Rz. 97

Anteile oder Aktien, die Rechte an einem Investmentvermögen i. S.d. Kapitalanlagegesetzbuchs (KAGB) verbriefen, sind nach § 11 Abs. 4 BewG mit dem Rücknahmepreis anzusetzen.

Unter einem Investmentvermögen ist nach § 1 Abs. 1 S. 1 KAGB jeder Organismus für gemeinsame Anlagen zu verstehen, der von einer Anzahl von Anlegern Kapital einsammelt, um es gemäß einer festgelegten Anlagestrategie zum Nutzen dieser Anleger zu investieren und der kein operativ tätiges Unternehmen außerhalb des Finanzsektors ist. Dabei unterscheidet das Gesetz zwischen Organismen für die gemeinsame Anlage in Wertpapieren (OGAW), die die Anforderungen der Richtlinie 2009/65/EG vom 13.7.2009[1] erfüllen (§ 1 Abs. 2 KAGB) und Alternativen Investmentfonds (AIF). Unter AIF sind nach § 1 Abs. 3 KAGB alle Investmentvermögen zu verstehen, die keine OGAW sind. Den praktisch wichtigen Anwendungsfall von AIF bilden Immobilien-Sondervermögen.[2] OGAW und AIF, die die Voraussetzungen von Art. 1 Abs. 2 der Delegierten Verordnung (EU) Nr. 694/2014[3] erfüllen, sind offene Investmentvermögen (§ 1 Abs. 4 KAGB). Bei ihnen kann jeder Anleger mindestens 2-mal im Monat verlangen, dass ihm gegen Rückgabe des Anteils sein Anteil an dem Sondervermögen aus diesem ausgezahlt wird (§ 98 Abs. 1 S. 1 KAGB). Abweichend davon können die Anlagebedingungen von Immobilien-Sondervermögen vorsehen, dass die Rücknahme von Anteilen nur zu bestimmten Rücknahmeterminen, jedoch mindestens alle 12 Monate erfolgt (§ 255 Abs. 2 S. 1 KAGB).

Der Preis, der dem Anleger gegen Rücknahme seines Anteils zu zahlen ist, wird als Rücknahmepreis bezeichnet (vgl. § 71 Abs. 3 S. 1 KAGB). Er wird i. d. R. börsentäglich veröffentlicht. Erforderlichenfalls kann der Rücknahmepreis auch durch einen Abschlag vom Ausgabepreis ermittelt werden.[4]

Die Bewertung der Anteile oder Aktien mit dem Rücknahmepreis trägt dem Umstand Rechnung, dass früher kein Börsenhandel in Investmentzertifikaten stattfand, sodass diese nur durch Rückgabe an die ausgebende Gesellschaft wieder zu Geld gemacht werden konnten. Außerdem entspricht der Rücknahmepreis normalerweise dem anteiligen Inventarwert.[5]

 

Rz. 98

In den Anlagebedingungen kann allerdings vorgesehen werden, dass die Kapitalverwaltungsgesellschaft die Rücknahme der Anteile aussetzen darf, wenn außergewöhnliche Umstände vorliegen, die eine Aussetzung unter Berücksichtigung der Interessen der Anleger erforderlich erscheinen lassen (§ 98 Abs. 2 S. 1 KAGB). Für Immobilien-Sondervermögen bestimmt das Gesetz, dass die AIF-Kapitalverwaltungsgesellschaft die Rücknahme der Anteile zu verweigern und auszusetzen hat, wenn die Bankguthaben und der Erlös der nach § 253 Abs. 1 KAGB angelegten Mittel zur Zahlung des Rücknahmepreises und zur Sicherstellung einer ordnungsgemäßen laufenden Bewirtschaftung nicht ausreichen (§ 257 Abs. 1 S. 1 KAGB).

Im Fall der Aussetzung der Rücknahme sind die Anteile nicht mit dem Rücknahmepreis, sondern mit dem zum Bewertungsstichtag im Rahmen des Freiverkehrs festgestellten niedrigeren Börsenkurs zu bewerten, da die fehlende Möglichkeit, die Anteilsscheine zum Rücknahmepreis zu liquidieren, einen preisbeeinflussenden Umstand gem. § 9 Abs. 2 BewG darstellt.[6]

 

Rz. 99

einstweilen frei

[1] ABl. L 302 v. 17.11.2009, 2.
[3] ABl. L 183 v. 24.6.2014, 2.
[4] Jülicher, in T/G/J/G, ErbStG, § 12 Rz. 336; Mannek, in Stenger/Loose, BewG, § 11 Rz. 114.
[5] Vgl. für OGAW § 71 Abs. 2 S. 1 KAGB.
[6] Hessisches FG v. 16.2.2016, 1 K 1161/15, EFG 2016, 790; zustimmend Kowanda, ErbStB 2017, 180; Holler/Schmidt, ErbR 2016, 446; für ertragsteuerliche Zwecke ebenso: BFH v. 13.2.2019, XI R 41/17, BFH/NV 2019, 624, BStBl II 2021, 717; a. A. FG Münster v. 15.1.2015, 3 K 1997/14 Erb, EFG 2015, 793.

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