Revision eingelegt (BFH IX R 29/22)

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Zahlungen aufgrund eines auf § 69 AO gestützten Haftungsbescheides im Falle der Geschäftsführerhaftung nachträgliche Werbungskosten Beschlagnahme keine Vereinnahmung im Sinne des § 11 Abs. 2 Satz 1 EStG

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Zahlungen aufgrund eines auf § 69 AO gestützten Haftungsbescheides sind im Falle der Geschäftsführerhaftung grundsätzlich (nachträgliche) Werbungskosten, wenn die haftungsauslösende Pflichtverletzung während der Tätigkeit als Gesellschafter-Geschäftsführer verursacht wurde und ein objektiver Zusammenhang zwischen der Pflichtverletzung und der beruflichen Tätigkeit besteht, da in diesem Falle die Haftungsinanspruchnahme nicht auf der Stellung als Gesellschafter, sondern ausschließlich auf dem Verhalten als Geschäftsführerin beruht.

2. Die Beschlagnahme eines Gegenstandes im Sinne der §§ 111b, 111c StPO führt zu keiner Vermögensverschiebung im Sinne des § 11 Abs. 2 Satz 1 EStG, da es sich hierbei lediglich um eine Sicherungsmaßnahme handelt, die nicht zum Verlust der wirtschaftlichen Verfügungsmacht, sondern lediglich zu einer Einschränkung der rechtlichen Verfügungsmacht führt.

 

Normenkette

AO §§ 69, 71; EStG § 17 Abs. 2 S. 1, § 3c Abs. 2; StPO §§ 111b, 111c

 

Nachgehend

BFH (Beschluss vom 22.09.2023; Aktenzeichen IX R 29/22)

 

Tatbestand

Streitig ist, ob die Klägerin durch ihre Haftungsinanspruchnahme für Umsatzsteuerschulden der Fa. B GmbH, deren Gesellschafterin (30 %) und Geschäftsführerin sie war, dem Veranlagungszeitraum 2015 zuzurechnende, den Gesamtbetrag der Einkünfte mindernde Ausgaben getätigt hat.

Die Kläger sind Ehegatten und wurden für das Streitjahr 2015 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Beide erzielten Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit.

Die Klägerin war vom 02.04.2014 bis 19.02.2015 bei der Firma Fa. B GmbH mit Sitz in 1 als Geschäftsführerin beschäftigt.

Für das Streitjahr wurde zunächst keine Einkommensteuererklärung abgegeben.

Am 02.10.2015 wurde bei der Firma Fa. B GmbH mit einer Fahndungsprüfung begonnen, die mit Ermittlungsbericht vom 15.12.2017 abgeschlossen wurde. Im Rahmen der Ermittlungen wurden folgende Sachverhalte festgestellt:

Die Fa. B GmbH wurde am 26.02.2014 von der Zeugin Frau B gegründet, die Klägerin als Geschäftsführerin bestellt und dies auch entsprechend im Handelsregister eingetragen. Die Tätigkeit als Geschäftsführerin endete zum 19.02.2015.

Bei der Durchsuchung konnten in den Wohnräumen der Klägerin ein DIN A 4 Schreibheft sowie ein kleines Notizbuch sichergestellt werden, aus denen neben chinesischen Schriftzeichen auch Tagesdaten ersichtlich waren. Nach erfolgter Übersetzung konnte aus Sicht der Fahndungsprüfung festgestellt werden, dass es sich bei den Notizen um tägliche Aufzeichnungen der Bar- und EC-Karten-Zahlungen, der verkauften und erhaltenen Gutscheine sowie um Zusammenstellungen von Lohnzahlungen und Wareneinkäufen handelte. Ein Vergleich der vorliegenden EC-Karten-Abrechnungen mit den handschriftlichen Aufzeichnungen der Klägerin ergab, dass diese übereinstimmten. Ebenso wurden die handschriftlichen Aufzeichnungen mit den verkauften Gutscheinen lt. Reservierungsbuch 2014 verglichen. Auch hier ergab sich zur Überzeugung der Fahndungsprüfung, dass die Summe der verkauften Gutscheine pro Tag mit den Tagesaufzeichnungen übereinstimmte. Weiterhin wurde festgestellt, dass die Klägerin in Besitz des "Chef-Passworts" für die Registrierkasse war. Die Ermittlungen der Steuerfahndung ergaben zudem, dass sich die Geschäftspartnerin und die Klägerin im Zuge der Gründung gemeinsam an der GmbH beteiligt hatten und zwar im Verhältnis 30 % (Klägerin) und 70 % (Frau B). Außerdem wurde ein in chinesischer Sprache verfasstes Schriftstück vom 22.01.2015 mit der Übersetzung "Heute erhält A2 Hundertfünfzigtausend Euro (150.000,00 €) von B." vorgefunden. Dieses Schriftstück wurde von der Klägerin unterzeichnet. Sie bestritt jedoch zunächst den Erhalt des Geldes. Aus einem Schriftstück, das ebenfalls in den Wohnräumen der Klägerin aufgefunden wurde, ergab sich nach Ansicht der Fahndungsprüfung, dass am 19.02.2015 die Zusammenarbeit der Klägerin und der Geschäftspartnerin endete. Das Schriftstück trägt die Überschrift "Vereinbarung für Desinvestition" und ist von beiden, also auch von der Klägerin unterzeichnet. Daraus geht hervor, dass die Klägerin und die Geschäftspartnerin am 1. April 2014 zusammen die Fa. B, 1 gekauft und betrieben haben. Der Anteil der Klägerin betrage 30 %. Dieser Anteil solle an die Geschäftspartnerin verkauft werden, eine Anzahlung in Höhe von 50.000 € sei am 14.01.2015 fällig.

Bei Durchsuchung des Schließfaches der Klägerin am 02.10.2015 wurde Bargeld in Höhe von 232.350 € aufgefunden. Das Schließfach wurde ausweislich der vorliegenden Niederschrift über die Versiegelung eines Schließfaches noch am selben Tag im Beisein der Klägerin versiegelt.

Aus den bei der Klägerin vorgefundenen handschriftlichen Aufzeichnungen der erzielten Erlöse ergab sich zur Überzeugung der F...

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