Rz. 536

Nach § 3 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 1 ErbStG gilt als vom Erblasser zugewendet zudem, was jemand in Vollziehung einer vom Erblasser angeordneten Auflage erwirbt. Auflage ist die in einer Verfügung von Todes wegen enthaltene Anordnung des Erblassers, die den Beschwerten zu einer Leistung verpflichtet, ohne einem Begünstigten ein Recht auf die Leistung zuzuwenden.[1] Hierin liegt der Unterschied zum von § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG erfassten Vermächtnis, welches dem Vermächtnisnehmer einen Anspruch gewährt.[2] Der durch eine Auflage Begünstigte wird daher nicht schon unmittelbar mit dem Erbfall durch einen Anspruchserwerb, sondern erst in Folge der Vollziehung der Auflage bereichert. Demzufolge tritt nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. d ErbStG die Steuerpflicht erst ein, wenn die vom Erblasser angeordnete Auflage nach dessen Tod vollzogen wird. Ein gewisses Gestaltungspotenzial besteht darin, dass bei den Erben die Auflage sofort nach § 10 Abs. 5 Nr. 2 ErbStG als Nachlassverbindlichkeit abgezogen werden darf. Begünstigt die Auflage den Beschwerten selbst, ist sie nach § 10 Abs. 9 ErbStG nicht abzugsfähig, andererseits aber auch nicht zusätzlich nach § 3 Abs. 2 Nr. 2 ErbStG steuerbar.[3] Wenn die Auflage mehrere Miterben beschwert, aber nur einen Miterben begünstigt, kommt § 10 Abs. 9 ErbStG nur bezüglich der Quote des Begünstigten zum Zuge.[4]

 

Rz. 537

Bei der Auflage gibt es zwar keinen Forderungsberechtigten, aber nach § 2194 BGB Vollziehungsberechtigte. Vollziehungsberechtigt ist der Erbe gegenüber dem beschwerten Vermächtnisnehmer, und bei der Erbengemeinschaft jeder Miterbe gegenüber den beschwerten Miterben. Darüber hinaus ist jeder berechtigt, dem der Wegfall des mit der Auflage zunächst Beschwerten unmittelbar zustatten kommen würde, also der gesetzliche Erbe gegenüber dem testamentarisch eingesetzten Erben oder der Ersatzerbe im Verhältnis zum Vorerben. Über den Kreis der in § 2194 BGB Genannten hinaus ist weiter der Testamentsvollstrecker vollziehungsberechtigt.[5]

 

Rz. 538

Ein weiterer Unterschied zum Vermächtnis besteht darin, dass bei der Auflage kein Auflagenbegünstigter vorhanden sein muss. Sie kann ausschließlich einem unbestimmten Personenkreis oder einem sachlichen Zweck zugutekommen. Der mit § 2151 BGB beim Vermächtnis nicht zu erfassende Personenkreis spricht bei der durch Auslegung zu ermittelnden Abgrenzung zwischen Vermächtnis und Auflage gerade für die Anordnung einer Auflage und nicht eines Vermächtnisses.[6] Wenn es an einem konkret Begünstigten fehlt, ist allerdings nicht § 3 Abs. 2 Nr. 2 ErbStG einschlägig. Vielmehr kann sich eine Steuerbarkeit nach dem Tatbestand der Zweckzuwendung[7] ergeben. Für die Abgrenzung kann darauf abgestellt werden, ob ein Rechtsanspruch des Begünstigten auf Leistungen aus dem Nachlass besteht.[8]

 

Rz. 539

Da bei der Auflage ein Vollziehungsanspruch nach § 2194 BGB besteht, muss sie im Wege der Auslegung von einem unverbindlichen Wunsch, Rat oder einer Empfehlung des Erblassers abgegrenzt werden.[9] Hier liegt mangels zivilrechtlicher Verpflichtung erbrechtlich keine Auflage vor, weswegen § 3 Abs. 2 Nr. 2 ErbStG bei Vollziehung des Wunsches durch den Erben oder Vermächtnisnehmer nicht einschlägig ist. Vielmehr erfolgt eine Besteuerung als eigene freigebige Zuwendung des Erben oder Vermächtnisnehmers nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG, der dem Wunsch freiwillig entspricht.[10]

 

Rz. 540

Schließlich muss noch beachtet werden, dass sich die Steuerbarkeit nur dann nach § 3 Abs. 2 Nr. 2 ErbStG richtet, wenn die vom Erblasser angeordnete Auflage erst nach dessen Tod vollzogen wird. Vollzieht der Beschwerte die Auflage des Erblassers bereits vor dessen Tod, kommt eine Steuerbarkeit im Verhältnis zwischen dem Beschwerten und dem Dritten nur nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG in Betracht, wenn es sich um eine freigebige Zuwendung ohne rechtliche Verpflichtung handelt. Es liegt also kein Erwerb im Verhältnis zum Erblasser vor.[11]

 

Rz. 541

Nach § 3 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 ErbStG gilt als vom Erblasser zugewendet, was jemand infolge Erfüllung einer vom Erblasser gesetzten Bedingung erwirbt. Es besteht Einvernehmen darüber, dass die Vorschrift nicht auf den Erwerb durch bedingte Erbeinsetzung oder bedingtes Vermächtnis abzielt, weil hier bereits § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG anwendbar ist.[12] Vielmehr bezieht sich die Vorschrift auf Fälle, in denen der Erwerb eines Dritten davon abhängt, dass der Erbe oder Vermächtnisnehmer eine vom Erblasser gesetzte Bedingung erfüllt. § 3 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 ErbStG besteuert mithin den Erwerb durch den Dritten, der nicht Erbe oder Vermächtnisnehmer ist. Die Vorschrift nimmt den Erwerb als steuerbaren Erwerb von Todes wegen nach dem Erblasser in den Katalog der Steuertatbestände auf, in dem eine vom Erblasser gesetzte Bedingung die Begünstigung eines Dritten zur Folge hat. Die Steuer entsteht mit Eintritt der Bedingung (§ 9 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. d ErbStG).

Der Erbe oder Vermächtnisnehmer, der die Bedingung erfüllt, kann seinen Erwerb um den Wert des aufgewendeten Vermögens na...

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