[4] Führt die Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes zu weitergehenden Berichtigungen als die anderen Vorschriften, sind die weitergehenden Berichtigungen neben den Rechtsfolgen der anderen Vorschriften durchzuführen.

 

Rz. 245

[Autor/Stand] Grundsatz der Idealkonkurrenz. § 1 Abs. 1 Satz 4 enthält den Grundsatz der Idealkonkurrenz, dem zufolge bei Anwendbarkeit anderer Korrekturvorschriften (z.B. vGA, vE) die jeweils weitergehende Rechtsfolge zu ziehen ist. § 1 Abs. 1 schränkt die Rechtsfolgen anderer Gewinnkorrekturvorschriften somit nicht ein. § 1 gilt demnach subsidiär und tritt insoweit zurück, als andere Korrekturnormen greifen. Als konkurrierende Normen kommen etwa die vGA und die vE in Betracht. Soweit die Rechtsfolge des § 1 jedoch weiter reicht als diejenige der konkurrierenden Korrekturnormen, ist § 1 hinsichtlich des Differenzbetrags anwendbar (sog. Wertauffüllerfunktion). Dies stellt § 1 Abs. 1 Satz 4 klar, wonach "die weitergehenden Berichtigungen [des § 1 Abs. 1] neben den Rechtsfolgen der anderen Vorschriften durchzuführen" sind.

 

Rz. 246

[Autor/Stand] Spannungsverhältnis zu Satz 1. Während § 1 Abs. 1 Satz 1 eine Korrektur "unbeschadet anderer Vorschriften anordnet" ergibt sich aus § 1 Abs. 1 Satz 4 eine ergänzende Anwendung des § 1, wenn die Rechtsfolgen des § 1 weiterreichen als die Rechtsfolgen der anderen Vorschriften. Zwischen Satz 1 und Satz 4 besteht insoweit ein Spannungsverhältnis (vgl. auch Rz. 26.9). In diesem Zusammenhang ging die herrschende Meinung bislang davon aus, dass grundsätzlich ein Vorrang zugunsten anderer Vorschriften besteht; § 1 hat sodann eine "Auffüllfunktion" und kommt zusätzlich zur Anwendung, wenn andere Korrekturnormen nicht anwendbar sind oder einen geringeren Korrekturmaßstab vorsehen. Hinsichtlich der Passage "unbeschadet anderer Vorschriften" entschied der BFH in 2019 indessen, dass sich aus dieser Formulierung "kein Vorrang des § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG " ergebe. "Beide Vorschriften [§ 1 AStG und § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG] überlagern einander vielmehr in dem Sinne, dass sich eine Gewinnkorrektur nach der einen Vorschrift erübrigt, wenn sie bereits nach der anderen vollzogen wurde. Soweit die Rechtsfolgen der beiden Vorschriften nicht voneinander abweichen, kann der Rechtsanwender wählen, welche von ihnen er vorrangig prüft."[3] Gleichwohl ist trotz dieser Rechtsprechung weiter davon auszugehen, dass das bisherige Verständnis hinsichtlich der Subsidiarität des § 1 und seiner Wertauffüllerfunktion weiter Bestand hat. Denn auch aus Sicht der Finanzverwaltung folge aus der Passage "unbeschadet anderer Vorschriften" kein Wahlrecht für die Anwendung der Vorschrift. Vielmehr ergänze § 1 die vGA und vE, sofern sich im Einzelfall aus § 1 weitergehende Berichtigungen neben den Rechtsfolgen der anderen Vorschriften ergeben. § 1 soll lediglich in bestimmten Fällen anstelle anderer Korrekturnormen anzuwenden sein, soweit durch die anderen Korrekturnormen die Erfassung des zutreffenden Inlandsgewinns nicht sichergestellt wird (Rz. 17.7).[4] Grundsätzlich ist aber weiterhin davon auszugehen, dass § 1 zu Anwendung kommt und anzuwenden ist, soweit die Rechtsfolge des § 1 weiter reicht als diejenige der anderen Korrekturnomen.

 

Rz. 247

[Autor/Stand] Anwendungsbereich. Von der Vorschrift sind solche Geschäftsvorfälle betroffen, bei denen entweder keine andere Korrekturvorschrift einschlägig ist oder neben dem Fremdvergleichspreis gem. § 1 ein anderer Bewertungsmaßstab (z.B. der Teilwert im Fall einer Einlage oder Entnahme[6]) zur Anwendung kommt. Dabei können sich Abweichungen insoweit ergeben, als z.B. zur Ermittlung des Teilwerts auf die keinen Gewinnaufschlag enthaltenden Wiederbeschaffungskosten eines Wirtschaftsguts abzustellen sein kann, während bei Ansatz des Fremdvergleichspreises ein Gewinnaufschlag zu berücksichtigen wäre.[7] In Höhe des Gewinnaufschlags ist dann eine (zusätzliche) Berichtigung gem. § 1 durchzuführen. Unterschiede können sich auch insoweit ergeben, als die Auslegung des Fremdvergleichsgrundsatzes gem. § 1 von der Auslegung des Fremdvergleichsgrundsatzes in anderen Korrekturnormen (z.B. der verdeckten Gewinnausschüttung[8]) abweicht. Die Unterscheidung zwischen den verschiedenen Korrekturnormen ist auf der Rechtsfolgenseite auch bereits wegen der unterschiedlichen bilanziellen Behandlung erforderlich.[9]

 

Rz. 248

[Autor/Stand] Fremdvergleichsgrundsatz nach § 1 und nach Maßgabe der vGA-Grundsätze. Der in § 1 Abs. 1 niedergelegte Fremdvergleichsgrundsatz muss nicht notwendigerweise der durch die Rechtsprechung entwickelten Theorie des doppelten ordentlichen Geschäftsleiters zur Prüfung der gesellschaftsrechtlichen Veranlassung als notwendige Tatbestandsvoraussetzung der vGA entsprechen.[11] Diese Unterschiede werden insbesondere bei einer Funktionsverlagerung offenkundig: Die Voraussetzungen einer Funktionsverlagerung sowie die mit ihr im Zusammenhang stehende Bewertung eines Einigungsbereichs auf der Grundlage eines Transferpakets sind gesetzlich in § 1 Abs. 3b def...

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