2.5.1 Anwendungsbereich

 

Rz. 48

Die für erbschaftsteuerliche Zwecke entsprechend den Vorgaben der Sätze 1–4 ermittelte Zugewinnausgleichsforderung wird durch Satz 5 der Höhe nach begrenzt. In der bis 31.12.2008 geltenden Fassung minderte nicht der Nominalwert des zivilrechtlichen Ausgleichsanspruchs den steuerbaren Erwerb des Ehegatten oder Lebenspartners, sondern lediglich der dem Steuerwert des Nachlasses entsprechende Wert. Für die Fälle, in denen der steuerliche Wert des Nachlasses vom Verkehrswert abwich, kam es zu einer anteiligen Kürzung der Ausgleichsforderung.

 

Rz. 49

Es galt bis 31.12.2008 folgende Formel:

 
Ausgleichsforderung    ×    Steuerwert des Nachlasses  
Verkehrswert des Nachlasses  
 

Rz. 50

 
Praxis-Beispiel

Der Verkehrswert des Nachlasses beträgt 6 Mio. EUR; der Steuerwert 3 Mio. EUR und die fiktive Ausgleichsforderung 4 Mio. EUR. Nach Ansicht der FinVerw beträgt die steuerfreie Ausgleichsforderung 2 Mio. EUR.

Die von der FinVerw und dem BFH unter Berufung auf den Wortlaut propagierte Kürzung war in der Lit. auf Kritik gestoßen.[1] Nach Ansicht von Meincke ist im Beispielsfall oben die zivilrechtliche Ausgleichsforderung auf den Steuerwert des Nachlasses zu begrenzen und beträgt 3 Mio. EUR.

Der Gesetzgeber hat mit Wirkung ab dem 1.1.2009 reagiert und in Satz 5 jeweils die Worte "Nachlass" durch "Endvermögen" ersetzt. Demnach lautet die zutreffende Formel nunmehr:

 
Ausgleichsforderung    ×    Steuerwert des Endvermögens  
Verkehrswert des Endvermögens  

Unabhängig von dieser überfälligen Korrektur hat sich deren Bedeutung seit 1.1.2009 erheblich reduziert, da die steuerlichen Werte mit den Verkehrswerten in aller Regel identisch sind, mithin eine Kürzung nur noch in Ausnahmefällen in Betracht kommen wird.[2]

[1] Meincke/Hannes/Holtz, ErbStG, 2021, § 5 Rz. 35.
[2] Brüggemann, ErbBstg 2010, 37.

2.5.2 Besonderheiten bei der Rechtsanwendung

 

Rz. 51

Bis 31.12.2008 waren bei der Anwendung der Formel (Rz. 49) in die Rechnungsgröße "Verkehrswert des Nachlasses" auch Zuwendungen nach § 3 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG, insbesondere also Hinterbliebenenbezüge an den überlebenden Ehegatten, einzubeziehen, obwohl diese nicht in den Nachlass fallen (Rz. 33 ff.), sondern vom begünstigten Ehegatten am Nachlass vorbei erworben werden. Da seit 1.1.2009 auf das Endvermögen und nicht mehr den Nachlass abzustellen ist, hat sich die frühere Streitfrage erledigt.[1]

 

Rz. 52

Vorschenkungen des Erblassers an den überlebenden Ehegatten, die nicht nach § 1380 Abs. 1 BGB auf die Ausgleichsforderung anzurechnen sind (Rz. 37), sind bei der Kürzung der Ausgleichsforderung – nach umstrittener Ansicht – nicht zu berücksichtigen.[2] Sie wirkten sich folglich nur i. R. d. § 14 ErbStG aus bzw. dann, wenn sie im Endvermögen des überlebenden Ehegatten noch vorhanden sind.[3]

Durch die Neufassung des Satz 5 (Rz. 50) dürfte sich diese von der Lit. zu Recht kritisierte Problematik nicht gelöst haben, denn allein der Austausch der Bezugsgröße "Nachlass" durch "Endvermögen" vermag diese Streitfrage nicht zu klären.[4]

 

Rz. 53

Die nach § 1380 Abs. 1 BGB auf die Ausgleichsforderung anrechenbaren Vorausempfänge an den überlebenden Ehegatten werden von der FinVerw in die Umrechnung einbezogen.[5] In der Lit. bestand Einigkeit darüber, dass es Fallkonstellationen gab, bei denen sich sachlich unbefriedigende Ergebnisse ergeben konnten. Da die FinVerw an ihrer bisherigen Ansicht festhalten wird, dürfte sich auch für Erwerbsfälle nach dem 31.12.2008 an der Streitfrage nichts ändern.

 

Rz. 54

Seit 1.1.2009 sind in die Verhältnisrechnung Vermögensgegenstände einzubeziehen, die der Erblasser Dritten zugewendet hatte und die nach § 1375 Abs. 2 und 3 BGB bei der Berechnung der Zugewinnausgleichsforderung (Rz. 40) dem Endvermögen des verstorbenen Ehegatten hinzugerechnet werden.[6] Denn seitdem das Endvermögen und nicht mehr der "Nachlass" die relevante Größe ist, sind nunmehr auch die Hinzurechnungen nach § 1375 Abs. 2 und 3 BGB steuerlich vorzunehmen.

 

Rz. 55

Einzubeziehen sind nach überwiegender Ansicht ferner solche Vermögensgegenstände, die nicht zum steuerpflichtigen Erwerb gehören, weil sie nach einer Befreiungsvorschrift des ErbStG, z. B. §§ 13, 13a oder § 13d oder einer Freistellungsregel in einem DBA (z. B. bis 31.12.2007 im DBA-Erb mit Österreich) außer Ansatz bleiben.[7] Allerdings erlaubt die FinVerw im Gegenzug auch, dass alle im Endvermögen enthaltenen Verbindlichkeiten abgezogen werden dürfen. Dies gilt auch für solche Verbindlichkeiten, deren Abzugsfähigkeit durch § 10 Abs. 6 ErbStG bei der Ermittlung des steuerpflichtigen Erwerbs teilweise beschränkt ist.

 

Rz. 56

Seit 1.1.2009 hat sich die Bedeutung von § 5 Abs. 1 S. 5 ErbStG erheblich reduziert. Mit Einführung des gemeinen Werts als steuerlicher Bewertungsmaßstab für alle Vermögensgegenstände entfällt die "letzte" Berechtigung der Vorschrift, denn Abweichungen zwischen dem zivilrechtlichen Ansatz und den steuerlichen Werten sind danach marginal und rechtfertigen kein längeres Festhalten an der umstrittenen Vorschrift.[8]

[1] Ramb, NWB 2010, 2808, 2817.
[2] Weinmann, in Moench/Wei...

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