Besteuerung der Tätigkeit bei einer Sicherungsverwahrung

Anders als für Strafgefangene besteht für Untergebrachte in der Sicherungsverwahrung keine Arbeitspflicht. In diesem Zusammenhang  stellt sich die Frage, ob die Tätigkeit eines sich in Sicherungsverwahrung befindlichen Steuerpflichtigen in einer JVA den nichtselbstständigen oder sonstigen Einkünften zuzuordnen ist.

In einem Fall des FG Münster kam diese Frage auf, weil bei einer nichtselbstständigen Tätigkeit der Arbeitnehmer-Pauschbetrag abgezogen wird.

Im entschiednen Fall befindet sich der Kläger – nach der Verbüßung einer langjährigen Haftstrafe - seit 2013 als "Untergebrachter" in Sicherungsverwahrung in einer JVA. Er arbeitet dort regelmäßig an 39 Stunden in der Woche in der anstaltseigenen Schreinerei und erhält hierfür eine Vergütung. Mit der Höhe der Vergütung wurde er Steuererklärungspflichtig. Im Rahmen der Einkommensteuererklärung wurden die Einkünfte als solche aus nichtselbstständiger Tätigkeit erklärt.

Finanzamt setzt sonstige Einkünfte an

Das Finanzamt setzte die Einnahmen aber als sonstige Einkünfte an. Bei den Einnahmen des Klägers aus der Tätigkeit in der JVA handele es sich um sonstige Einkünfte im Sinne des § 22 Nr. 3 EStG und nicht um Einnahmen aus nichtselbstständiger Arbeit nach § 19 Abs. 1 EStG. Es liege kein Dienstverhältnis vor. Es bestehe auch kein Anspruch auf Lohnfortzahlung im Krankheitsfall und auf bezahlten Urlaub.

Dabei können nicht nur gelegentliche oder einmalige Tätigkeiten sonstige Einkünfte darstellen, sondern auch nachhaltige Tätigkeiten. Es sei allgemein anerkannt, dass die Arbeit im Strafvollzug öffentlich-rechtlicher Natur sei, die Gefangene nicht Arbeitnehmer seien und zwischen den Gefangenen und der Anstalt kein Arbeitsvertrag geschlossen werde. Der Gefangene sei zudem nur in die Unfall- und Arbeitslosenversicherung, nicht aber wie "klassische" Arbeitnehmer in die Kranken- und Rentenversicherung einbezogen. Damit folge die steuerliche Behandlung auch den sozialversicherungsrechtlichen Grundsätzen.

FG Münster ordnet Tätigkeit § 19 EStG zu

Das FG Münster ( Urteil vom 20.09.2023 - 14 K 1227/21, rkr.) dagegen ordnete die Tätigkeit des Gefangenen den Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit zu. Der Begriff der "Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit" erfahre in der maßgeblichen Zuordnungsvorschrift des § 19 EStG keine konkrete Definition. Vielmehr wird dort beispielhaft aufgezählt, welche Bezüge, Zuwendungen und Aufwendungen zu den Einnahmen aus nichtselbständiger Tätigkeit zählen.

Eine Zuordnung von Einnahmen zur Einkunftsart des § 19 EStG erfolgt im Wege einer Qualifikation, ob die zu beurteilenden Einnahmen der beispielhaften Aufzählung des § 19 EStG zuzuordnen sind und durch die Betätigung einer Person als Arbeitnehmer veranlasst sind. § 1 Abs. 1 LStDV sieht dabei solche Personen als "Arbeitnehmer" an, die im öffentlichen oder privaten Dienst angestellt oder beschäftigt sind oder waren und die aus diesem oder einem früheren Dienstverhältnis Arbeitslohn beziehen.

Vorliegen eines Dienstverhältnisses

Ein "Dienstverhältnis" in diesem Sinne liegt vor, wenn die betroffene Person dem Arbeitgeber ihre Arbeitskraft schuldet. Dies ist der Fall, wenn die tätige Person in der Betätigung ihres geschäftlichen Willens unter der Leitung des Arbeitgebers steht oder im geschäftlichen Organismus des Arbeitgebers Weisungen zu folgen verpflichtet ist. Ob eine steuerpflichtige Person mit einer bestimmten Betätigung Arbeitnehmer ist, richtet sich nach dem Gesamtbild der Verhältnisse. Im Rahmen der vorzunehmenden Gesamtwürdigung sind nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung insbesondere die folgenden Merkmale von Bedeutung, die für eine Arbeitnehmereigenschaft sprechen können:

  • persönliche Abhängigkeit,
  • Weisungsgebundenheit hinsichtlich Ort, Zeit und Inhalt der Tätigkeit,
  • feste Arbeitszeiten,
  • Ausübung der Tätigkeit gleichbleibend an einem bestimmten Ort,
  • feste Bezüge,
  • Urlaubsanspruch,
  • Anspruch auf sonstige Sozialleistungen,
  • Fortzahlung der Bezüge im Krankheitsfall,
  • Überstundenvergütung,
  • zeitlicher Umfang der Dienstleistungen,
  • Unselbständigkeit in Organisation und Durchführung der Tätigkeit,
  • fehlendes Unternehmerrisiko,
  • fehlende Unternehmerinitiative,
  • kein Kapitaleinsatz,
  • keine Pflicht zur Beschaffung von Arbeitsmitteln,
  • Notwendigkeit der engen ständigen Zusammenarbeit mit anderen Mitarbeitern,
  • Eingliederung in den Betrieb,
  • geschuldet wird die Arbeitskraft, nicht aber ein Arbeitserfolg,
  • Ausführung von einfachen Tätigkeiten, bei denen eine Weisungsabhängigkeit die Regel ist.

Anhand dieser Kriterien ist das FG Münster hier zu dem Ergebnis gekommen, dass eine Arbeitnehmertätigkeit vorliegt:

  • Der Kläger sei als Untergebrachter - anders als Strafgefangene - nicht zur Arbeit verpflichtet. Den Untergebrachten werde die Arbeit angeboten. Der Kläger arbeite danach in der Schreinerei der JVA aufgrund seines freien Entschlusses.
  • Dabei sei er in die Arbeitsorganisation in der Schreinerei, in der über 40 weitere Insassen der JVA beschäftigt sind, eingebunden.
  • Er sei weisungsgebunden hinsichtlich Ort, Zeit und Inhalt der Tätigkeit. Er habe sich grundsätzlich an feste – von der JVA vorgegebene – Arbeitszeiten zu halten.
  • Die Ausübung der Tätigkeit erfolge gleichbleibend an einem bestimmten Ort, der Schreinerei.
  • Bezogen auf die geleisteten Stunden erhalte der Kläger eine feste Vergütung, die aufgrund des Abstandsgebots zu Gefangenen über der Vergütung von Gefangenen liegt.
  • Er habe zwar keinen Urlaubsanspruch, aber Anspruch auf bezahlte Freistellung. Für die Zeit der Freistellung erhalt er ein Arbeitsentgelt in Höhe des Durchschnitts der in den letzten drei Monaten vor der Freistellung gutgeschriebenen Bezüge.
  • Der Kläger zahle in die Arbeitslosenversicherung ein.
  • Er arbeite regelmäßig 39 Stunden in der Woche, was einer üblichen Vollzeitstelle eines Arbeitnehmers entspreche.
  • Er sei unselbstständig in der Organisation und Durchführung seiner Tätigkeit.
  • Er sei in den Betrieb der Schreinerei eingegliedert und müsse dort mit anderen Mitarbeitern zusammenarbeiten.
  • Er schulde seine Arbeitskraft und keinen Arbeitserfolg.
  • Dass der Kläger nur in die Arbeitslosenversicherung und nicht in die weiteren Sozialversicherungen einzahle, spreche bei einer Gesamtbetrachtung nicht entscheidend gegen eine (steuerliche) Arbeitnehmereigenschaft, so das FG.
Schlagworte zum Thema:  Arbeitnehmerbesteuerung, Einkommensteuer