Entscheidungsstichwort (Thema)

Anwendung von § 129 AO

 

Leitsatz (redaktionell)

1) Offenbare Unrichtigkeiten i.S. des § 129 AO sind mechanische Versehen wie beispielsweise Eingabe- und Übertragungsfehler.

2) Fehler bei der Auslegung oder Anwendung einer Rechtsnorm, eine unrichtige Tatsachenwürdigung oder die unzutreffende Annahme eines in Wirklichkeit nicht vorliegenden Sachverhalts schließen die Anwendung von § 129 AO aus.

3) § 129 AO ist nicht anwendbar, wenn auch nur die ernsthafte Möglichkeit besteht, dass die Nichtbeachtung einer feststehenden Tatsache oder einer fehlerhaften Tatsachenwürdigung oder einem sonstigen sachverhaltsbezogenen Denk- oder Überlegungsfehler begründet ist oder auf mangelnder Sachverhaltsaufklärung beruht.

 

Normenkette

AO § 129

 

Tatbestand

Die Klägerin ist eine Kommanditgesellschaft, Kommanditist ist zu 100% Herr A B, Komplementärin ist die A B C GmbH. Die Klägerin hält unter anderem Beteiligungen an den Kapitalgesellschaften „B D GmbH E” (Stammkapital 105.000 €) und „B D GmbH, F” (Stammkapital 26.000 €). Mit Notarvertrag vom 29.01.2013 (Bl. 117 ff. der Gerichtsakte) veräußerte die Klägerin Gesellschaftsanteile an den vorgenannten Kapitalgesellschaften, sie blieb jedoch auch nach der Veräußerung zu mehr als 15% an diesen Gesellschaften beteiligt. (d.h. mit 26.250 € an der B D GmbH E und mit 6.500 € an der B D GmbH F).

Aus den Beteiligungen flossen der Klägerin in den Streitjahren 2014 und 2015 Gewinnausschüttungen in Höhe von 767.910,23 € und 3.155.311,67 € zu. Im Vorjahr 2013 waren – wie zwischenzeitlich unstreitig ist – keine Gewinnausschüttungen erfolgt.

Am 02.07.2015 reichte die Prozessbevollmächtigte einen Antrag auf Anpassung des Gewerbesteuermessbetrags für Vorauszahlungszwecke ab 2015 ein, weil das Ergebnis 2013 von einem Veräußerungserlös von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft beeinflusst worden sei und die derzeit festgesetzten Vorauszahlungen entsprechend zu hoch angesetzt worden seien. Beantragt wurde, den Gewerbesteuermessbetrag für Vorauszahlungszwecke ausgehend von einem Gewerbeertrag in Höhe von 342.500 € herabzusetzen. Dazu legte sie eine betriebswirtschaftliche Auswertung für 2014 vor, in der u.a. Erträge aus Beteiligungen z.T. steuerfrei i.H.v. 767.910,23 € ausgewiesen wurden, mit dem handschriftlichen Zusatz „ × 40%= 307.164 €”. Beigefügt war eine „Ergänzung zur BWA per 31.12.2014”f mit den Angaben

Ergebnis laut BWA

447.898,40 €

+ Steuern vom Einkommen und Ertrag

226.293,76 €

./. Steuerfreier Anteil auf GA

307.164,00 €

367.028,16 €

./. Freibetrag

24.500,00 €

= verbleiben

342.528,16 €

Der Beklagte setzte daraufhin im Vorauszahlungsbescheid ab 2015 über den Gewerbesteuermessbetrag den Gewerbesteuermessbetrag für Zwecke der Vorauszahlungen mit 11.130 € fest (342.500 € ./. 24.500 € Freibetrag nach § 11 Abs. 1 GewStG × 3,5 %).

Die Klägerin reichte ihre Gewerbesteuererklärungen der Streitjahre am 09.02.2016 (2014) und am 13.01.2017 (2015) beim Beklagten ein. In der Gewerbesteuererklärung für das Streitjahr 2014 erklärte sie einen Gewinn aus Gewerbebetrieb in Höhe von 553.215 €, in der Gewerbesteuererklärung für das Streitjahr 2015 einen Gewinn aus Gewerbebetrieb in Höhe von 2.452.268 €. Diesen Gewerbesteuererklärungen beigefügt war jeweils ein „Ergänzungsliste Überleitung zum steuerlichen Gewinn”, in denen der vorläufige Gewinn u.a. um „nach § 3 Nr. 40 EStG steuerfreie Erträge (Teileinkünfteverfahren” i.H.v. 307.165 € (2014) bzw. i.H.v. 1.603.853 € (2015) gemindert worden waren. Unter Berücksichtigung weiterer Korrekturen wurde ausgewiesen „endgültiger Gewinn (+)/Verlust(-) gemäß § 7 GewStG” in Höhe der vorgenannten Beträge (553.215 € bzw. 2.452.268 €). Erklärt wurden außerdem Hinzurechnungen nach § 8 Abs. 1 GewStG und Kürzungen nach § 9 Nr. 1 Satz 1, Nr. 2 des Gewerbesteuergesetzes. Angaben zu einer etwaigen Kürzung nach § 9 Nr. 2a des Gewerbesteuergesetzes erfolgten nicht.

Aus der Gewinn- und Verlustrechnung für das Streitjahr 2014 ergibt sich, dass die Klägerin Erträge aus Beteiligungen an Kapitalgesellschaften (Erträge aus Beteiligungen z.T. steuerfrei, Konto 2615) in Höhe von 767.910,23 € in die Gewinnermittlung einbezogen hat (Bl. 9 der Bilanzakte). In der Bilanz zum 31.12.2014 wurden u.a. die Beteiligungen an der B D GmbH und an der A & J B C GmbH mit 26.250 € bzw. 12.800 € ausgewiesen, aber ohne Angabe der prozentualen Beteiligungshöhe. Den steuerlichen Gewinn ermittelte die Klägerin unter Ansatz von Abrechnungen in Höhe von 307.164,09 € (abzüglich nach § 3 Nr. 40 EStG steuerfreie Erträge in Höhe von 40%, Teileinkünfteverfahren) (Bl. 11 der Bilanzakte) und verschiedenen – hier nicht streitigen – Hinzurechnungen.

Aus der Gewinn- und Verlustrechnung für das Streitjahr 2015 ergibt sich, dass die Klägerin Erträge aus Beteiligungen an Kapitalgesellschaften (Erträge aus Beteiligungen z.T. steuerfrei, Konto 2615, und Erträge Veräuß.Ant. KapGes z.T. stfrei, Konto 2723) in Höhe von 3.155.311,67 € und in Höhe von 854.319,33 € in die Gewinnermittlung einbezogen hat (Bl. 22 der Bil...

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