Entscheidungsstichwort (Thema)

Hinzuschätzungen nach einer Betriebsprüfung bei einer Kapitalgesellschaft

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Eine im Rahmen einer Betriebsprüfung einer Kapitalgesellschaft durchgeführte Geldverkehrsrechnung beim Gesellschafter-Geschäftsführer eröffnet keine Schätzungsbefugnis, um ungeklärte Vermögenszuwächse bei der Kapitalgesellschaft festzustellen.

2. Wenn der Gesellschafter-Geschäftsführer die Herkunft der bei ihm festgestellten ungeklärten Vermögenszuwächse nicht aufklärt, lässt dies i.d.R. keine nachteiligen Schlüsse zu Lasten der Kapitalgesellschaft zu.

3. Aus der Tatsache, dass nicht aufgeklärt wird, woher der Gesellschafter-Geschäftsführer die von ihm aus seinem Privatbereich der Kapitalgesellschaft im Wege verdeckter Einlagen zugewandten Mittel erhalten hat, kann regelmäßig nicht gefolgert werden, dass die Kapitalgesellschaft zusätzliche Betriebseinnahmen in Höhe der verdeckten Einlagen erzielt hat.

4. Eine ordnungsgemäße Buchführung soll so ausgestaltet sein, dass Kasseneinnahmen und -ausgaben täglich festgehalten werden und dass in Betrieben mit offenen Ladenkassen ein täglicher Kassenbericht erstellt wird.

5. Die Entwicklung des Kassenbestandes muss in jedem Fall zweifelsfrei rekonstruierbar sein, um so die Kassensturzfähigkeit zu gewährleisten.

6. Eine pauschale Hinzuschätzung eines (Un-)Sicherheitszuschlags ist zulässig, wenn keine andere geeignete Schätzungsmethode ersichtlich ist, insbesondere eine Schätzung mittels Richtsatzsammlung mangels geeigneter Vergleichsdaten für das Gewerbe des Steuerpflichtigen ausscheidet.

 

Normenkette

AO § 147 Abs. 1, §§ 158, 162; FGO § 96 Abs. 1 S. 1; AO § 146 Abs. 1 S. 2

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über Hinzuschätzungen des Beklagten nach einer Betriebsprüfung.

Die Klägerin ist eine Kapitalgesellschaft in der Rechtsform der GmbH. Diese wurde mit Wirkung zum 31.12.2015 aufgelöst und befindet sich seitdem in der Liquidation. Alleiniger Gesellschafter der Klägerin war seit dem Kalenderjahr 2010 Herr A (A), der gleichzeitig auch einziger Geschäftsführer war. Nach der Auflösung der Gesellschaft war A als Liquidator der Klägerin tätig.

Die Klägerin betrieb in den Streitjahren einen Großhandel und ermittelte ihren Gewinn durch Bestandsvergleich gemäß §§ 4 Abs. 1, 5 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Mit notariellem Kaufvertrag vom 30.5.2012 wurden sämtliche immateriellen Wirtschaftsgüter sowie sämtliche technischen Anlagen und Maschinen und die Betriebs- und Geschäftsausstattung der Klägerin rückwirkend zum 1.5.2012 an die E GmbH & Co. KG (KG) veräußert. Der von der Klägerin gepachtete Grund und Boden wurde zusammen mit den nicht übertragenen Gebäuden an die KG verpachtet. In der Folgezeit war A neben seiner Geschäftsführertätigkeit bei der Klägerin auch als Berater für die KG tätig.

Auf der Grundlage der von der Klägerin eingereichten Steuererklärungen führte der Beklagte (FA) die Veranlagungen für die Streitjahre erklärungsgemäß durch und setzte die Körperschaft- und Umsatzsteuern entsprechend fest. Die festgesetzte Körperschaftsteuer (KSt) beruhte auf folgenden Werten (in €):

Werte lt. KSt-Erkl.

2009

2010

2011

2012 (bis April)

Umsatz

X

X

X

X

Gewinn

X

X

X

./. X

Ab Dezember 2013 führte das FA eine Betriebsprüfung (Bp) für die Jahre 2008 bis 2012 bei der Klägerin durch. Dabei kam die Bp zu dem Ergebnis, dass die Kassenführung der Klägerin zum Teil erhebliche Mängel aufwies. Die Klägerin habe in den Streitjahren Bargeschäfte in erheblichem Umfang getätigt und eine sog. offene Ladenkasse geführt. Ein manuelles Kassenbuch sei seit rd. 15 Jahren nicht mehr geführt worden. Während der Prüfung seien der Prüferin lediglich die Ausdrucke des Datev-Kontos 1000(Kasse) vorgelegt worden. Die Kasseneinnahmen und -ausgaben seien in der Buchführung in Form von Einzelbuchungen erfasst worden, anhand der Auswertung der digitalen Unterlagen habe aber festgestellt werden können, dass die Erfassung der einzelnen Geschäftsvorgänge nicht am selben Tag, sondern mit einer bis zu dreiwöchigen Verzögerung erfolgt sei. Auch die entsprechenden Ursprungsbelege (sog. „Blöcke”) hätten während der Prüfung nicht vorgelegt werden können, sondern seien von der Ehefrau des A (nachfolgend B), die für die Buchführung zuständig gewesen sei, nach Ablauf eines Jahres entsorgt worden. B sei nach eigenen Angaben davon ausgegangen, dass diese Ursprungsaufzeichnungen nicht aufbewahrt werden müssten. Zudem seien nach Auskunft der B sowohl Stornierungen falscher Buchungen als auch Korrekturbuchungen jederzeit möglich gewesen, ohne dass diese Vorgänge im Einzelnen aus der Buchführung ersichtlich gewesen seien. Die B habe nach eigener Aussage auch von beiden Korrekturmöglichkeiten Gebrauch gemacht. Die Prüferin sah daher die Kassensturzfähigkeit als nicht gegeben an und versagte der Buchführung die Ordnungsmäßigkeit.

Weiterhin kam die Prüferin zu dem Ergebnis, dass in erheblichem Umfang Barentnahmen und Bareinlagen aus bzw. in die Kasse erfolgt waren, zu denen es keine bzw. lediglich Eigenbelege ...

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