1 Allgemeines

1.1 Zweck der Bewertung

 

Rz. 1

§ 12 ErbStG regelt die Bewertung des erbschaftsteuerpflichtigen Erwerbs weitestgehend durch eine Verweisung auf die Vorschriften des BewG. Lediglich die Bewertung nicht zum Betriebsvermögen gehörender Bodenschätze wird in Abs. 4 durch eine Bezugnahme auf die ertragsteuerlichen Vorschriften geregelt.

Die Bewertung bildet den ersten Schritt der Wertermittlung, d. h. der Ermittlung des steuerpflichtigen Erwerbs.[1] Zweck der Bewertung ist, alle im Rahmen der Wertermittlung zu berücksichtigenden Aktiv- und Passivposten in Geldbeträge umzurechnen, um die Bereicherung des Erwerbers bestimmen zu können.[2] Gegenstand der Bewertung ist der erbschaftsteuerpflichtige Erwerb: Der Vermögensanfall nach § 10 Abs. 1 S. 2 ErbStG abzüglich der gem. § 10 Abs. 39 ErbStG abzugsfähigen Nachlassverbindlichkeiten. Beides ist gem. § 12 ErbStG zu bewerten.[3]

In Einzelfällen sind die Bewertungsvorschriften des § 12 ErbStG auch für die Feststellung maßgeblich, ob überhaupt ein steuerbarer Erwerb vorliegt[4] bzw. was Gegenstand des Vermögensanfalls ist.[5]

1.2 Bewertungsziel und Bewertungsverfahren

 

Rz. 2

Nach dem Beschluss des BVerfG vom 7.11.2006[1] muss die Bewertung des anfallenden Vermögens bei der Ermittlung der erbschaftsteuerlichen Bemessungsgrundlage wegen der dem geltenden Erbschaftsteuerrecht zugrunde liegenden Belastungsentscheidung des Gesetzgebers, den durch Erbfall oder Schenkung anfallenden Vermögenszuwachs zu besteuern, einheitlich am gemeinen Wert als dem maßgeblichen Bewertungsziel ausgerichtet sein. Unter dem gemeinen Wert versteht das BVerfG im Einklang mit der einfachgesetzlichen Definition des § 9 Abs. 2 und 3 BewG den bei einer Veräußerung unter objektivierten Bedingungen erzielbaren Preis. Zugleich hat das BVerfG allerdings auch betont, dass der Gesetzgeber in der Wahl der Wertermittlungsmethode, der er sich zur Bestimmung des gemeinen Werts bedient, grundsätzlich frei ist, solange diese gewährleistet, dass alle Vermögensgegenstände in einem Annäherungswert an den gemeinen Wert erfasst werden.

Dementsprechend ist die in § 9 BewG aufgestellte Regel – die Ableitung des gemeinen Werts aus dem objektivierten Verkaufspreis – auch in dem ab 1.1.2009 geltenden Bewertungsrecht die Ausnahme. Sie greift nur ein, soweit das BewG nicht für bestimmte Vermögensgegenstände besondere, aus den Bewertungsgrundsätzen des § 9 BewG ableitbare Bewertungsgrundsätze festlegt oder für bestimmte Vermögensarten spezielle Methoden zur Ermittlung des gemeinen Werts vorschreibt.

 

Rz. 3

Besondere Bewertungsgrundsätze ergeben sich aus den Allgemeinen Bewertungsvorschriften des 1. Teils des BewG für folgende Fälle:

  1. Kurswert für börsennotierte Wertpapiere und Schuldbuchforderungen[2]
  2. Rücknahmepreis für Anteile an Investmentfonds[3]
  3. Nennwert für Kapitalforderungen und Schulden[4]
  4. Rückkaufswert für noch nicht fällige Ansprüche aus Lebens-, Kapital- oder Rentenversicherungen[5]
  5. Kapitalwert für wiederkehrende, jedoch zeitlich beschränkte Nutzungen und Leistungen[6]
  6. Kapitalwert für wiederkehrende immerwährende Nutzungen oder Leistungen[7]
  7. Kapitalwert für wiederkehrende Nutzungen oder Leistungen von unbestimmter Dauer[8]
  8. Kapitalwert für wiederkehrende lebenslängliche Nutzungen und Leistungen[9]
 

Rz. 4

Besondere Wertermittlungsmethoden ergeben sich aus dem 6. Abschnitt des 2. Teils für

  1. die Grundbesitzwerte für das land- und forstwirtschaftlichem Vermögen[10],
  2. die Grundbesitzwerte für das Grundvermögen[11],
  3. die Anteilswerte für nicht börsennotierte Anteile an Kapitalgesellschaften[12] und
  4. die Betriebsvermögenswerte für Betriebsvermögen i. S. d. §§ 9597 BewG.[13]

Eine Verknüpfung mit der allgemeinen Bewertungsvorschrift des § 9 BewG ergibt sich daraus, dass die Geltung der besonderen Bewertungsvorschriften zum Teil davon abhängig gemacht wird, dass kein höherer oder niedrigerer gemeiner Wert festgestellt bzw. nachgewiesen wird.[14]

1.3 Regelungstechnik des § 12 ErbStG

 

Rz. 5

Durch die Verweisung auf die Vorschriften des BewG soll das Erbschaft- und Schenkungssteuergesetz von Einzelregelungen zur Bewertung entlastet werden.[1] Diese Entlastung wird allerdings – wegen der zum Teil sehr langen Verweisungsketten und wegen der im Zuge der Ausschussberatungen in das Gesetz hineingeratenen Inkonsequenzen in der Verweisungstechnik – durch eine gewisse Unübersichtlichkeit der Regelung erkauft.

 

Rz. 6

L...

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