Rz. 31

[Autor/Stand] Zweck. Steuersystematisch erstreckt § 6 den Anwendungsbereich des § 17 EStG[2] auf Sachverhalte, in denen es jenseits einer transaktionsbedingten Realisierung der in den Anteilen angesammelten Wertzuwächse nach dem Willen des Gesetzgebers einer vorgelagerten Abrechnung der stillen Reserven bedarf, um das deutsche Besteuerungsrecht hieran abzusichern.[3] § 6 ist Fiskalzwecknorm[4], sie zielt an sich nicht – wie bspw. (nach Ansicht des BVerfG[5]) § 2 – auf eine verhaltenslenkende Wirkung. In ihrer Wirkung kann sie aber dazu führen, dass der Steuerpflichtige faktisch in seinem Verhalten "gelenkt" wird, nämlich dann, wenn die drohende Wegzugsbesteuerung zur "Wegzugssperre" wird.[6] Nach der bisherigen Regelung des § 6 a.F. hatten insoweit v.a. Wegzüge im EU-/EWR-Raum aufgrund der dauerhaften Stundung i.S.v. § 6 Abs. 5 a.F. ihren Schrecken weitgehend verloren. Durch die Abschaffung der dauerhaften Stundung i.S.v. § 6 Abs. 5 a.F. und die Forderung einer Sicherheitsleistung für die siebenjährige Ratenzahlung (§ 6 Abs. 4 Satz 1) bzw. Stundung während der vorübergehenden Abwesenheit (§ 6 Abs. 4 Satz 7) wird künftig die Bedeutung des § 6 als "Wegzugssperre" erheblich zunehmen.[7] Im Rahmen der wegzugsteuerelevanten Vorschriften zielt § 6 nur auf im Privatvermögen gehaltene Anteile, die die Voraussetzungen i.S.v. § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG erfüllen. Erweiterungen des Anteilsbegriffs in § 17 Abs. 1 Satz 3 EStG, wie zuletzt hinsichtlich der Anteile an einer optierenden Gesellschaft i.S.v. § 1a Abs. 1 KStG (dazu Rz. 13, 335), schlagen auf § 6 Abs. 1 durch. Während § 6 a.F. bisher einen Rechtsgrund- sowie Rechtsfolgenverweis[8] auf § 17 EStG vorsah, fingiert § 6 nun eine Veräußerung der Anteile i.S.v. § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG (s. dazu Rz. 551 ff.). bei Sachverhalten, die i.d.R. zu einer Beschränkung oder dem Ausschluss des deutschen Besteuerungsrechts hinsichtlich der unter der deutschen Steuerhoheit entstandenen Wertzuwächse in den Anteilen führen (würden). Wie bisher hat aber auch § 6 n.F. überschießende Tendenzen (s. Rz. 38) Einschränkungen des deutschen Besteuerungsrechts drohen bei einem physischen Wegzug des Anteilsinhabers etwa, wenn er aus der unbeschränkten Steuerpflicht in Deutschland ausscheidet und Anteile an einer ausländischen Kapitalgesellschaft hält, da kein steuerrechtlicher Anknüpfungspunkt für eine Besteuerung des Veräußerungsgewinns mehr besteht. Scheidet er mit Anteilen an inländischen Kapitalgesellschaften aus der unbeschränkten Steuerpflicht aus oder verlagert er seinen Lebensmittelpunkt in einen ausländischen Staat, wird für den späteren Veräußerungsfall trotz § 49 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. e Doppelbuchst. aa EStG ein deutsches Besteuerungsrecht regelmäßig ausgeschlossen, wenn Deutschland mit dem Zuzugsstaat ein Doppelbesteuerungsabkommen abgeschlossen hat (vgl. Art. 13 Abs. 5 OECD-MA, dazu Rz. 117). Jenseits eines physischen Wegzugs des Anteilseigners kann das deutsche Besteuerungsrecht für einen späteren tatsächlichen Realisierungsakt auch ausgeschlossen werden, wenn der Anteilsinhaber seinen inländischen Steuerstatus zwar nicht verändert, die Anteile i.S.v. § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG ihrerseits aber unentgeltlich (Erbfall, Schenkungen) auf einen im Ausland ansässigen Empfänger übertragen werden.

 

Rz. 32

[Autor/Stand] Keine Missbrauchsvorschrift. § 6 ist – ebenso wie § 6 a.F.[10] – keine Missbrauchsvermeidungsvorschrift. Der physische Wegzug, der Erbfall, die Schenkung etc. sind keine missbräuchlichen Verhaltensweisen, die auf (rechtliche, vgl. § 42 AO) Steuerumgehungen angelegt sind. Dies zeigt sich bspw. daran, dass die Vermögenszuwachsbesteuerung auch greift, wenn der Anteilsinhaber in einen Staat verzieht, in dem die Veräußerungsgewinne höher besteuert werden als in Deutschland.[11] § 6 dient vielmehr als allgemeine Regelung der internationalen Steuerabgrenzung hinsichtlich der Versteuerung stiller Reserven[12] und nicht der Vermeidung von Missbräuchen.[13]

 

Rz. 33

[Autor/Stand] Gesetzesaufbau. § 6 Abs. 1 Satz 1 enthält die Tatbestände, die eine Wegzugsbesteuerung auslösen können und regelt den Vorrang der Vorschriften des EStG, KStG und UmwStG. Die Tatbestände können wie bisher nur von natürlichen Personen als Anteilsinhabern i.S.v. § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG[15] verwirklicht werden. § 6 Abs. 1 Satz 1 sieht – anders als bisher – nur noch drei Wegzugsteuertatbestände vor. Dies sind die Beendigung der unbeschränkten Steuerpflicht infolge der Aufgabe des Wohnsitzes oder des gewöhnlichen Aufenthalts (§ 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1), die unentgeltliche Übertragung auf eine nicht unbeschränkt steuerpflichtige Person (§ 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2) und – subsidiär – der Ausschluss oder die Beschränkung des deutschen Besteuerungsrechts hinsichtlich des Gewinns aus der Veräußerung der Anteile (§ 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3). Die bisherigen Tatbestände des § 6 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 a.F. (Begründung der abkommensrechtlichen Ansässigkeit in einem DBA-Staat) bzw. § 6 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 a.F. (Einlage der Anteile in au...

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