Entscheidungsstichwort (Thema)

Abgrenzung zwischen einer selbständigen, gewerblichen und einer nichtselbständigen Betätigung bei einer Arzthelferin

 

Leitsatz (redaktionell)

Der steuerrechtliche Arbeitnehmerbegriff ist eigenständiger Natur und deckt sich nicht immer zwangsläufig mit der sozialrechtlichen Einordnung.

 

Normenkette

EStG §§ 19, 15, 4 Abs. 3, 5 Nr. 1 S. 2

 

Tatbestand

Streitig ist im Wesentlichen, ob die Klägerin mit ihrer Tätigkeit in der Zahnarztpraxis ihres Ehemannes Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit oder gewerbliche Einkünfte erzielt, die der Gewerbesteuer unterliegen.

Die Klägerin ist gelernte Arzthelferin. Neben ihrer Tätigkeit in der Zahnarztpraxis ihres Ehemannes betrieb sie in den Streitjahren ein Institut für biophysikalische Informationstherapien, in dessen Rahmen sie sowohl Fortbildungen als auch Handel mit Mineralien und Ölen durchführte. Die Gewinnermittlung erfolgte nach § 4 Abs. 3 Einkommensteuergesetz. Der erklärte Gewinn in Höhe von 655,00 Euro in 2007 und 9.335,00 Euro in 2008 führte zu keiner Gewerbesteuerpflicht. In den gemeinsamen Einkommensteuererklärungen für die Streitjahre erklärte die Klägerin zudem Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit aus einem Arbeitsverhältnis mit ihrem Ehemann, der eine Zahnarztpraxis betreibt.

Auf Anregung ihrer Steuerberaterin führte die Klägerin im Jahr 2006 ein Statutsfeststellungsverfahren bei der ...-Krankenkasse durch (Bl. 46 d. Bp.-Handakte, Band II). Die Krankenkasse kam zu dem Ergebnis, dass die Tätigkeit der Klägerin in der Zahnarztpraxis ihres Ehemannes nicht als abhängiges, sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis zu werten ist und befreite die Klägerin rückwirkend zum 1. Januar 1997 von der Sozialversicherungspflicht (Bl. 41 d. Bp.-Handakte, Band II). Infolgedessen erstattete die Deutsche Rentenversicherung die zu Unrecht erhobenen Arbeitgeber- und Arbeitnehmerbeiträge zur Rentenversicherung von jeweils 42.278,14 Euro an die Klägerin (Bl. 40 d. Bp.-Handakte, Band II).

Im Zeitraum 17. August 2009 bis 4. November 2009 führte der Beklagte eine Betriebsprüfung betreffend die Einkommen-, Gewerbe- und Umsatzsteuer 2007 durch. Das Ergebnis der Betriebsprüfung ist im Betriebsprüfungsbericht vom 9. November 2009 festgehalten (Bl. 7 d. Betriebsprüfungsakte). Nach Auffassung des Prüfers war das Arbeitsverhältnis der Klägerin mit ihrem Ehemann auch steuerlich nicht anzuerkennen. Er behandelte die erklärten Einnahmen nach § 19 EStG als gewerbliche Einnahmen nach § 15 EStG und erhöhte die Einkünfte aus Gewerbebetrieb der Klägerin um 46.040,00 Euro. Er kürzte zudem die Aufwendungen für Reisekosten um 988,80 Euro (Tz. 1.5. des Betriebsprüfungsberichts, Bl. 11 d. Bp.-Akte) und die erklärten Aufwendungen für Fremdleistungen von 2.543,23 Euro auf 0,00 Euro (Tz. 1.4. d. Betriebsprüfungsberichts, Bl. 11 d. Bp.-Akte). Letztere resultierten aus Bewirtungskosten für Seminarteilnehmer. Die betriebliche Veranlassung sei nicht nachgewiesen, so dass sie im Einklang mit dem BFH Urteil vom 18.01.2007, I R 75/06 vom Abzug ausgeschlossen seien.

Das Finanzamt folgte den Feststellungen des Prüfers und erließ am 26. Januar 2010 einen Bescheid über den Gewerbesteuermessbetrag 2007 mit einem Gewerbesteuermessbetrag von 411 Euro, dem folgender Gewinn aus Gewerbebetrieb zugrunde gelegt wurde (Bl. 15 d. GewSt-Akte, VZ 2007):

2007

Einnahmen lt. EÜR

655,14 Euro

Umqualifizierte Einnahmen

46.040,00 Euro

+ Nichtanerkennung von Bewirtungskosten

2.534,23 Euro

+ Nichtanerkennung von Reisekosten

988,80 Euro

Summe

50.218,47 Euro

In Anlehnung an die Feststellungen der Betriebsprüfung für 2007 behandelte das Finanzamt auch im Streitjahr 2008 die erklärten Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit als gewerbliche Einkünfte und erließ am 2. Juli 2010 einen Bescheid über den Gewerbesteuermessbetrag, in dem er den Gewerbesteuermessbetrag mit 1.323,00 Euro festsetzte und diesem einen Gewinn aus Gewerbebetrieb in Höhe von 62.333,00 Euro zugrunde legte (Bl. 18 d. Gewerbesteuerakte, VZ 2008).

Die Klägerin legte am 1. Februar 2010 Einspruch gegen den Gewerbesteuermessbetrag 2007 und am 27. Juli 2010 Einspruch gegen den Gewerbesteuermessbetrag 2008 ein. Zur Begründung führte sie im Wesentlichen aus, dass die Kriterien des Sozialrechts für die Anerkennung einer abhängigen Beschäftigung nicht mit denen des Steuerrechts vergleichbar seien.

Mit Einspruchsentscheidung vom 27. September 2011 wies der Beklagte die Einsprüche gegen die Gewerbesteuermessbescheide 2007 und 2008 als unbegründet zurück. Zur Begründung führt er aus, dass die Klägerin nicht in einem Dienstverhältnis stehe (Bl. 26 d. Rb.-Akte, "EE USt + GewSt 2007 + 2008"). Nach § 1 Abs. 1 S. 1 der Lohnsteuer-Durchführungsverordnung (LStDV) seien Arbeitnehmer Personen, die in öffentlichem oder privaten Dienst angestellt oder beschäftigt seien und aus diesem Dienstverhältnis oder einem früheren Dienstverhältnis Arbeitslohn bezögen. Ein Dienstverhältnis liege dann vor, wenn der Angestellte bzw. Beschäftigte dem Arbeitgeber seine Arbeitskr...

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