Rz. 1218

[Autor/Stand] Definition der "Verlagerung" gem. § 1 Abs. 3 Satz 9. Der in § 1 Abs. 3 Satz 9 verwandte Begriff der "Verlagerung" wird in der Vorschrift nicht definiert. Klar ist insoweit nur, dass der Gesetzeswortlaut weder Funktionsverdoppelungen noch Funktionsvervielfältigungen erfassen will.[2] Denn das Gesetz spricht ausdrücklich von "verlagert".

 

Rz. 1219

[Autor/Stand] Betriebswirtschaftliche Sicht. Stellt man mangels gesetzlicher Definition in § 1 Abs. 3 zur Definition des Verlagerungstatbestandes auf die betriebswirtschaftliche Sicht ab, liegt eine grenzüberschreitende Funktionsverlagerung vor, wenn eine Funktion (Anm. 1205 ff.), die bisher im Inland ausgeübt wurde, zukünftig an einem anderen Standort im Ausland ausgeübt wird.[4] Die Verlagerung von Funktionen setzt demnach voraus, dass die entsprechende Funktion bereits vor der Verlagerung ausgeübt worden ist (Anm. 1213). Der Begriff der Funktionsverlagerung erfasst damit nicht die Kapazitätserweiterung. Ferner muss die Beendigung der Funktionsausübung am bisherigen Standort in einem engen zeitlichen Zusammenhang mit der Aufnahme der Funktionsausübung am neuen Standort stehen. Infolgedessen kann von einer Verlagerung von Funktionen nicht ausgegangen werden, wenn eine Funktion im Inland zunächst eingestellt und zu einem späteren Zeitpunkt im Ausland von neuem aufgenommen wird. Der Begriff der "Verlagerung" i.S. des § 1 Abs. 3 Satz 9 impliziert damit nicht nur, dass eine bislang im Inland wahrgenommene Funktion zukünftig im Ausland ausgeübt wird; vielmehr ist es auch erforderlich, dass die ursprüngliche Tätigkeit im Inland eingestellt wird. Eine Verlagerung erfordert also, dass eine bereits vorhandene Tätigkeit vollständig an einem neuen Ort ausgeübt wird.[5]

 

Rz. 1220

[Autor/Stand] Definition der "Verlagerung" gem. § 1 Abs. 2 FVerlV. § 1 Abs. 2 Satz 1 FVerlV konkretisiert die Tatbestandsvoraussetzung der "Verlagerung" dahin gehend, dass "damit das übernehmende Unternehmen eine Funktion ausüben kann, die bisher von dem verlagernden Unternehmen ausgeübt worden ist, und dadurch die Ausübung der betreffenden Funktion durch das verlagernde Unternehmen eingeschränkt wird." Damit muss die in das Ausland "verlagerte" Funktion beim inländischen Unternehmen eingestellt oder zumindest eingeschränkt werden.[7] Während der Begriff des "Einstellens" insofern eindeutig ist, als damit die Aufgabe der entsprechenden Funktion im Inland gemeint ist, ist die Auslegung des Begriffs "einschränken" problematisch. Insb. stellt sich die Frage, ob der Begriff der Einschränkung einer Funktion tätigkeitsbezogen oder produktbezogen auszulegen ist. Die Finanzverwaltung geht von einem rein produktbezogenen Begriffsverständnis aus. Diese Auffassung ist abzulehnen, da sie durch die gesetzliche Definition der Funktionsverlagerung nicht gedeckt ist (Anm. 1207 ff.). Soweit § 1 Abs. 2 Satz 1 FVerlV eine "Verlagerung" bereits mit einer Einschränkung der Funktion beim inländischen Unternehmen annimmt, während § 1 Abs. 3 Satz 9 von einer Einstellung der Funktion im Inland ausgeht, verlässt die FVerlV ihren Ermächtigungsrahmen und ist insoweit ohne Rechtsgrundlage.

 

Rz. 1221

[Autor/Stand] Qualitative Auslegung der Einschränkung einer Funktion. Was konkret unter einer "Einschränkung" der Funktionen beim inländischen Unternehmen zu verstehen ist, lässt § 1 FVerlV offen. Nach Auffassung der Finanzverwaltung soll es indessen im Hinblick auf eine Funktionseinschränkung im Inland qualitativ darauf ankommen, ob das übernehmende Unternehmen mit den übertragenen oder zur Nutzung überlassenen Wirtschaftsgütern die Funktion in gleicher Weise wie das verlagernde Unternehmen ausübt.[9] Diese Aussage ist insofern nicht sachgerecht, als dann eine ggf. im Ausland neu entstehende Funktion bzw. eine Neukonfiguration der Funktion in den Bewertungsbereich des Transferpakets eingehen könnte, welche im Inland vor der Funktionsverlagerung nicht bestand.[10] Darüber hinaus ist auch selbstverständlich, dass Funktionen, die bislang von einem unabhängigen Dritten für das funktionsabgebende Unternehmen erbracht und nach der Funktionsverlagerung durch das ausländische verbundene Unternehmen selbst ausgeübt werden, nicht von einer Funktionsverlagerungsbesteuerung erfasst werden können.

 

Rz. 1222

[Autor/Stand] Quantitative Auslegung der Einschränkung der Funktion. Was den quantitativen Maßstab für die Einschränkung einer Funktion im Inland anbelangt, geht die Finanzverwaltung von dem mit der entsprechenden Funktion erzielten Umsatz aus.[12] So könne eine Funktionseinschränkung erst bei Umsatzeinbußen von mehr als 1 Mio. Euro in einem Wirtschaftsjahr (Bagatellgrenze) vorliegen.[13] Dies hat bspw. zur Folge, dass die Finanzverwaltung für den Fall, dass im Ausland eine Vertriebsfunktion neu aufgenommen wird und es dadurch beim inländischen Unternehmen zu Umsatzrückgängen kommt, eine Funktionsverlagerung annimmt.[14] Eine solche Auslegung der "Einschränkung einer Funktion" entbehrt indessen jeglicher Rechtsgrundlage und ist ...

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