Rz. 54

Da § 12 Abs. 1 KStG nur für grenzüberschreitende Beziehungen gilt, diskriminiert die Vorschrift diese Beziehungen und begründet europarechtliche Bedenken. Insbes. schränkt sie die Niederlassungsfreiheit nach Art. 49 AEUV ein, da sie die Gründung und die Erweiterung von Betriebsstätten im Ausland durch die Überführung von Wirtschaftsgütern behindert. Rechtfertigungsgründe sind nicht ersichtlich, da der EuGH den Schutz der nationalen Besteuerungsrechte grds. nicht als Rechtfertigung ansieht.[1] Der Gesetzgeber hat versucht, diesen Bedenken durch den neuen § 4g EStG Rechnung zu tragen.[2]

 

Rz. 55

Die ursprüngliche Fassung des § 12 Abs. 1 KStG enthielt keine dem § 4g EStG entsprechende Regelung und auch keine Verweisung auf diese Vorschrift.

Dies wurde durch das Jahressteuergesetz 2008[3] korrigiert, indem in Abs. 1 eine Verweisung auf § 4g EStG eingefügt wurde. Danach ist § 4g EStG entspr. anzuwenden.

 

Rz. 56

§ 4g EStG soll europarechtlichen Bedenken wegen der fiktiven Veräußerung nach § 4 Abs. 1 S. 3 EStG begegnen (vgl. Rz. 79). Die Vorschrift setzt die bisher vom BMF[4] vertretene Konzeption der "aufgeschobenen Besteuerung" in eine gesetzliche Regelung um, verändert sie aber auch in Einzelheiten und verschärft sie im Ergebnis erheblich. Letztlich ist die Vorschrift sehr restriktiv und nicht geeignet, die europarechtlichen Bedenken zu zerstreuen (vgl. Rz. 58).

Die Vorschriften des UmwStG gehen der Bildung des Ausgleichspostens vor.[5] Wenn der Vorgang nach dem UmwStG steuerneutral ist, erübrigt sich die Anwendung des § 4g EStG.

 

Rz. 57

§ 4g Abs. 1 EStG ermöglicht es einem unbeschränkt Stpfl., den durch § 12 Abs. 1 KStG entstandenen Gewinn in einen passiven Ausgleichsposten einzustellen und damit diesen Gewinn zu neutralisieren. Zulässig ist die Bildung des Ausgleichspostens nur bei dem Ansatz des gemeinen Werts für ein Wirtschaftsgut des Anlagevermögens, nicht des Umlaufvermögens. Außerdem setzt die Bildung des Ausgleichspostens voraus, dass das deutsche Besteuerungsrecht dadurch ausgeschlossen oder beschränkt worden ist, dass das Wirtschaftsgut einer Betriebsstätte in einem EU-Staat zugeordnet wird; ergänzen wird man müssen, dass die Betriebsstätte auch in einem EWR-Staat liegen kann. Die Überführung in Betriebsstätten in Drittstaaten ist nicht begünstigt. Für den Fall des Ausschlusses oder der Beschränkung des deutschen Besteuerungsrechts hinsichtlich des Gewinns aus der Nutzung des Wirtschaftsguts kann kein Ausgleichsposten gebildet werden. Gleiches gilt für den Bereich der beschränkten Steuerpflicht; im Verhältnis einer deutschen Betriebsstätte zu einem ausländischen Stammhaus ist also ebenfalls die Bildung eines Ausgleichspostens nicht möglich. Der Ausgleichsposten ist nach § 4g Abs. 2 S. 1 EStG im Wirtschaftsjahr seiner Bildung und in den folgenden 4 Wirtschaftsjahren mit jeweils einem Fünftel gewinnerhöhend aufzulösen. § 4g Abs. 2 S. 2 EStG enthält darüber hinaus weitere Tatbestände, die zur vorzeitigen Auflösung und Versteuerung des Ausgleichspostens führen.[6]

 

Rz. 58

Da die Überführung von Wirtschaftsgütern zwischen inl. Betriebsstätten nicht zu einer steuerlichen Belastung führt, liegen insoweit eine Diskriminierung und ein Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit nach Art. 49 AEUV vor. Die europarechtliche Zulässigkeit der Regelung hängt daher vom Bestehen von Rechtfertigungsgründen und davon ab, ob die Regelung geeignet und notwendig ist. Der Rechtfertigungsgrund der Verhinderung von Missbräuchen greift nicht ein, da § 12 Abs. 1 KStG viel zu allgemein gefasst ist, als dass sie als zielgenaue Missbrauchsverhinderungsvorschrift anzusehen wäre. Die Regelung ist jedoch durch den Grundsatz der Aufteilung der Besteuerungsrechte gerechtfertigt. Der Staat, aus dem das Wirtschaftsgut verlagert wird, hat das Recht, die bis zu diesem Zeitpunkt entstandenen stillen Reserven zu besteuern. Dabei kann der Wegzugsstaat auch nicht realisierte Gewinne besteuern, braucht also mit der Festsetzung der Steuer nicht bis zur Realisierung zu warten. Allerdings muss eine Stundungsmöglichkeit bis zu 5 Jahren vorgesehen werden.[7] Der Wegzugsstaat braucht auch spätere Wertminderungen dieses Wirtschaftsguts steuerlich nicht zu berücksichtigen. Dies ist Sache des aufnehmenden Staats. Wenn dieser die Wertverluste einschließlich der Abschreibungen nicht berücksichtigt, fällt dies nicht in den Verantwortungsbereich des abgebenden Staats. Insgesamt dürfte die Grundkonzeption des § 12 Abs. 1 KStG i. V. m. § 4g EStG damit europarechtskonform sein. Allerdings gilt dies nicht für alle Einzelregelungen. So dürfte keine Rechtfertigung dafür bestehen, die aufgeschobene Besteuerung durch § 4g EStG nicht auf die beschränkte Stpfl. auszudehnen. Auch der Ausschluss der EWR-Staaten dürfte ungerechtfertigt sein.

Rz. 59 - 88 einstweilen frei

[1] Vgl. EuGH v. 11.3.2004, C-9/02, (Lasteyrie du Saillant), BFH/NV Beilage 2004, 211, ECLI:EU:C:2004:138.
[2] Vgl. Benecke/Schnitger, IStR 2007, 22; Bilitewski, FR 2007, 57, 59; Hoffmann, DB 2007, 652; Kessler/Wi...

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