Rz. 39

Die aufseiten des Nacherben anrechenbare Steuer ist nach § 6 Abs. 3 S. 2 ErbStG die tatsächlich entrichtete Steuer des Vorerben abzüglich der Steuer, die dessen tatsächlicher Bereicherung entspricht. Die tatsächlich vom Vorerben entrichtete Steuer bemisst sich nach den Verhältnissen zum Zeitpunkt der Steuerentstehung, mithin nach dem Tod des Erblassers. Die Steuer auf die tatsächliche Bereicherung des Vorerben erfasst demgegenüber fiktiv den Vermögenszuwachs, den der Vorerbe aufgrund der auflösend bedingten und damit zeitlich beschränkten Stellung als Vorerbe erzielt hat.[1]

 

Rz. 40

Eine entsprechende Bereicherung des Vorerben kann unterschiedliche Ursachen haben. In Betracht kommen z. B. eine Entnahme von Gegenständen aus dem Nachlass mit dem Willen des Erblassers, Entnahmen ohne Ersatz (Surrogat) bei befreiter Vorerbenstellung und gezogene Nutzungen bzw. Erträge, die – entsprechend einem Nießbrauch – mit dem Kapitalwert angesetzt werden.[2] Da § 6 Abs. 3 S. 2 ErbStG auf die tatsächliche Bereicherung abstellt, sind andererseits Aufwendungen des Vorerben auf die Vorerbschaft bzw. gegenüber dem Nacherben bereicherungsmindernd abzuziehen.[3] Dies gilt nach § 10 Abs. 8 ErbStG ausdrücklich nicht für die eigene Erbschaftsteuer des Vorerben (§ 10 ErbStG Rz. 290 ff.). Der Bewertungsstichtag für die tatsächliche Bereicherung des Vorerben ist nach h. M. der Zeitpunkt des Eintritts des Nacherbfalls.[4]

 

Rz. 41

Die nach diesen Kriterien ermittelte anrechenbare Steuer entspricht nicht in jedem Fall der tatsächlich anzurechnenden Steuer. Angerechnet wird die Steuer des Vorerben lediglich in der Höhe der tatsächlichen Steuer des Nacherben; ist diese niedriger als die anrechenbare Steuer des Vorerben, kommt es faktisch zu einer steuerlichen Überbelastung.[5] Der Anrechnungsanspruch des Nacherben gem. § 6 Abs. 3 S. 2 ErbStG erhöht jedoch in keinem Fall die Bereicherung des Nacherben.[6]

 
Praxis-Beispiel

Ein Erblasser setzt seine Ehefrau als Vorerbin ein, die gemeinsame Tochter soll mit Erreichen der Volljährigkeit Nacherbin werden. Bis zum Eintritt der Nacherbfolge hat die Vorerbin zulässigerweise aus der Vorerbschaft eine größere Summe Bargeld verbraucht und Nutzungen gezogen. Die Steuer, die die Vorerbin für den Erwerb der Vorerbschaft gezahlt hat, beläuft sich auf 200.000 EUR, die Steuer auf die der Vorerbin verbleibende Bereicherung aus dem Verbrauch des Bargelds und den gezogenen Nutzungen beträgt 75.000 EUR und die Steuer, die auf den Erwerb der Nacherbschaft durch die Tochter entfällt, beträgt 50.000 EUR. Die gem. § 6 Abs. 3 S. 2 ErbStG anrechenbare Steuer der Vorerbin beläuft sich auf 125.000 EUR (= 200.000 EUR ./. 75.000 EUR), womit die Steuer auf den Erwerb der Nacherbschaft 0 EUR beträgt. Da die anrechenbare Steuer der Vorerbin die Steuer der Nacherbin übersteigt, muss die Nacherbin im Ergebnis keine Steuer zahlen, allerdings erfolgt auch keine Erstattung der von der Vorerbin gezahlten und auf die Steuer der Nacherbin nicht anrechenbaren Steuer i. H. v. 75.000 EUR (= 125.000 EUR ./. 50.000 EUR).

[3] Gl. A. Gottschalk, in T/G/J/G, ErbStG, § 6 Rz. 120.
[4] Z. B. Weinmann, in Moench/Weinmann, ErbStG, § 6 Rz. 36; a. A. Gottschalk, in T/G/J/G, ErbStG, § 6 Rz. 120.
[5] Weinmann, in Moench/Weinmann, ErbStG, § 6 Rz. 31.

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Steuer Office Excellence. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge