Rz. 29

Als Inländer gelten gem. § 2 Abs. 1 Nr. 1 S. 2 Buchst. a ErbStG natürliche Personen, die im Zeitpunkt der Entstehung der Steuer im Inland einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben. Die so definierte Inländereigenschaft ist unabhängig von der Staatsangehörigkeit[1] und allein nach den tatsächlichen Umständen zu ermitteln. Ob rechtliche Hindernisse (z. B. solche ausländerrechtlicher Art) einem dauerhaften Verbleiben im Inland entgegenstehen, ist ohne Bedeutung.

 

Rz. 30

Ob eine natürliche Person ihren Wohnsitz im Inland hat, beurteilt sich nach § 8 AO: Einen Wohnsitz hat jemand dort, wo er eine Wohnung unter Umständen innehat, die darauf schließen lassen, dass er die Wohnung beibehalten oder benutzen wird. Dabei sind an einen Wohnsitz verhältnismäßig geringe Anforderungen zu stellen. Es genügt, dass jemand eine ihm selbst gehörende Immobilie regelmäßig 2-mal jährlich zu bestimmten Zeiten über mehrere Wochen benutzt. Der steuerliche Wohnsitzbegriff ist dabei – im Gegensatz zum Bürgerlichen Recht – insofern verobjektiviert, als er nicht auf subjektive Elemente oder Absichten, sondern nur auf äußere Merkmale abstellt.[2] Ein Stpfl. kann mehrere Wohnungen und mehrere Wohnsitze i. S. d. § 8 AO haben. Ein inländischer Wohnsitz wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass der Hauptwohnsitz im Ausland liegt.[3]

 

Rz. 31

Den gewöhnlichen Aufenthalt hat jemand gem. § 9 AO dort, wo er sich unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, dass er an diesem Ort oder in diesem Gebiet nicht nur vorübergehend verweilt. Bei einem zusammenhängenden Aufenthalt von mehr als 6 Monaten wird ein gewöhnlicher Aufenthalt unwiderleglich vermutet, sofern es sich nicht um einen Aufenthalt der in § 9 S. 3 AO genannten Art handelt.[4] Im Gegensatz zum Wohnsitz setzt der gewöhnliche Aufenthalt keine Wohnung als festen Lebensmittelpunkt voraus. Während ein Stpfl. mehrere Wohnsitze unterhalten kann, ist stets nur ein gewöhnlicher Aufenthalt denkbar.[5]

 

Rz. 32

Wegen der Einzelheiten wird auf den Anwendungserlass zur AO[6] sowie auf die Kommentarliteratur zu §§ 8 und 9 AO verwiesen.[7] Dabei ist jedoch vor einer unbesehenen Übernahme der zu ertragsteuerlichen Fällen entwickelten Rspr. zu warnen, die sowohl beim Wohnsitz als auch beim gewöhnlichen Aufenthalt grundsätzlich einer zeitraumbezogenen Betrachtung folgt. Diese Sichtweise, die für periodische Ertragsteuern angemessen ist, ist für eine stichtagsbezogene Steuer wie die Erbschaft- und Schenkungsteuer angemessen anzupassen.[8] Maßgebend sind somit objektive Merkmale im Besteuerungszeitpunkt. Das Verhalten des Stpfl. nach dem Erwerbsvorgang ist dagegen für sich genommen nicht aussagekräftig.

 

Rz. 33

Da die Anknüpfung an den Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt eine nur verhältnismäßig lose Verbindung mit dem Inland voraussetzt, kann es wegen des dadurch ausgelösten steuerlichen Zugriffs des ErbStG auf das gesamte weltweite Vermögen häufig zu einer Doppelbesteuerung durch mehrere Staaten kommen. Diese Folge wird nach gegenwärtigem Recht durch die Anrechnung der ausländischen Steuer gem. § 21 ErbStG[9] sowie durch einzelne DBA[10] vermieden.

[3] BFH v. 26.2.1986, II R 200/82, BFH/NV 1987, 301; zur Beibehaltung eines inländischen Wohnsitzes nach Wegzug ins Ausland BFH v. 17.7.2019, II B 30, 32–34, 38/18, BStBl II 2019, 620, BFH/NV 2019, 1302.
[6] BMF v. 31.1.2014, BStBl I 2014, 290, zuletzt geändert durch BMF v. 20.12.2019, BStBl I 2020, 59.
[8] Zurückhaltender Jülicher, in T/G/J/G, § 2 ErbStG Rz. 17; s. a. BFH v. 17.7.2019, II B 31/18, BFH/NV 2019, 1239.
[9] Zu den Einzelheiten § 21 ErbStG Rz. 1 ff.
[10] Dazu s. DBA-Erb.

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