Rz. 63

[Autor/Stand] Abgrenzung zu § 6. Sind Anteile an Kapitalgesellschaften einem steuerlichen (Sonder-)Betriebsvermögen zuzurechnen, die nicht als einbringungsgeborene Anteile i.S.v. § 21 Abs. 1 Satz 1 UmwStG 1995 qualifizieren,[2] kann bspw. ein Wegzug des Einzel- oder Mitunternehmers eine Entstrickungsbesteuerung im Wege einer sog. fiktiven Entnahme i.S.v. § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG[3] oder einer sog. fiktiven Betriebsaufgabe nach § 16 Abs. 3a EStG[4] auslösen, wenn vereinfacht (i) das deutsche Besteuerungsrecht an den Gewinnen aus der Veräußerung oder Nutzung nur der Anteile ausgeschlossen oder beschränkt wird, daneben aber weiterhin steuerverstrickt bleibendes Vermögen dieses (Sonder-)Betriebsvermögen besteht (Fälle des § 4 Abs. 1 Satz 3, dazu Rz. 65 ff.) oder (ii) das deutsche Besteuerungsrecht an den Gewinnen aus der Veräußerung sämtlicher Wirtschaftsgüter des Betriebs oder Teilbetriebs ausgeschlossen oder beschränkt wird (Fälle des § 16 Abs. 3a EStG, dazu Rz. 74). Rechtsfolgenseitig unterscheiden sich die beiden Entstrickungsvorschriften darin, dass auf Antrag für Fälle des § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG die Gewinnverteilungsmethode i.S.v. § 4g EStG in Betracht kommt (dazu Rz. 69), während für Fälle des § 16 Abs. 3a EStG ein Ratenzahlungskonzept (§ 36 Abs. 5 EStG) vorgesehen ist (dazu Rz. 75). Die praktische Bedeutung dieser Entstrickungsvorschriften ist nicht zu unterschätzen. Der deutsche (familiengeführte) Mittelstand ist häufig mit einer gewerblichen Personengesellschaft als Konzernholding aufgestellt, die ihrerseits verschiedene Anteile an in- und ausländischen Kapitalgesellschaften hält.[5] Dies kann bei einem mobilen Gesellschafterkreis die bestmögliche Struktur sein, wenn sichergestellt ist, dass hinsichtlich sämtlicher wesentlicher Wirtschaftsgüter das deutsche Besteuerungsrecht "verstrickt" bleibt. Ebenso sind in praxi aber Strukturen zu beobachten, in denen an der Spitze eine vermögensverwaltende, aber gewerblich geprägte GmbH & Co. KG steht. Diese Struktur ist bei Wegzug eines Gesellschafters ebenso problematisch wie jene vermeintlichen Anwendungsfälle des § 6, die tatsächlich wegen Betriebsvermögenszugehörigkeit der Kapitalgesellschaftsanteile dem Regime der §§ 4 Abs. 1 Satz 3, 16 Abs. 3a EStG unterfallen (s. etwa das Beispiel in Rz. 64).

 

Rz. 64

[Autor/Stand] Vermeintliche Anwendungsfälle des § 6. Die Zurechnung von Kapitalgesellschaftsanteilen zu einem steuerlichen Betriebsvermögen – mit der Folge der Nichtanwendung des § 6 – ist nicht immer auf den ersten Blick erkennbar. Angesprochen sind hier v.a. unerkannte Betriebsaufspaltungsfälle, bei denen die zivilrechtlich unmittelbar gehaltenen Kapitalgesellschaftsanteile einem steuerlichen Einzelunternehmen des Steuerpflichtigen zuzurechnen sind.[7]

 

Beispiel

P ist Alleingesellschafter und -geschäftsführer der deutschen P Invest GmbH, in der P verschiedene Kapitalanlagen zum Zwecke der Vermögensverwaltung gebündelt hat. Der Sitz der Gesellschaft ist laut Handelsregister das private Wohnhaus von P. In dem Wohnhaus hat sich P ein Arbeitszimmer eingerichtet, aus dem er ungestört die Geschäftsführungstätigkeiten der P Invest GmbH erledigt.

Legt man die Rechtsprechung des BFH zugrunde, sind die Anteile an der P Invest GmbH sehr wahrscheinlich notwendiges Betriebsvermögen eines Betriebsaufspaltungsbetriebs von P, der durch die Nutzung des häuslichen Arbeitszimmers als Geschäftsleitungsort der Gesellschaft begründet wurde: Neben der unzweifelhaften personellen Verflechtung zwischen überlassendem P und "seiner" Gesellschaft ergibt sich die sachliche Verflechtung daraus, dass nach der Rechtsprechung des BFH auch das häusliche Arbeitszimmer[8] in einem privaten Einfamilienhaus, das an die Betriebs-GmbH als einziges Büro (Mittelpunkt der Geschäftsleitung) überlassen wird, eine wesentliche Betriebsgrundlage darstellen kann, selbst wenn es nicht für Zwecke des Betriebsunternehmens besonders hergerichtet und gestaltet ist.[9] Für die Annahme einer funktional wesentlichen Betriebsgrundlage bei der Überlassung von Büroräumen zum Zwecke der Geschäftsleitung sei aber erforderlich, dass ein nicht unbedeutender Teil des Tagesgeschäfts der Geschäftsleitung in diesen Räumlichkeiten stattfinde.[10] Es genüge regelmäßig nicht, wenn dort lediglich Hilfstätigkeiten ausgeübt werden, die etwa in der gelegentlichen Kontaktaufnahme mit dem andernorts befindlichen Betrieb oder der andernorts befindlichen Geschäftsleitung bestehen.[11] Richtigerweise scheidet eine sachliche Verflechtung aus, wenn sich die Nutzung nicht auf ein eigenständiges Wirtschaftsgut erstreckt. Daher kann zwar die Geschäftsführung aus einem abgegrenzten Arbeitszimmer eine Betriebsaufspaltung begründen, nicht aber die Arbeit in einer bloßen "Arbeitsecke" oder am Wohnzimmer- bzw. Küchentisch.[12] Weiter dürfte Voraussetzung sein, dass der Gebäudeteil nicht die in § 8 EStDV genannten Grenzen unterschreitet.[13] Wird die Geschäftsleitung sowohl im häuslichen Arbeitszimmer als auch in anderen Räumlichkeiten der GmbH a...

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