Rz. 178

Die gesetzliche Regelung sieht eine Zusammenrechnung des begünstigten Vermögens nur vor beim Erwerb "von derselben Person" (§ 13a Abs. 1 S. 2 ErbStG). Eine Zusammenrechnung erfolgt dagegen nicht, wenn auf der Seite des Erblassers bzw. Schenkers und/oder auf der Seite des Erwerbers keine Personenidentität vorliegt.

 

Rz. 179

Auf der Seite des Erblassers bzw. Schenkers lässt sich die Personenidentität nicht ohne Weiteres vermeiden, da dieser Inhaber des begünstigten Vermögens sein muss. In Einzelfällen kann über das Instrument der Kettenschenkung (z. B. die Zwischenschaltung eines Ehegatten) ein weiterer Schenker "geschaffen" werden.[1]

 

Rz. 180

Bei privatem Vermögen ist die Kettenschenkung eine anerkannte Gestaltung zur Vervielfältigung der persönlichen Freibeträge und zur Nutzung der günstigen Steuerklasse I unter Ehegatten und deren Kindern.[2]

 

Rz. 181

Bei unternehmerischem Vermögen kann die Kettenschenkung grundsätzlich in gleicher Weise genutzt werden, um die Grenze für Großerwerbe von 26 Mio. EUR mehrfach zu nutzen. Allerdings sind auch Zuwendungen unter Ehegatten grundsätzlich steuerpflichtig, sofern sie den Freibetrag (§ 16 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG) übersteigen und kein steuerfreier Zugewinn (§ 5 ErbStG) sind. Für jeden Erwerb sind zudem die jeweiligen steuerlichen Behaltefristen zu beachten. Zivilrechtlich können in den Gesellschaftsverträgen für die Übertragung auf Ehegatten Beschränkungen vorgesehen sein. Insgesamt werden Kettenschenkungen von unternehmerischem Vermögen in der Praxis (aus wirtschaftlichen, steuerlichen oder familiären Gründen) oftmals nicht in Betracht kommen.

 

Rz. 182

Im Erbfall lässt sich die Personenidentität durch die Anordnung der Vor- und Nacherbfolge vermeiden.[3] Der Vorerbe ist Erbe des Erblassers (§ 6 Abs. 1 ErbStG). Der Nacherbe ist steuerlich (insoweit abweichend vom Zivilrecht) nicht Erbe des Erblassers, sondern Erbe des Vorerben (§ 6 Abs. 2 S. 1 ErbStG).[4] Damit liegt kein Erwerb von derselben Person vor. An diesem Ergebnis ändert sich selbst dann Nichts, wenn der Nacherbe beantragt, der Versteuerung das Verhältnis des Nacherben zum Erblasser (und nicht zum Vorerben) zugrunde zu legen (§ 6 Abs. 2 S. 2 ErbStG). Das Antragsrecht gilt nur für die Steuerklasse und wirkt sich nur für die Steuerberechnung aus.[5] Im Übrigen bleibt es bei einem (steuerlichen) Erwerb des Nacherben vom Vorerben. Vorerbe und Nacherbe können auch (in- und ausländische) gemeinnützige und/oder privatnützige Stiftungen sein.

 

Rz. 183

Auf der Seite des Erwerbers lässt sich die Grenze von 26 Mio. EUR dadurch vervielfältigen, dass das begünstigte Vermögen auf mehrere Kinder und Enkel übertragen wird. Allerdings kommen meist nicht alle Kinder und Enkel in gleicher Weise als Unternehmensnachfolger in Betracht (z. B. aufgrund Alter, Qualifikation, Ausbildung, Ansässigkeit im In- oder Ausland, eigener beruflicher Tätigkeit, familiärem Umfeld). Die meisten Gesellschaftsverträge sehen zudem entsprechende Beschränkungen vor. Eine Zersplitterung der Unternehmensbeteiligung ist regelmäßig auch betriebswirtschaftlich wenig sinnvoll. In der Praxis lässt sich die Zahl der Erwerber somit wohl keineswegs so leicht vervielfältigen wie dies theoretisch möglich erscheint.

 

Rz. 184

Aufgrund dieser Ausgangssituation wird die Schaffung von (maßgeschneiderten) "künstlichen" Erwerbern in Zukunft an Bedeutung gewinnen. Die Grenze von 26 Mio. EUR gilt für jeden Erwerb einer in- oder ausländischen, natürlichen oder juristischen Person und damit auch für alle Gesellschaften und Stiftungen. Für den Erwerb jeder (in- oder ausländischen) Gesellschaft bzw. Stiftung kann somit stets die Grenze von 26 Mio. EUR neu genutzt werden. In der Praxis lässt sich die Grenze von 26 Mio. EUR durch die Übertragung auf mehrere Gesellschaften bzw. Stiftungen mehrfach nutzen.

[1] Dazu Halaczinsky, UVR 2016, 364, 373.
[2] Zur steuerlichen Anerkennung der Kettenschenkung bei Privatvermögen grundlegend u. a. BFH v. 18.7.2013, II R 37/11, BStBl II 2013, 934; BFH v. 10.3.2005, II R 54/03, BStBl II 2005, 412 und zuletzt BFH v. 28.7.2022, II B 37/21, BFH/NV 2022, 1054, ausführlich zum Ganzen Bruschke, ErbStB 2014, 261; Kamps, ErbR 2020, 23; Taplan/Baumgartner/Baumgartner, DStR 2014, 2153.
[3] §§ 2100 f. BGB und § 6 ErbStG; s. v. Oertzen/Reich, BB 2015, 356, 358; Thonemann-Micker, DB 2016, 2312, 2321; allgemein zur Vor- und Nacherbfolge Kamps, FR 2014, 361.
[4] Zur Vor- und Nacherbfolge zuletzt BFH v. 1.12.2021, II R 1/20, DStR 2022, 1104 mit Anm. Kugelmüller-Pugh, DStRK 2022, 180 mit Anm. Vorbeck, FamRZ 2022, 1227 (zu Freibeträgen bei Zusammentreffen mehrerer Nacherbschaften), ausführlich dazu Deininger/Walther, ZErb 2020, 168; Geck/Messner, ZEV 2020, 285; Jülicher, ZErb 2022, 41 und 81 und BFH v. 31.8.2021, II R 2/20, BFH/NV 2022, 287; zur Besteuerung eines beim Tod des Beschwerten fälligen Vermächtnisses.

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