Rz. 1205

[Autor/Stand] Definition nach § 1 Abs. 1 FVerlV. Gegenstand der Verlagerung muss eine Funktion sein. Diese wird allerdings nicht in § 1 Abs. 3 Satz 9, sondern in § 1 Abs. 1 FVerlV definiert. So ist nach § 1 Abs. 1 Satz 1 FVerlV eine Funktion "eine Geschäftstätigkeit, die aus einer Zusammenfassung gleichartiger betrieblicher Aufgaben besteht, die von bestimmten Stellen oder Abteilungen eines Unternehmens erledigt werden." Die steuerliche Definition der Funktion steht damit – zumindest im Wesentlichen – im Einklang mit ihrem Verständnis in der betriebswirtschaftlichen Organisationstheorie.[2] Für die Praxis ist die Definition allerdings nur bedingt hilfreich, da sie keine "Untergrenze" für das Vorliegen einer Funktion definiert und infolgedessen – zumindest nach Auffassung der Finanzverwaltung – auch beliebig kleine und "atomisierte" Tätigkeitsbereiche erfasst werden.[3] Im Allgemeinen kommen als Funktionen, welche Gegenstand einer Funktionsverlagerungsbesteuerung nach § 1 Abs. 3 Satz 9 sein können, folgende in Betracht[4]:

  • Geschäftsleitung,
  • Forschung und Entwicklung,
  • Materialbeschaffung,
  • Lagerhaltung,
  • Produktion,
  • Verpackung,
  • Vertrieb,
  • Montage,
  • Bearbeitung oder Veredelung von Produkten,
  • Qualitätskontrolle,
  • Finanzierung,
  • Transport,
  • Organisation,
  • Verwaltung,
  • Marketing,
  • Kundendienst.[5]
 

Rz. 1206

[Autor/Stand] Definition der Funktionen durch eine Geschäftstätigkeit. § 1 Abs. 1 Satz 1 FVerlV beschreibt die Funktion als "Geschäftstätigkeit". Was jedoch konkret eine Geschäftstätigkeit und damit eine Funktion ausmacht, lässt die FVerlV offen. Auffällig ist zunächst, dass jedweder Bezug zum Gegenstand des Unternehmens fehlt. Nach diesem Begriffsverständnis erfüllt etwa die Zusammenfassung einfachster Tätigkeiten die Anforderung an eine Geschäftstätigkeit, wenn sie nur von demselben Funktionsträger (dh. Stelle oder Abteilung[7]) erfüllt werden. Ein solch weitgehendes Begriffsverständnis impliziert auch § 2 Abs. 2 FVerlV, wonach die Auslagerung einer Tätigkeit, die – nach der Funktionsverlagerung – vom übernehmenden Unternehmen ausschließlich gegenüber dem verlagernden Unternehmen ausgeübt und deren Entgelt nach der Kostenaufschlagsmethode zu bemessen ist, als Funktionsverlagerung qualifiziert wird (Anm. 1245 f.).[8] Vom Gegenstand des Unternehmens als "unternehmerische Gesamtaufgabe" grenzt sich eine Funktion dadurch ab, dass sie nur einen Bestandteil dieser ausmacht, deshalb nicht sämtliche zur Erwirtschaftung der Gesamtwertschöpfung notwendigen Elemente umfasst und dementsprechend durch eingeschränkte Entscheidungs-, Weisungs- und Ausführungsbefugnisse gekennzeichnet ist (Anm. 1205).[9] Von der einzelnen Tätigkeit fehlt demgegenüber jedwede Abgrenzung, so dass die Finanzverwaltung von einer tätigkeits- und objektbezogenen "Atomisierung" des Funktionsbegriffs ausgeht.[10] Die VWG-Funktionsverlagerung führen zur Konkretisierung der Geschäftstätigkeit lediglich aus, dass diese auch dann vorliegt, wenn sie nur konzernintern ausgeübt wird.[11] Infolgedessen bedarf es – nach Auffassung der Finanzverwaltung – zum Vorliegen einer Funktion keiner Marktteilnahme gegenüber unabhängigen Dritten. Ferner wird die Notwendigkeit der Abgrenzung gegenüber übrigen Geschäftstätigkeiten herausgestrichen, ohne dass eine inhaltliche Konkretisierung gegenüber einzelnen Tätigkeiten vorgenommen wird.[12]

 

Rz. 1207

[Autor/Stand] Ablehnung der Auffassung der Finanzverwaltung. Nach Auffassung der Finanzverwaltung ist der Begriff der Funktion "tätigkeitsbezogen und objektbezogen"[14] zu definieren. Infolgedessen ist nach den VWG-Funktionsverlagerung – entgegen der h.M. der Literatur[15] – auch die "Produktion eines bestimmten Produkts oder einer bestimmten Produktgruppe" als Funktion i.S. des § 1 Abs. 3 Satz 9 anzusehen. Diese weite Interpretation der Funktion (i.S. einer "Atomisierung" der Funktion) steht weder im Einklang mit dem Wortlaut und dem Telos des § 1 Abs. 3 Satz 9 noch ist sie durch die Definition der Funktion in § 1 Abs. 1 FVerlV gedeckt. Denn nach § 1 Abs. 1 Satz 2 FVerlV wird für eine Funktionsverlagerung vorausgesetzt, dass ein "organischer Teil eines Unternehmens" übergeht (Anm. 1209). Dieser organische Teil muss zwar nicht zwingend einen Teilbetrieb begründen, dem aber sehr nahe kommen.[16] Das Kriterium eines "organischen Teils des Unternehmens" schließt indessen unzweifelhaft eine "Atomisierung" der Funktionsdefinition aus. Ferner ist zu beachten, dass § 1 Abs. 1 Satz 1 FVerlV eine Funktion als "Geschäftstätigkeit" definiert (Anm. 1206).[17] In diesem Zusammenhang sieht die Begr. zu § 1 Abs. 1 Satz 2 FVerlV ausdrücklich vor, dass mit der Funktion eine gewisse Eigenständigkeit einhergeht, die es erlaubt, der Funktion bestimmte Erträge und Aufwendungen zuzuordnen. Dadurch – so die Begr. zur FVerlV – soll auch eine "ausufernde Anwendung" der Funktionsverlagerungsbesteuerung vermieden werden.[18] Genau dieses geschieht aber bei der von der Finanzverwaltung vorgesehenen produktbezogenen Definition der Funktion. Im Übrigen kann a...

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