4 EStG für sonstige Anteile Sonderregelungen. Für Anteile an anderen Körperschaften enthält das Gesetz keine speziellen Regelungen, d. h., § 12 Abs. 1 KStG gilt unmittelbar und ohne Milderung.

 

Rz. 112

§ 12 Abs. 1 KStG ist auf die Besteuerung des Gesellschafters der wegziehenden Kapitalgesellschaft unabhängig davon anwendbar, ob der Wegzug in einen EU- bzw. EWR- oder in einen Drittstaat erfolgt. Abs. 3 mit der Sonderregelung für den Wegzug in einen Drittstaat betrifft nur die wegziehende Körperschaft. Für die Besteuerung des Gesellschafters der wegziehenden Körperschaft enthält Abs. 3 keine Regelung.

 

Rz. 113

Für die Besteuerung des Gesellschafters der wegziehenden Körperschaft ist von Bedeutung, ob er im Inland oder im Ausland ansässig ist, und ob mit den beteiligten Staaten ein DBA besteht oder nicht. Bei Bestehen eines DBA ist weiter zu unterscheiden, ob das Besteuerungsrecht dem Ansässigkeitsstaat des Gesellschafters (so die meisten DBA; in der EU mit Ausnahme der DBA mit Tschechien und der Slowakei) oder dem Ansässigkeitsstaat der (wegziehenden) Körperschaft zusteht. Weiter ist zu berücksichtigen, ob die Anteile an der wegziehenden Körperschaft zu einer inl. Betriebsstätte des körperschaftsteuerpflichtigen Gesellschafters gehören. Ist das der Fall, bleibt das deutsche Besteuerungsrecht an den Anteilen der wegziehenden Körperschaft auf jeden Fall bestehen[2], sodass es nicht zu einer Entstrickungsbesteuerung nach Abs. 1 kommt.

 

Rz. 114

Voraussetzung für die Besteuerung nach Abs. 1 ist, dass vor dem Wegzug der Körperschaft ein deutsches Besteuerungsrecht an den Anteilen bestanden hat. War dies nicht der Fall, wird das deutsche Besteuerungsrecht bei einer Veräußerung der Anteile durch den Wegzug nicht ausgeschlossen oder beschränkt, sodass der Tatbestand des Abs. 1 nicht erfüllt ist. Deutschland nimmt das Besteuerungsrecht (ohne Berücksichtigung der DBA) in Anspruch, wenn der Anteilsinhaber

  • unbeschränkt steuerpflichtig ist, aufgrund des Welteinkommensprinzips für Anteile an im Inland und im Ausland ansässigen Kapitalgesellschaften;
  • beschränkt steuerpflichtig ist, für Anteile an Kapitalgesellschaften, die ihren Sitz oder ihre Geschäftsleitung im Inland haben.[3]
 

Rz. 115

Besteht ein DBA, wird das Besteuerungsrecht regelmäßig dem Ansässigkeitsstaat des Anteilsinhabers zugeordnet.[4] In diesem Fall kann die Besteuerung nach Abs. 1 nur eingreifen, wenn der Anteilsinhaber im Inland ansässig ist; auf die Ansässigkeit der wegziehenden Körperschaft kommt es dann nicht an. Beschränkt körperschaftsteuerpflichtige Anteilsinhaber einer inländischen Körperschaft sind in diesem Fall aus dem Anwendungsbereich des Abs. 1 ausgeschlossen, da vor dem Wegzug kein deutsches Besteuerungsrecht bestand.

 

Rz. 115a

In einigen DBA richtet sich das Besteuerungsrecht jedoch nach der Ansässigkeit der wegziehenden Körperschaft. Deutschland steht das Besteuerungsrecht somit nur dann zu, wenn die wegziehende Körperschaft vor dem Wegzug in Deutschland ansässig war. Innerhalb der EU betrifft das die DBA mit Tschechien und der Slowakei. War die wegziehende Körperschaft in einem dieser Staaten ansässig, hat Deutschland auch dann kein Besteuerungsrecht, wenn der Anteilsinhaber in Deutschland ansässig ist. Der Wegzug einer Körperschaft aus einem dieser Staaten in einen anderen Staat löst daher in Deutschland keine Entstrickungsbesteuerung hinsichtlich der Anteile aus.

 

Rz. 116

Handelt es sich um eine Immobiliengesellschaft, d. h. um eine Körperschaft, deren Vermögen zu über 50 % aus Grundvermögen besteht, kann das DBA entsprechend Art. 13 Abs. 4 OECD-MA das Besteuerungsrecht dem Staat zuweisen, in dem das Grundvermögen belegen ist. Bei einem solchen DBA hat die Sitzverlegun...

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