Rz. 61

[Autor/Stand] Europatauglichkeit. Problematisch ist die Europatauglichkeit der geltenden Anrechnungsmethode des § 34 c, indem die Anrechnung auf den inländischen Steuerbetrag begrenzt wird[2] und Kapitaleinkünfte separat nach § 32 d EStG behandelt werden – unabhängig von ihrer Besteuerung im ausländischen Staat. Ein wesentlicher Teil des Problems ist durch die Änderung des § 34 c Abs. 1 Satz 2 und Satz 3 Halbs. 1 ab 2015 entfallen. Neben der Reflexwirkung auf den Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG kann der Stpfl. durch das Regelungsgeflecht im ausländischen Staat, das den Vorstellungen des deutschen Gesetzgebers nicht entsprechen muss, in der Niederlassungs- (Art. 49 AEUV), Kapitalverkehrsfreiheit (Art. 63 AEUV) und Arbeitnehmerfreizügigkeit (Art. 45 AEUV) beschränkt sein.[3] Diese Grundfreiheiten sollen den gemeinsamen Markt verwirklichen (vgl. Art. 3 EUV) und müssen demnach insbes. auch bei der Steuergesetzgebung beachtet werden. Nach Art. 4 EUV sind alle Mitgliedstaaten verpflichtet, die volle Geltung der im AEUV garantierten sog. Grundfreiheiten sicherzustellen, die verbieten, einen grenzüberschreitenden Sachverhalt im Vergleich zum rein inländischen Sachverhalt zu benachteiligen.

Sieht man die Regelungen der vorgenannten Freiheitsrechte als uneingeschränkte Forderungen nach einer Gleichbehandlung mit Inlandssachverhalten an, so müsste die Regelung der Steueranrechnung stets eine Vergütung höherer Auslandssteuern einschließen. Unseres Erachtens wird man dies aus den Freiheitsrechten jedoch nicht fordern können. Fraglich ist aber, ob nicht wenigstens eine Zusammenschau aller ausländischen Einkünfte aus dem EU- und EWR-Bereich gefordert werden muss, weil der Stpfl. dann Hoch- und Niedrigsteuerländer geeignet auswählen könnte und in der Summe keinen Nachteil bei der Steuerrechnung erleiden würde Mit Blick auf den angestrebten "einheitlichen Wirtschaftsraum" scheinen nur gute Gründe für eine solche Einheitsbetrachtung zu sprechen. Es wäre daher gesetzgeberisch vorausschauend, § 34 c ebenfalls bzgl. des EU/EWR-Raums einerseits und dem Rest der Welt zu trennen, wenn man sich nicht im Rahmen der Steuervereinfachung von der finanziell für Deutschland ohnedies wohl wenig ertragreichen „per-country-limitation” verabschieden will.[4]

 

Rz. 62– 72

[Autor/Stand] frei

[Autor/Stand] Autor: Lüdicke, Stand: 01.11.2015
[2] Roser, EStB 2007, 227 (229) spricht von "nicht unproblematisch".
[3] Für Europarechtskonformität vgl. EuGH v. 12.5.1998 – Rs. C-336/96 – Gilly, ECLI:EU:C:1998:221 = IStR 1998, 336; zu Art. 3 Abs. 1 GG vgl. BFH v. 3.12.2003 – I S 10/03 PKH, IStR 2004, 279; FG Bremen v. 3.9.2003 – 2 K 179/03 (1), EFG 2003, 1707, rkr.; FG Köln v. 11.7.2002 – 7 K 8572/98, DStRE 2002, 1445, rkr. = EFG 2002, 1391 = FR 2002, 1235 m. Anm. Herlinghaus; Wied in Blümich, § 34 c EStG Rz. 14; wohl auch Heinicke in Schmidt34, § 34 c EStG Rz. 13, 23; a.A. Cordewener/Schnitger, StuW 2006, 50; Handzik in Littmann/Bitz/Pust, § 34 c EStG Rz. 20c; Gosch in Kirchhof14, § 34 c EStG Rz. 16; Imn, FR 2002, 1237; Jürgen Lüdicke, IStR 2003, 433; Mueller, IStR 2002, 109; Menhorn, IStR 2002, 15; wohl auch Roser, EStB 2007, 227 (229); Schaumburg, DStJG 24 (2001), S. 225; Schaumburg, StuW 2000, 369; Schön in GS Knobbe-Keuk, 1997, S. 743; Schnitger, IStR 2002, 478; wohl auch Schnitger, FR 2003, 148; Schnitger, IWB, Fach 11, Gruppe 2, 469 – jedoch zu DBA; wohl auch Schön, JbFfSt 2003/2004, S. 27 (44 f.); Spengel/Jaeger/Müller, IStR 2000, 257; Tumpel, DStJG 23 (2000), S. 347; Wassermeyer, IStR 2001, 113. § 34 c ist auch in der Übersicht zu möglicherweise europarechtswidrigen Normen enthalten (vgl. DB 2004, Beil. 6 zu Heft 43).
[4] Die FG Schleswig-Holstein und Baden-Württemberg haben in jüngerer Zeit mit (nicht rechtskräftigen) Urteilen v. 9.3.2011 – 2 K 221/08, juris und v. 21.7.2010 – 1 K 332/09, EFG 2010, 1689 die "per-country-limitation" ebenso als EU-konform beurteilt, wie die inzwischen vom EuGH beanstandete Höchstbetragsberechnung (EuGH v. 28.2.2013 – Rs. C-168/11 – Beker und Beker, ECLI:EU:C:2013:117). Es wäre wünschenswert, wenn der BFH in künftigen Revisionsverfahren die Frage der "per-country-limitation" in der Konstellation, dass wegen einer nicht steuersatzbedingten Teilanrechnung ausländischer Einkünfte (zB wegen unterschiedlicher zeitlicher Ergebniszuordnung) eine Folgeinvestition im selben Staat steuerlich vorteilhaft gegenüber einer Folgeinvestition in einem anderen Mitgliedstaat ist, die Konformität mit den Unionsfreiheiten überprüfen könnte. Meines Erachtens ist – zumindest – in derartigen Situationen die von den steuerlichen Überlegungen ausgehende Wettbewerbsbeeinflussung der Staaten ebenso wenig unionsrechtskonform, wie die Regelung, dass der Auslandstätigkeitserlass auf inländische Arbeitgeber beschränkt war (EuGH v. 28.2.1013 – Rs. C-544/11 – Petersen, ECLI:EU:C:2013:124 = BStBl. II 2013, 847).
[Autor/Stand] Autor: Lüdicke, Stand: 01.11.2015

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